Die Hugenotten in Südafrika

Die Auswanderung der Hugenotten nach Südafrika ist oft übergangenes Kapitel der Geschichte des französischen Protestantismus. Obgleich sie zahlenmäßig schwach war, hat sie das Land geprägt.

Wer waren sie ?

  • Das Hugenottendenkmal in Franschhoek (Südafrika) © Wikipedia Commons (Dewet)
  • Hugenottendenkmal (Kapstadt) © SHPF

Diese Auswanderung betraf in der Tat nur eine kleine Minderheit, weniger als ein Tausendstel der 200.000 Protestanten, die Frankreich nach der Widerrufung des Edikts von Nantes verließen. Tatsächlich beschränkt sie sich auf 178 Familien, die zwischen 1688 und 1691 von Holland aus die Überfahrt auf nur vier Schiffen unternahmen, deren wichtigstes die „Osterland“ war. Diese Protestanten kamen im wesentlichen aus zwei Regionen : die eine erstreckte sich in einem Bogen von Flandern zur Saintonge, die andere vom Dauphiné über die Provence zum Languedoc.

Im Unterschied zu den holländisch- und deutschstämmigen Siedlern, die den Hauptteil der weißen Bevölkerung der Kapkolonie ausmachten, die vor allem aus Armen und Militärs bestanden, welche am Ende des Dreißigjährigen Krieges ihre Beschäftigung verloren hatten, gehörten die Hugenotten, die ihr Land aus Glaubensgründen verlassen hatten, größtenteils dem mittleren Bürgertum an ; ein Viertel von ihnen trug, wie aus den Passagierlisten hervorgeht, ein „von“ im Namen.

Die Ostindienkompanie

  • Briefmarke: Die Herkunftsregionen der französischen Hugenotten in Südafrika © Collection privée

Die Kapkolonie war zu der Zeit eine wichtige Zwischenstation für die Schiffe der holländischen Ostindienkompanie auf dem Weg nach Batavia ; sie stellt insofern einen der historischen Fälle dar, in dem ein ganzes Land im Besitz einer Handelsgesellschaft war und auch von dieser regiert wurde.

Warum wandte sich die Kompanie mit ihrem Appell an die Hugenotten ? Dafür gibt es zwei Hauptgründe :

  • Der erste bestand in dem aufrichtigen Wunsch, den Glaubensbrüdern in der Not zu helfen, was den religiösen Geboten der Kompanie entsprach ;
  • der zweite war eigennützig : es war unbedingt erforderlich, die Landwirtschaft zu entwickeln, um die Schiffe mit Lebensmitteln zu versorgen, und vor allem Wein anzubauen, denn die ersten Anbauversuche der Holländer waren nicht von Erfolg gekrönt gewesen ; da sich Wein besser konservieren lässt als Wasser, war er eine kostbare Beiladung für lange Schiffsreisen. Bei der Zulassung von Ausreisewilligen spielten Fähigkeiten auf diesem Gebiet eine große Rolle.

Die Reise zum Kap

Die von der Kompanie festgelegten Regeln waren strikt : es durfte kein Gepäck mitgenommen werden, aber die Reise war kostenlos, vorausgesetzt man befolgte die Anweisungen, darunter die Verpflichtung, mindestens fünf Jahre am Kap zu bleiben ; danach konnte man nach Europa zurückkehren, wenn auch auf eigene Kosten. Den Hugenotten wurde soviel Land versprochen, wie sie kultivieren konnten : in der Praxis bekamen sie 30 bis 60 Morgen, also etwa 15 bis 30 Hektar. Sie sollten ebenfalls nach ihrer Ankunft am Kap die notwendigen Werkzeuge und Saatgut erhalten.

Die Überfahrt, die sechs Wochen dauerte, war bei weitem nicht ohne Gefahren : Stürme, Piraten, französische Kriegsschiffe und vor allem Krankheiten, insbesondere Skorbut bedrohten die Reisenden. Dennoch kamen die vier Schiffe in ihrem Bestimmungshafen an.

Die Aufnahme

  • Briefmarke: Darstellung Jan van Riebeecks, Gründer der Stadt Cap im Jahre 1652 © Collection privée

Wie in Holland, wo die Hugenotten gut aufgenommen wurden, wurden sie nun vom Gouverneur Jan van Riebeeck gut empfangen, dessen Frau Marie de La Quitterie Französin war. Sein Nachfolger, Simon van der Stel, war anfangs den Hugenotten auch sehr wohlgesonnen.

Diese wurden etwa 60 Kilometer nordöstlich vom Kap bei Paarl in der später so genannten „Franzosenecke“ (Franschhoek) angesiedelt. Das Land war fruchtbar, aber noch niemals unter den Pflug genommen worden, und es dauerte mindestens drei Jahre, um es zur Bestellung herzurichten. Außerdem wurden die Versprechen, materielle Hilfe zu gewähren, vom Gouverneur keineswegs alle eingehalten.

