Martin Luther,
der Übersetzer der Bibel
Im Jahre 1521, während seiner Gefangenschaft auf der Wartburg, beginnt Martin Luther mit der Übersetzung des Neuen Testaments. Dieses bemerkenswerte Unterfangen gedeiht rasch zu grossem verlegerischem Erfolg. Martin Luther setzt sein Werk mit der Übersetzung der Bücher des alten Testaments fort. Die vollständige Übersetzung der Bibel liegt 1534 vor. Diese Bibelauflage wird nach wie vor in den deutschsprachigen Ländern gelesen, wenn auch in überholter Form.
Luther, ein Fachmann
Martin Luther betreibt seine akademischen Studien an der Universität zu Erfurt, die stark vom Humanismus geprägt ist. Er erwirbt gute Kenntnisse in Hebräisch, Griechisch, und Latein, wenn er auch in diesen Sprachen nicht über dieselbe Virtuosität verfügt wie Melanchthon und alle die, deren Talent er für seine Unternehmung der Bibelübersetzung gewinnt. Auch ist Luther ein feinsinniger und wortgewandter Kenner der deutschen Sprache, sowohl im Gebrauch für den Alltag, als auch für Politik oder Diplomatik :
« Bei meiner Übersetzung der Bibel habe ich mich bemüht, reines und unmissverständliches Deutsch zu sprechen. Oft suchten wir ganze vier Wochen nach einem passenden Ausdruck, ohne bei unseren Nachforschungen glücklich zu werden. (…) Ich habe übrigens nicht allein gearbeitet : überall habe ich mir Helfer angeworben. Mir war daran gelegen, Deutsch zu sprechen, nicht Griechisch oder Latein. Um die Texte auf Deutsch zu formulieren, muss man allerdings nicht etwa die lateinischen Vorlagen heranziehen. Die Hausfrau bei der Arbeit, die Kinder beim Spiel, die Bürger auf dem öffentlichen Platz, – das sind die „Doktoren“ die man befragen muss : Von ihrer Mundart muss man lernen wie gesprochen wird und was verstanden wird : hat man sich dem unterzogen, so werden alle auch Eure Sprache verstehen. » (Luther in seinem Brief über die Kunst des Übersetzens und über die Anrufung der Heiligen, 1530)
Vor allem aber hatte Luther theologische Ansprüche (etwa bei den Themen « Heil » und « Gnade ») die ihn zur Wahl von Formulierungen führen, welche sich stark abheben von der am weitesten verbreiteten, auf lateinisch geschriebenen Bibelübersetzung des Heiligen Hieronymus, genannt die Vulgata.
Die einzelnen Etappen der Übersetzung
Schon 1517 hatte Luther einzelne Teile der Bibel übersetzt wie etwa die Psalmen der Busse, die zehn Gebote, das Vater Unser und den Lobgesang (« Den Herrn preist meine Seele »). Die Qualität seiner Übersetzung beindruckt Melanchthon der ihn zu einem systematischen Vorgehen anspornt. Im Jahre 1521, während seines unfreiwilligen Aufenthalts auf der Wartburg, übersetzt Luther das Neue Testament, in Anlehnung an die zweite Ausgabe der Übersetzung des griechischen Originaltextes durch Erasmus (1517).
1523 übersetzt er die Bücher Moses, dann folgen 1524 die Psalmen, auf der Basis der hebräischen Ausgabe des Alten Testaments, und der griechischen Übersetzung (Septuaginta).
