Humanismus und Bibelübersetzungen
in die landessprachen
Das 16. Jahrhundert stellt einen entscheidenden Wendepunkt in der Geschichte der Bibel dar. Die Buchdruckerkunst erleichtert ihre Verbreitung. Der Humanismus preist die Rückkehr zu den Quellen, das heißt zu den ursprünglichen Sprachen und Manuskripten für die Autoren der griechischen oder lateinischen Antike wie auch für die Bibel. Dank der Übersetzungen in die Landessprachen wird die Bibel einem immer zahlreicheren Publikum zugänglich.
Der Beitrag des Humanismus
Der Humanismus preist die Rückkehr zu den Quellen, um das antike Erbe wiederzufinden, das befreit ist von den Irrtümern, die sich im Laufe der Geschichte eingeschlichen haben. Aus dem Orient kommend, erreichen Manuskripte von Meisterwerken der griechischen Antike den Westen. Die Humanisten beugen sich über diese alten Texte, entdecken erneut die griechischen Sprache, Literatur und Denkweise und erwerben neue Methoden der Übersetzung und Edition, die sie dann auch auf die Bücher der Bibel anwenden. Der Aufschwung der Buchdruckerei erlaubt die Verbreitung ihrer Arbeiten in ganz Europa. Die Werkstätten der Buchdrucker, die diese alten Texte herausgeben, sind Treffpunkte für die Humanisten, die oft am Rande der Universitäten leben und sogar mit ihnen im Streit liegen.
Das Studium der alten Sprachen, die Grammatik und Philologie, sind die bevorzugten Arbeitsmittel der Humanisten. Diese Mittel werden erlauben, an die Bibeltexte neu heranzugehen.
1516, die griechische Ausgabe des Neuen Testaments durch Erasmus
Erasmus (1469-1536) hat einen wichtigen Platz innerhalb der Humanisten inne, die sich mit der Bibel befassen. Im Jahre 1516 veröffentlicht er in Basel ein Neues Testament, das Geschichte schreibt.
Jahrhundertelang hatte der Westen die Bibeltexte nur durch die Vulgata gekannt, die lateinische Übersetzung der Bibel, die vom Heiligen Hieronymus Anfang des 5. Jahrhunderts vollendet worden war. Die griechischen Manuskripte der Bibel, die im 15. und 16. Jahrhundert aus dem Orient gebracht wurden, lassen wichtige Unterschiede zur Vulgata hervortreten. Die Ausgabe von Erasmus von 1516 umfasst den griechischen Urtext und eine neue lateinische Übersetzung dieses Textes, der somit die Vulgata korrigiert. Die „Bemerkungen“ werden in einem zweiten Band gesondert veröffentlicht und erklären die Wahlen des Übersetzers und seine Uneinigkeit mit der Vulgata. Diese lateinische Übersetzung bringt dem Autor viele Kritiken von Seiten der traditionellen Theologie ein, für die die Vulgata ein heiliger Text ist.
Erasmus wünschte die Übersetzung in die Landessprachen, damit alle (sogar die Frauen) die Bibel lesen könnten, aber er selbst wird sich nicht darum kümmern. Allerdings wird seine Ausgabe des griechischen Textes die Grundlage sein für die meisten Übersetzungen in die Landessprachen im Europa des 16. Jahrhunderts.
1530, die Übersetzung der Bibel ins Französische von Lefèvre d’Etaples
Der Humanist Lefèvre d’Étaples steht zusammen mit Bischof Guillaume Briçonnet am Anfang der „Literarischen Gesellschaft“ von Meaux. Die die Verkündigung der Heiligen Schrift in den Gemeinden der Diözese von Meaux empfiehlt. Um die Arbeit der Prediger, die sich auf Französisch ausdrückten, zu erleichtern, beginnt Lefèvre d’Étaples die Übersetzung des Neuen Testaments ins Französische ausgehend von der Vulgata, aber mit einigen Veränderungen, die auf dem griechischen Text beruhen. Der Erfolg dieser Übersetzung, die 1523 und 1525 in Paris veröffentlich wird, ist beachtlich.
Aber sie bringt ihren Autor in große Schwierigkeiten von Seiten der Doktoren der Pariser Universität, die 1526 jegliche Übersetzung der Heiligen Schrift ins Französiche vom Pariser Parlament verbieten lassen.
