Die erste Welt-Missions-Konferenz
Konferenz von Edinburgh, 1910 © COE
Vier große Missions-Konferenzen hatten den Weg für diese Konferenz vorbereitet und die Grundlagen gelegt für eine Zusammenarbeit zwischen den anglikanischen und protestantischen Missionsgesellschaften, um gegenseitiger Konkurrenz aus dem Wege zu gehen:
Liverpool 1860
London 1878 und 1888
New York 1900
Erst in Edinburg bestanden die Delegierten aus offiziellen Vertretern der verschiedenen Missionsgesellschaften, aus ihren Direktoren, Missionaren und aus Mitgliedern ihrer Hilfskomitees. Die gründliche Vorbereitung durch acht Kommissionen dauerte 2 Jahre.
Nur anglikanische und protestantische Missionsgesellschaften waren vertreten. Obwohl kein einziger Vertreter des Katholizismus oder der Orthodoxie daran teilnahm, wurden diese Kirchen mehrmals mit Ehrerbietung zitiert. Die anglo-amerikanische Welt war vorherrschend.
Warum Edinburg?
Edinburgh gegen 1910: Lawnmarket
Schottland hatte bereits eine große missionarische Bedeutung, da von dort berühmte Missionare wie David Livingstone ausgesandt worden waren. Schottland hatte auch anerkannte Missionen gegründet. Zusätzlich hatte diese Missionsbewegung ein bedeutendes Unterstützungsnetz, das die Organisation einer Weltkonferenz ermöglichte.
Am 14. Juni 1910 versammelten sich 1250 Delegierte im Konferenzsaal der Vereinigten Schottischen Kirche zur Eröffnungssitzung unter Führung von Lord Balfour, einem der wichtigsten Politiker und Kirchenmänner Schottlands. Die Konferenz dauerte bis zum 23. Juni, im Ganzen 10 Tage. Die Bevölkerung der Stadt wurde dank täglich stattfindender öffentlicher Vorträge stark impliziert. Durch die Autoritäten der Stadt war den Delegierten ein sehr feierlicher Empfang bereitet worden.
Die Vorbereitung
Joseph Oldham © A.W. Schreiber Die Edinburger Welt-Missions-Konferenz 1911
Ein internationales Komitee bestehend aus zehn Briten, fünf Nordamerikanern und drei Vertretern des europäischen Kontinents versammelte sich 1907 in Oxford. An der Spitze der Vorbereitungen standen zwei Persönlichkeiten:
John Raleigh Mott , Amerikaner, und John Houldsworth Oldham , Schotte.
Die Losung von John Mott zum Thema der Evangelisierung der ganzen Welt im Laufe unserer Generation wurde: Das Betrachten der Missionsprobleme in Bezug auf die nichtchristliche Welt. Jegliche protestantische Proselytenmacherei in bereits von Katholiken oder Orthodoxen evangelisierten Ländern sollte ausgeschlossen werden.
Die Kriterien zur Teilnahme waren pragmatisch. Jede Missionsgesellschaft konnte einen Delegierten entsenden unter der Bedingung, dass sie Missionare im Ausland unterstützte und zu diesem Zweck pro Jahr mindestens 2000 Pfund ausgab. Für jede zusätzlichen 4000 Pfund konnte ein neuer Delegierter entsendet werden. 176 Gesellschaften schickten Delegierte: 59 aus Nordamerika, 58 vom europäischen Kontinent, 47 aus dem Vereinigten Königreich (Grossbritannien und Nordirland) und 12 aus Südafrika und Australien.
Die Themen, die auf der Konferenz behandelt werden sollten, wurden von acht Kommissionen vorbereitet. Für jede Kommission wurde vom Komitee ein Fragebogen ausgearbeitet, der an die Missionare der verschiedenen Regionen der Welt verschickt wurde.
Die Arbeit der Kommissionen beruhte auf der Auswertung von Tausenden von eingegangenen Antworten.
Die französischen Delegierten
Alfred Boegner, der Direktor der Gesellschaft der Missionen vom 1870 bis 1912. © DEFAP
Unter den 1215 Teilnehmern waren über tausend Briten oder Amerikaner, während der Rest von Europa nur durch 170 Vertreter abgedeckt wurde.
Die französische Delegation bestand aus 10 Personen, Vertretern der Evangelischen Missionsgesellschaft von Paris, darunter ihr Leiter Alfred Bœgner, einer gewissen Anzahl von Missionaren im Amt und aus Vertretern der der Hilfskomitees. Die französischen Delegierten hatten den Eindruck, an einem wichtigen Ereignis teilzunehmen, sich mit den „Kräften, die in der Eroberung der Welt engagiert sind“ zu verbünden. Aber angesichts der Anzahl der angelsächsischen Delegierten wurde sich die französische Delegation ihrer Schwäche in Bezug auf den missionarischen Auftrag, der sie erwartete, bewusst. Kein einziger Franzose hatte an den Vorbereitungskommissionen teilgenommen. Allein
Alfred Bœgner war an einem Abend eingeladen worden, eine Konferenz auf englisch zu halten. Darin bat er um Hilfe: „Helft uns, zu evangelisieren“.
