Die Picardie, Land großer Reformatoren
Seit 1523 predigte Louis de Berquin (1490-1529), ein Freund von Erasmus und Übersetzer lutherischer Traktate, in Amiens die Reformation. Trotz seines Schutzherren Franz I., wurde er dennoch in Paris auf dem Place de Grève bei lebendigem Leib verbrannt.
Ab dem 16. Jahrhundert wurden protestantische Kirchen in Amiens und Montdidier gegründet, die von Guy de Brès, einem belgischen Glasmaler aus Mons (Belgien), evangelisiert wurden. Er verfasste ein Glaubensbekenntnis, das von Calvin und Theodor von Bèze befürwortet wurde.
Um 1525 tauchten in der Haute-Picardie oder der Thiérache die reformierten Ideen im Dorf Landouzy (Département Aisne) auf, mitgebracht von Bauern, die zum Ernten in die Gegend um Meaux gezogen waren.
Guillaume Briçonnet, ehemaliger Abt von Saint-Germain-des-Prés und später Bischof von Meaux, hatte Lefèvre d’Étaples und Farel zu sich gerufen, um den Zönakel von Meaux zu bilden.
Saint-Quentin
Im Jahr 1557 unterstützte Coligny in Saint-Quentin gegen die spanische Armee eine heldenhafte Belagerung, an die ein Denkmal erinnert. Coligny wurde gefangen genommen und konvertierte daraufhin endgültig zum Protestantismus.
Im Département Aisne ließ sich um 1565 eine von der Familie de Croy unterstützte reformierte Gemeinde in Montcornet nieder, eine weitere in Parfondeval und eine dritte in Chauny.
Ab 1570 wanderten reformierte Familien aus Laon nach Genf aus und im 18. Jahrhundert gab es in der Picardie nur noch wenige reformierte Kerngebiete, die sich um Amiens, Montdidier und Saint-Quentin gruppierten.
Noyon
Noyon ist ein Ort des Gedenkens an Calvin (1509-1564), den Vater der Reformation in Frankreich.
An der Stelle seines Geburtshauses, das Ende des 16. Jahrhunderts wahrscheinlich von der Liga zerstört wurde, steht ein neues Gebäude, das nach dem ersten Weltkrieg originalgetreu wieder aufgebaut wurde und das Calvinmuseum beherbergt.
In der Nähe von Noyon liegt das Dorf Pont-l’Évêque am Ufer der Oise. Es ist der Herkunftsort der Calvins, die Schiffer waren.
Die Zisterzienserabtei von Ourscamp
Unweit von Pont-l’Évêque erheben sich die majestätischen Ruinen der Abtei von Ourscamp, die vom jungen Calvin frequentiert wurde.
Amiens
In Amiens, am Place du Palais de justice, erinnern die Skulpturen am Haus des Schützen („maison du sagittaire“) an den Besitzer, einen hugenottischen Tuchhändler und Alchemisten.
Im 17. Jahrhundert gab es in der Picardie noch etwa 15.000 Reformierte, die aus Amiens, Montdidier, Saint-Quentin und Compiègne stammten.
In Guise, Chauny und Crépy-en-Laonnois wurden Gottesdienste abgehalten, obwohl sie vom Edikt von Nantes nicht erlaubt waren.
Abbeville, Stadt der Tuchmacher
Abbeville gelangte durch die Familie Van Robais zu Wohlstand. Sie waren holländische Protestanten, die auf Wunsch Colberts 1665 hier die königliche Manufaktur für feine Tücher gründeten. Selbst während der Revokation blieben die Van Robais unbehelligt. Ihr Privathaus in der Rue Lesueur 22, die Manufaktur oder das Hôtel de Rames und ihr Schloss in Bagatelle blieben bis heute bestehen.
Protestantische Schlösser in der Picardie
Viele Schlösser in der Picardie zeugen davon, dass sich der Adel in der Provinz der Reformation anschloss:
- das Schloss von Ohlain (Pas-de-Calais), im 15. Jahrhundert von der Familie Berghes d’Ohlain errichtet
- das Schloss von Rambures (Somme), Meisterwerk der Militärarchitektur
- das Schloss von Poireauville in der Nähe von Saint-Valéry-sur-Somme
- das Schloss von Picquigny, das den ehemaligen Vidames des Bischofs gehörten, die protestantisch geworden waren. Dort wurden eine Zeit lang die Gottesdienste beider Konfessionen gefeiert, der eine im Schloss, der andere in der Kapelle.
- das Herrenhaus von Quesnel (Pas-de-Calais)
- das Schloss von Bernâtre, in dem die einzige protestantische Kirche erhalten ist, die der Zerstörung durch die Revokation entgangen ist.
Hesbécourt bei Roisel in der Somme bewahrt die Erinnerung an Versammlungen der „Kirche der Wüste“ (Désert) nach der Revokation. Hier kam Claude Brousson unter Lebensgefahrt predigen. Inmitten der Felder wurde von der S.H.P.F. ein Denkmal errichtet, das „Monument de la Boîte à Cailloux“ (Denkmal der Steinschachtel).
Kleine, verstreute protestantische Gemeinden überlebten die Revokation. Als Jean de Vismes 1803 die Volkszählung in der Picardie durchführte, zählte er noch 1600 Gläubige.
 
							 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                                                 
                     
                     
                     
                     
                    