Die Unterstützung durch Marguerite de Navarre und Franz I. erlaubt Lefèvre d’Étaples seine Arbeit wiederaufzunehmen und das ganze Alte Testament zu übersetzen. Aber diesmal veröffentlicht er seine Bibelübersetzung in Antwerpen mit Unterstützung der Doktoren der Universität von Löwen. Mit aufeinanderfolgenden Überarbeitungen wird diese Französische Übersetzung über ein Jahrhundert lang als Referenz gelten.
1534, die deutsche Lutherbibel
Sobald Luther 1512 zum Professor an der Universität von Wittenberg ernannt wird, kommentiert er die Bibel vor seinen Studenten. Seine Übersetzung des Neuen Testaments, die er nach der Ausgabe des Neuen Testaments von Erasmus 1522 in elf Wochen während seines Aufenthaltes auf der Wartburg anfertigt, ist ein beachtlicher Verlagserfolg, und von 1522-1533 erscheinen 85 Ausgaben. Das aus dem Hebräischen übersetzte Alte Testament ist eine Kollektivarbeit in Verbindung mit hebräisch sprechenden Gelehrten. 1534 wird die gesamte Bibel veröffentlicht. Sie enthält Vorworte, die dazu aufrufen, die Heilige Schrift zu lesen.
Die deutsche Lutherbibel hat einen beträchtlichen Einfluss auf die deutsche Sprache und Denkart ausgeübt.
1535, die Bibel von Olivétan
Pierre Robert, genannt Olivétan aus der Picardie (1506-1538), war, so scheint es, ein entfernter Cousin von Calvin. Er ist bekannt für seine Übersetzung der Bibel ins Französische, der sogannten „Bibel von Olivétan“. Diese Übersetzung war von den Waldensern , den Schülern von Valdo, bestellt und finanziert worden, die sich 1532 auf der Synode von Chanforan der Reformation anschließen.
Einige Historiker denken, dass die Initiative dafür von den französisch sprechenden Schweizern ausgegangen ist, besonders von Guillaume Farel, der die Waldenser dazu angestoßen hat, das Unternehmen zu unterstützen. Die Reformatoren aus Genf und Lausanne wollten über eine Bibel auf französisch verfügen, die nicht von der Vulgata ausgehend übersetzt würde, sondern auf den hebräischen und griechischen Urtexten beruhte. Sie suchen einen fähigen Übersetzer und wenden sich an Olivétan, der bei Bucer in Straßburg hebräsich studiert hat. In zwei Jahren von einem einzigen Mann verwirklicht, ist diese Übersetzung eine Meisterleistung. Olivétan arbeitet allerdings als Wegbereiter, indem er sich zum ersten Mal mit den hebräischen und griechischen Urtexten auseinandersezt, sich aber gleichzeitig für das Neue Testament von der Übersetzung von Lefèvre d’Étaples inspirieren lässt.
Diese 1535 von Pierre de Vingle in Neuchâtel herausgegebene Bibel hatte aber keinen kommerziellen Erfolg. Dem stehen die gotischen Buchstaben entgegen und ihr großes Format, das sie weder handlich noch leicht transportierbar macht.
Die verschiedenen Überarbeitungen der Bibel von Olivétan
Die Bibel von Olivétan erlebt zahlreiche Überarbeitungen :
- 1540: die Schwertbibel Der Buchdrucker Girard in Genf legt eine handlichere Ausgabe vor, die leichter zu lesen ist, weil sie römische Buchstaben benutzt und Satzzeichen setzt;
- 1546: Überarbeitungen von Jean Calvin;
- 1553: Ausgabe des Buchdruckers Robert Estienne unter dem Zeichen des Olivier;
- 1562: „Genfer Bibel“ mit dem Psalter von Marot und Bèze;
- 1588: Überarbeitungen von Théodore de Bèze;
- 1707: Überarbeitung von David Martin;
- 1744: Überarbeitung von Jean Frédéric Ostervald.
1555, die Bibel von Castellion
Der Humanist Sebastien Castellion (1515-1563), ein guter Kenner der biblischen Sprachen, möchte die Bibel nicht nur für Gebildete, sondern auch für einfache Leute lesbar machen. Er benutzt daher eine volkstümliche Sprache. Seine Übersetzung wurde 1555 veröffentlicht – recht revolutionär dür die Zeit und schockierend. Man erachtet, dass Castellion, indem er die „Sprache der Lumpen“ gebraucht, die Majestät der Bibel nicht respektiert. Diese Übersetzung wurde als zu modern beurteilt und war kein kommerzieller Erfolg.
Die Idee einer Übersetzung in volkstümlicher Sprache wird im 20. Jahrhundert erfolgreich wiederaufgenommen in den modernen Versionen in gebräuchlichem Französisch.
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