Die Tagesordnung
Missionar Henri Martin © DEFAP
Die Tagesordnung sah als wichtigsten Teil ein gemeinsames Fürbittengebet vor, das alle Debatten um die Mittagszeit unterbrechen sollte. Aber der Großteil der Zeit war den Diskussionen über die Berichte der acht Kommissionen gewidmet. Die Themen waren:
Die Verkündigung des Evangeliums an die gesamte nichtchristliche Welt.
Die Kirche auf dem Feld der Mission
Die Erziehung in ihrer Beziehung zur Christianisierung des nationalen Lebens.
Die missionarische Botschaft in Bezug auf die nichtchristlichen Religionen
Die Vorbereitung der Missionare
Die zum Mutterland gehörige Basis der Missionen
Die Missionen und die Regierungen
Die Zusammenarbeit und die Förderung der Einheit
Kein Beitrag zu einem Thema der Kommissionsberichte sollte einen Zeitraum von sieben Minuten überschreiten.
Bei den allabendlichen Sitzungen kamen zwei oder drei Redner zu Wort. Diese Abendveranstaltungen waren aber nicht Teil der Arbeit in den Kommissionen.
Die Zusammenarbeit und die Förderung der Einheit.
Cheng Ching Yi © A.W. Schreiber Die Edinburger Welt-Missions-Konferenz 1910
Im Laufe der Diskussion über die Berichterstattung der Kommission VIII wurde die beeindruckendste Rede vom chinesischen Delegierten Chen Ching Yi gehalten.
Unter den Delegierten vertraten nur fünfzehn Asiaten die nicht westliche Welt. Kein Afrikaner, Lateinamerikaner oder Ozeanier war vertreten. Sie waren ausgeschlossen, da nur die Missionsgesellschaften vertreten waren, aber nicht die Kirchen, die aus der Mission entstanden waren.
Der chinesische Delegierte sprach über die Christliche Vereinigung in China, die eine innerchristliche Zusammenarbeit in Erziehung und Evangelisierung entwickelt habe,“ um in näherer Zukunft die Entstehung einer vereinigten christlichen Kirche ohne Denominationsunterscheidungen zu begünstigen“.
Auf der Grundlage solcher Äußerungen betrachtet man Edinburg 1910 als den Vorläufer der Gründung der ökumenischen Bewegung.
Das Komitee zur Fortführung
Weltkongreß der Kirchen in Neu-Delhi, 1961: Eröffnungsgottesdienst © La Voix Protestante
© DEFAP
Wenn auch die Konferenz von Edinburg ihr Hauptziel, die missionarische Zusammenarbeit in offizieller und organisierter Form zu entwickeln, erreicht hatte, so war doch der einzige Beschluss der Konferenz folgender: unter der Schirmherrschaft von John Mott und J.H. Oldham sollte ein Komitee aus 35 Mitgliedern zur Weiterführung geschaffen werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg (1921), wandelte sich das Komitee zum Internationalen Rat der Missionen mit Sitz in London und New York. Er bestand aus zahlreichen namenlosen Missionsgesellschaften und Organisationen vor Ort.
Durch sie wurden die internationalen Konferenzen in Jerusalem (1928), Tambaran in Indien (1938), Whitby in Canada (1974), Willingen in Deutschland (1952) und Achimota in Ghana (1958) organisiert. Anlässslich eines Treffens in Neu-Delhi (1961) entstand daraus der Ökumenische Rat der Kirchen(ÖRK) als Kommission für die Evangelisation in der ganzen Welt. Gleichzeitig wurden als Mitglieder die Ende 1950 aus der Mission entstandenen autonom gewordenen Afrikanischen Kirchen aufgenommen, ebenso wie mehrere orthodoxe Kirchen, unter ihnen die russische-orthodoxe Kirche.
Wiege der ökumenischen Bewegung Mehrfach wird die Konferenz von Edinburg als Wiege der ökumenischen Bewegung bezeichnet. Tatsache ist, dass 1910 in Edinburg die Kirche zum ersten Mal als eine allumfassende Realität dargestellt wird. Vielen der Teilnehmer war klar, dass sie sich dort am Vorabend des Weltchristentums befanden. Aus diesem Grunde ist die Konferenz von Edinburg ein Meilenstein in der Geschichte der Religionen zu Anfang des XX. Jahrhunderts.