Professor und Literat
Pierre Bayle wurde in Carla in der Grafschaft Foix (Ariège) als Sohn eines Pfarrers geboren.
Während seiner Schulzeit im Jesuitenkolleg in Toulouse tritt er zum Katholizismus über.
1670 verlässt er als „baccalaureus in artibus“ Toulouse und schwört dem Katholizismus ab. Als Rückfälliger ist er gezwungen, das Land zu verlassen. Er flieht nach Genf, wo er Theologie studiert.
Seine Rückkehr zum Calvinismus erzählt Pierre Bayle (in der dritten Person) wie folgt :
„Da ihm die von ihm beobachtete übertriebene Verehrung der Geschöpfe sehr verdächtig erschien und ihm die Philosophie eine bessere Kenntnis der Unmöglichkeit der Transsubstantiation vermittelt hatte, zog er daraus den Schluss, es habe in den Einwänden, denen er nachgegeben habe, eine gewisse Sophistik gelegen ; er unterzog beide Religionen einer neuerlichen Prüfung und fand dabei das Licht wieder, das er aus den Augen verloren hatte und folgte ihm, ohne Rücksicht auf tausend zeitliche Vorteile, auf die er verzichtete, und auf tausend Nachteile, die ihm unvermeidbar erschienen, wenn er sie verfolgte.“
(« Le culte excessif qu’il voyait rendre aux Créatures lui ayant paru très suspect et la Philosophie lui ayant fait mieux connaître l’impossibilité de la transsubstantiation, il conclut qu’il y avait du Sophisme dans les objections auxquelles il avait succombé ; et faisant un nouvel examen des deux Religions, il retrouva la lumière qu’il avait perdu de vue, et la suivit sans avoir égard à mille avantages temporels dont il se privait, ni à mille choses fâcheuses qui lui paraissaient inévitables en les suivant. »)
Nach einer Zeit als Hauslehrer in verschiedenen reformierten Familien in Rouen und dann in Paris erhält er 1675 in einem Auswahlwettbewerb die Professur für Philosophie an der reformierten Akademie in Sedan.
Als diese Akademie 1681 geschlossen wird, flüchtet er nach Rotterdam und lehrt dort an der Ecole Illustre bis 1693.
Das Prestige des hugenottischen Refuge in den Vereinigten Provinzen und die Französisierung der literarischen Welt Europas
Als Bayle in die Niederlande kommt, sind die Vereinigten Provinzen ein souveräner Staat mit einer blühenden Wirtschaft und großer kultureller Ausstrahlung. Infolge der Anwesenheit zahlreicher Wallonen, die sich dort nach ihrer Flucht aus dem Süden der spanischen Niederlande niedergelassen haben, ist die französische Sprache weit verbreitet.
Bedeutung und Ruf der holländischen Drucker fördern und stimulieren eine breite literarische Tätigkeit. Zeitungen und Gazetten werden in ganz Europa vertrieben. Von 1684 bis 1687 betreut Pierre Bayle die Redaktion der berühmtesten literarischen Zeitschrift, Les Nouvelles de la République des Lettres, und steht dadurch mit dem ganzen gelehrten Europa in Verbindung.
In Rotterdam veröffentlicht Bayle dann auch eine Reihe wichtiger Werke
Erwähnt seien unter anderem :
- Pensées diverses sur la comète, 1682,
- Ce que c’est que la France toute catholique sous le règne de Louis-Le-Grand, 1686,
- Commentaire philosophique sur ces paroles de Jésus-Christ : « Contrains-les d’entrer », 1686,
- Dictionnaire historique et critique, 1696-1697, das eine kritische Prüfung von Dogmen und Überlieferungen sein will.
Dieses Wörterbuch, bei dem sich Gelehrsamkeit mit logischem Denken paaren, hatte in der gebildeten europäischen Öffentlichkeit großen Erfolg, seine Einfuhr in das Königreich Frankreich war jedoch untersagt.
Ein Plaidoyer für zivile Toleranz
Bayle ist ein Gegner jeglichen Sektierertums und setzt sich für eine zivile Toleranz ein, die Gewissensfreiheit erlaubt. Für ihn sind die Chancen der Toleranz in Frankreich mit monarchischer Loyalität verbunden. Die Toleranz, die er befürwortet, gründet auf der Achtung des Gewissens des Einzelnen und damit auf der Achtung geistiger Vielfalt, was die Ablehnung der Verfolgung von Häresien bedeutet. Durch seine politischen Stellungnahmen und sein Eintreten für die Rechte des „irrenden Gewissens“ (‚La conscience errante‘) gerät er in eine heftigen Kontroverse mit Pierre Jurieu, der ebenfalls in Rotterdam Zuflucht gesucht hat.
Er stirbt 1706 in Rotterdam.