Die Bedeutung des Unterrichts
Wie alle Humanisten des 16. Jahrhunderts machten die Reformatoren, allen voran Luther, die Unterweisung der Kinder in der Schule zur Aufgabe der Eltern und der Kirchen. Diese Verpflichtung findet sich seit der Nationalsynode von 1578 in Sainte-Foy in der reformierten Kirchenordnung schriftlich festgelegt.
Das Edikt von Nantes erlaubt den Anhängern der „vorgeblich reformierten Religion“, Schulen zu unterhalten, aber das nur in den vom Edikt vorgesehen Orten der Religionsausübung.
Die "kleinen Schulen"
In der Regel unterhält jede reformierte Kirche eine Grundschule für Jungen (seltener reine Mädchenschulen oder gemischte Schulen).
Der Schulmeister wird vom Konsistorium der Ortskirche berufen, das ihm eine Dienstwohnung stellt und ein Grundgehalt bezahlt, welches durch das von den Eltern aufzubringende Schulgeld ergänzt wird.
Die Unterweisung ist auf den einzelnen Schüler abgestimmt : jeder wird abwechselnd vor den Schulmeister gerufen, um zu lesen, zu schreiben und Gelerntes aufzusagen. Nur der Psalmengesang und der Katechismusunterricht finden im Gruppenunterricht statt.
Die Kollegs
Am Anfang des 17. Jahrhunderts gibt es etwa 30 reformierte Kollegs (die Nationalsynode von Saumur hatte 1596 mindestens ein Kolleg pro Synodalprovinz vorgesehen).
Im Kolleg lernt das Kind Latein, dann Griechisch, und in den beiden letzten Jahren Geschichte, Dialektik und Rhetorik.
Der Tag beginnt und schließt mit einem Gebet, und der Katechismus ist ein Bestandteil des Lehrplans. Die Schüler werden sonntags vom Schulmeister zum Gottesdienst geführt.
Das Kolleg wird von einem Direktor geleitet, der sowohl auf Grund seiner Frömmigkeit als auch auf Grund seiner verwaltungstechnischen und pädagogischen Qualitäten ausgewählt wird. Die Schulmeister und Professoren müssen alle das Glaubensbekenntnis und die reformierte Kirchenordnung unterschreiben (Beschluss der Nationalsynode von Alès, 1620).
Die Akademien
Der Ausdruck „Akademien“ bezeichnet die Kollegs, denen sich (nach Genfer Vorbild) ein theologisches Hochschulstudium anschließt.
Nach einem zweijährigen Philosophiestudium, das mit dem Magisterexamen abgeschlossen wird, kann der Student in ein dreijähriges Theologiestudium überwechseln, in dessen Verlauf er Hebräisch, Griechisch, Grammatik und Rhetorik lernt, was ihm ein genaues Verständnis der biblischen Urtexte erlaubt.
Der Student erwirbt so ein theoretisches Wissen, das er als Pastor, dessen „Hauptaufgabe es ist, das Wort zu predigen“, braucht.
Die Ausbildung der Geistlichen ist oberstes Ziel des reformierten Unterrichtswesens. Aber einige Akademien, wie etwa Orthez und Sedan, bieten auch andere Studiengänge an (Jura oder Medizin).
Die Akademie wird von einem Rektor geleitet, der oft auch Professor ist. Er wird auf ein bis zwei Jahre ernannt und ist erneut wählbar.
Die Finanzierung der Hochschulen wird von den Synoden beschlossen.
Auf der Nationalsynode von Alès (1620) werden die Verfassungen der Akademien von Die, Montauban, Saumur und Sedan bestätigt.
Die protestantische Pädagogik
Obgleich die religiöse Unterweisung als das Hauptziel des Unterrichts angesehen wird, räumt dieser der Literatur der heidnischen Antike einen besonderen Stellenwert ein.
Wenn man das Unterrichtswesen der protestantischen Kollegs mit dem der katholischen vergleicht – dem der Jesuiten oder Oratorianer – fällt sofort ins Auge, dass sie beide in der humanistischen Tradition stehen.
Daraus ergeben sich Ähnlichkeiten, aber auch Abweichungen im Unterrichtsstoff und in der Lehrmethode.
Die Abweichungen zeigen sich besonders in folgenden Punkten :
- die Auswahl an antiken Autoren ist bei den Protestanten wesentlich größer ;
- der Unterricht der protestantischen Akademien ist auf biblische Urtexte ausgerichtet ;
- die Protestanten unterrichten gleichrangig Griechisch, Hebräisch und Latein, während die Jesuiten fast ausschließlich am Latein festhalten ;
- die katholischen Kollegs sind gemeinsamen Regeln unterworfen, während sich jede protestantische Akademie selbst verwaltet.
Der allmähliche Abbau des protestantischen Hochschulnetzes durch den Staat
Ab 1661 versuchen Kirche und Staat, sich das Unterrichtswesen wieder einzuverleiben.
Das ganze 17. Jahrhundert hindurch wird mit einer Reihe von Maßnahmen versucht, die Entwicklung der protestantischen Schulen und Kollegs einzuschränken : Aufhebung der gemischten Schulen unter dem Vorwand der Moral ; Abschaffung der Schulen, wenn die Kirche geschlossen wurde ; Übernahme der protestantischen Kollegs durch die Jesuiten.
In Bezug auf die Akademien werden Maßnahmen ergriffen, um sie finanziell auszubluten und ihren Professoren die Teilnahme an den Synoden zu verwehren.
Die Akademien werden eine nach der anderen beseitigt : Nîmes 1664, Sedan 1681, Die 1684, Saumur und Montauban 1685. Die Akademie von Montauban wurde 1659 nach Puylaurens ausgelagert.
Daraus erklärt sich die Abwanderung vieler Intellektueller in die Länder des Refuge, in denen manche von ihnen später eine große Rolle spielen, wie Pierre Jurieu und Pierre Bayle in den Niederlanden.