Danach übersetzt er mit einem Übersetzerkollegium (Caspar Cruciger, 1504-1548 ; Justus Jonas, 1493-1555 ; Matthaüs Aurogallus, 1490-1543), das er wöchentlich einmal versammelt, alle anderen Texte des Alten Testaments, selbst die welche vom hebräischen Schriftkanon nicht ins Alte Testament eingegliedert wurden, da sie nicht in hebräischer Sprache, sondern auf griechisch oder aramäisch geschrieben wurden: die Bücher des Deuteronomium. Die immense Arbeit kommt 1534 schliesslich zum Abschluss. Die erste Auflage ist rasch vergriffen. Noch zu Lebzeiten Luthers gab es eine ganze Reihe von Auflagen, darunter eine mit Illustrationen von Albrecht Dürer und eine mit bildlichen Darstellungen von Lucas Cranach dem Älteren. 1546 sind 500.000 Exemplare der vollständigen Bibel in Auflagen aus 93 Städten im Umlauf. Der durchschnittliche Preis beträgt ungefähr 2 Florentiner.
Seine Auwahlkriterien
Wie jeder Übersetzer engagiert sich Luther für eine anspruchsvolle Aufgabe, dabei ist er immer der Kritik ausgesetzt, seine Arbeit ist jederzeit verbesserungsfähig. Für sein Werk bleibt er so nah wie möglich am hebräischen und griechischen Ursprungstext. Seine Empfindsamkeit für die poetische und musikalische Textdimension ist ausserordentlich.
Ansonsten stellt er angesichts der verschiedenen Verständnisschwierigkeiten und Interpretationsfragen, an denen es auch Luther nicht fehlt, klar seine Hypothesen dar und benennt die Positionen zwischen denen es zu wählen gilt :
- In einigen präzisen Fällen hat der Reformator sich gewollt vom Text gelöst : zum Beispiel wird aus dem Schekel (Geldwährung im antiken Israel) der Silberling (es ist dies die Währung in Sachsen zu Luthers Lebzeiten).
- Im Weiteren beruhen die meisten der Abweichungen von den existierenden Übersetzungen auf theologisch begründeter Auswahl (er hat abgesehen von den ursprünglichen Texten häufig in der Septuaginta und in der Vulgata gelesen, sowie in verschiedenen Übersetzungen der Vulgata in die Volkssprache). So hat er die Psalmen stets als eine Ankündigung des Kommens Christi gelesen, und sich dabei vielleicht hier und da Widersprüchlichkeiten geliefert.
In seinem « Brief über die Kunst des Übersetzens und über die Fürsprache durch die Heiligen » (1530) hat Luther einige wertvolle Hinweise zu seine Arbeitsmethode gegeben. So zum Beispiel bei der Ankündigung (Lukas 1.28), wo er über den Sinn der Begrüssung, die der Engel an Maria richtet, nachdenkt : « Ave Maria, plena gratiae » : « Gegruesst seist Du, Holdselige ». Dem Wortlaut nach könnte Maria als der Fürbitte vor Gott bemächtigt gelten. Diese Auslegung wurde von der Lehre der katholischen Kirche stark hervorgehoben. Aber unter theologischen Gesichtspunkten ist sie nicht zwingend. Betrachtet man den griechischen Begriff, entspricht er einem hebräischen Wort, das vor allem im Buche Daniels gebraucht wird, und welches nur eine herzliche Begrüssungsart meint, getragen von Zuneigung. Luther hat folglich diese Übersetzung vorgezogen : « Gegruesst seist Du, Holdselige ».
Die Wahl der Übersetzung ist oft von grosser Bedeutung : ein anderes Beispiel ist die Ansprache Moses an Gott vor dem brennenden Busch « Ich werde sein, der ich sein werde ». Es wird eine dynamische Bedeutung vorgeschlagen, um den unvollendeten zeitlichen Handlungsmodus der hebräischen Sprache gerecht zu werden. Obwohl dies sich vom Hebräischen her anbietet, wird diese Möglichkeit meistens nicht gewählt. Im Französischen übersetzt man meist mit « Ich bin der ich bin ».
Luther hat seine Wahl der Auslegung oft explizit während denjenigen seiner Predigten erläutert, die seine theologischen Ansprüche darlegten.