Nach und nach verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den Hugenotten und dem Gouverneur und seinem Sohn und Nachfolger, was sicher auf einem Missverständniss beruhte. Was der Kompanie vorschwebte war, dass sich die Hugenotten assimilierten und „gute holländische Bauern“ würden, während die Franzosen ihre Sprache und Traditionen beibehalten wollten. Solange Pastor Pierre Simon in der französischen Gemeinde wirkte, wurde der Zusammenhalt unter den Hugenotten aufrecht gehalten. Aber nach seiner Abreise verbot die Kompanie bald den Neusiedlern, französische Pastoren und Lehrer anzustellen. Das hatte zur Folge, dass am Kap die französische Sprache in weniger als zwei Generationen (gegen 1730) verschwand – ein seltener Tatbestand in der Geschichte des hugenottischen Refuge.

Das hugenottische Erbe heute

  • Hugenottenfriedhof am Kap © S.H.P.F.

Nach schwierigen Anfängen zogen die französischen Siedler gute Erträge aus ihren Ländereien und wurden im Verlauf des 18. Jahrhunderts wohlhabend. Nur wenige nahmen nach der englischen Eroberung am „Großen Treck“ von 1836 teil, dem Zug der Buren in den Nordosten des Landes, wo die Freistaaten Oranje und Transvaal gegründet wurden. Was bleibt heute noch als Erbe übrig ? Auf ganz schematische Weise ausgedrückt sind es drei Dinge :

Als erstes die Namen : 20 Prozent der Afrikaaner – der weißen, nicht englischen Bevölkerung – tragen französische Familiennamen, die Seiten um Seiten des Telefonbuchs von Kapstad füllen : du Plessis, de Villiers, du Toit, Joubert oder Marais ; einige haben die Schreibweise ihres Namens abgewandelt, zum Beispiel in De Klerk (Leclerc), Viljoen (Villon), Retief (Rétif). Die Farmen nahe des Kaps haben ebenfalls ihre ursprünglichen Namen bewahrt ; einige verweisen auf den Herkunftsort der Familie in Frankreich (La Motte, Lourmarin, La Brie, Picardie, Chamonix), andere haben religiöse (Bethléem) oder anekdotische Anklänge (Plaisir de Merle, La Concorde).

Als zweites das Festhalten an der religiösen Tradition : man sagt, wenn Calvin wieder auf die Erde käme, würde er sich in Südafrika niederlassen. In der reformierten holländischen Kirche hat sich nämlich die protestantische Liturgie der Reformationszeit völlig intakt erhalten, und auch die Kirchenlieder von Clément Marot und Théodore de Bèze werden heute noch in ihrer alten holländischen Übertragung mit der Vertonung durch Goudimel gesungen. Aus jener Zeit, als es den Hugenotten an Pastoren fehlte, stammt ebenfalls die Tradition der täglichen Bibellesung und ihrer wörtlichen Interpretation – mit den uns bekannten Konsequenzen bezüglich der Rechtfertigung der Apartheid. Hinzuzufügen ist noch, dass die Religionsausübung in Südafrika äußerst lebendig ist und dass die Kirchengemeinde immer noch der Mittelpunkt des familiären und gesellschaftlichen Lebens ist.

Als drittes spielten die Hugenotten trotz (oder wegen) ihrer Assimilierung eine viel größere Rolle bei der Herausbildung des Nationalcharakters der Afrikaaner, als es ihrer Anzahl entsprach. Da sie nicht französisch bleiben konnten – so scheint es – beschlossen sie, sich für die neue „afrikaanische“ Nation einzusetzen. Das kleine Hugenottenmuseum in Franschhoek zeigt diesen anhaltenden Einfluss und betont die Fülle von französischen Namen in Politik, Wirtschaft und Sport (Rugby).

Autor: Tristan d'Albis

Bibliographie

  • Bücher
    • COERTZEN Pieter, The Huguenots of South Africa (1688-1988), Tafelberg, Le Cap, 1988

Dazugehörige Rundgänge

  • Die hugenottische Fluchtbewegung, genannt « Refuge »

    Die Auswanderung der französischen Hugenotten in protestantische Länder, um der Verfolgung zu entgehen, stellt ein bedeutendes, sich über ein Jahrhundert erstreckendes Ereignis dar. Es ist zu unterscheiden zwischen der Ersten...

Dazugehörige Vermerke

  • Pierre Jurieu (1637-1713)

    Als Pastor im Refuge machte sich Pierre Jurieu zum Verteidiger des Rechts der Nationen.
  • Jacques Basnage (1653-1723)

    Als Pastor in Rouen zur Zeit der Widerrufung des Edikts von Nantes muss Jacques Basnage Frankreich verlassen und zieht nach Holland, wo er gleichzeitig als Theologe, Verfasser von Streitschriften, Historiker...