Die Verbreitung der Übersetzung Luthers
Luthers Übersetzung erlebte aufgrund ihrer sprachlichen Qualitäten grossen Erfolg und ist ein bedeutender Vektor der Reformierung in den deutschsprachigen Ländern. Das Werk hat dabei auch die Entwicklung der deutschen Sprache tief beeinflusst : es hat die Vereinheitlichung der verschiedenen Dialekte im Hochdeutsch bewirkt, mit dessen litterarischen und poetischen Qualitäten, deren Brandbreite durch den Romantismus klar zu Tage kam.
Natürlich konnten bei dieser Übersetzung Fehler nicht vermieden werden. Einige wurden verhältnismässig rasch korrigiert, besonders die im Buch Hiob. Andere konnten al Errungenschaft des linguistischen Fortschritts aufgedeckt werden, oder bei der Bibelexegese. Wenn auch auf Luthers eigene Auslegung der Bibel viele Überarbeitungen folgten, so behalten doch die im deutschsprachigen Raum gebräuchlichen Übersetzungen die wesentlichen Züge und damit die Wahl Luthers bei.
Dazugehörige Rundgänge
-
Vor 500 Jahren… schlug Luther 95 Thesen an
Nach der Tradition, in 1517, zeigt Martin Luther 95 Thesen auf den Türen Schlosskirche zu Wittenberg. Sein Anliegen war es, eine theologische Auseinandersetzung über die Berechtigung des Ablasshandels anzuregen, der... -
La Réforme et la Bible
Dazugehörige Vermerke
-
Olivétan (1506-1538)
Olivétan hat sich als Übersetzer der Bibel einen Namen gemacht. Die sogenannte Olivétan-Bibel ist die erste französische Direktübersetzung aus den hebräischen und griechischen Urtexten. Sie ist auch unter dem Namen... -
Bibelübersetzungen im 16. Jahrhundert
Im 16. Jahrhundert werden zahlreiche Übersetzungen der Bibel vorgenommen. -
Martin Luther (1483-1546)
Martin Luther ist der geistige Vater der Reformation oder genauer der protestantischen Reformbewegung. Der gesamte Protestantismus beruft sich auf ihn. Luther hat dafür die theologischen Fundamente gelegt. Die Reformbewegung verbreitet... -
Luther im öffentlichen Leben
Luthers Lehre, seine Schriften und Predigten fanden unmittelbar großen Anklang. Nach dem Thesenanschlag und der Bannbulle des Papstes entscheiden sich viele seiner Zeitgenossen aus allen Ständen für die Unterstützung des Reformators.... -
Martin Luther und die Reformation
Martin Luther, ein deutscher Augustinermönch, bestreitet das Dogma, wonach das Heil aus den Werken erwächst. Nach der Ächtung durch Papst Leo X. wird Luther zum Urheber der breiten Reformbewegung des... -
Martin Luther und Erasmus
Die Beziehungen zwischen Luther und Erasmus sind ebenso ergiebig wie ungestüm. Theologe und Humanist haben bei der Bibelübersetzung ähnliche Standpunkte, sind sich aber nicht einig in Bezug auf die Erlösung... -
Martin Luther und die Musik
Martin Luther (1483-1548) war nicht nur Theologe und Reformator, sondern auch Musiker und Komponist. Der Gesang der Gemeinde erhält durch ihn einen neuen Stellenwert in der reformierten Liturgie. Er selbst... -
Martin Luthers Schriften
Martin Luther hat ein umfassendes schriftliches Werk hinterlassen. Sein ganzes Leben lang verfasste er theologische Abhandlungen. Dazu kamen politische und andere Streitschriften, die sich aus seinen Engagements ergaben. Mit der... -
Martin Luther, seine Theologie
Luther formuliert seine Theologie aus der Bibel heraus, insbesondere beruft er sich auf den Römerbrief des Apostels Paul was seine These der Erlösung durch die Gnade Gottes anbetrifft die anstelle...