Die Anfänge der Militärseelsorge
Die Geschichte der protestantischen Militärseelsorge beginnt wie alles, was sich auf den Protestantismus bezieht, in der römisch-katholischen Kirche. Ludwig der Heilige gibt den Seelsorgern eine legale Existenz ohne förmlichen Rahmen. Er militarisiert nämlich die Kaplane, die die Adligen auf dem Kreuzzug begleiten.
Damals gab es keine nationale Armee. Die Adelsführer bewaffneten Ritter und liehen dem König Truppen, hauptsächlich Bogenschützen und Fußvolk. Die Adligen begleiteten den König.
Die Kaplane sind es gewöhnt, ihren Herren in den Krieg zu folgen. Bis zur Herrschaft Philipps des Schönen (1302) haben die Adelsführer das Recht, Privatkriege zu führen. Unter oft belanglosen Vorwänden führten sie wegen Ländereien, Nichtbeachtung eines Gewohnheitsrechts oder auf Grund eines Streits Krieg.
1531 wird Uldrich Zwingli, Militärgeistlicher der Zürcher Truppen, in der Schlacht von Cappel getötet. Der Tod ereilt ihn, als er sich um die Verletzten und Sterbenden kümmert. Er ist der erste protestantische Militärseelsorger, der im Kampf getötet wird.
Der Status der Militärseelsorger
Erst 1854 wurde im Krimkrieg die Funktion des protestantischen Militärseelsorgers anerkannt. Der Pfarrer Roehrig begleitete unter anderen das französische Expeditionskorps auf die Krim. Er zeichnete sich besonders aus.
Der grundlegende Text, der die Militärseelsorge juristisch definierte, war das Gesetz vom 8. Juli 1880, das jenes vom 20. Mai 1874 außer Kraft setzte. Artikel 2 des Gesetzes von 1880 verfügte : ‚es werden Geistliche der verschiedenen Glaubensgemeinschaften den geografisch entfernten Lagern und den Garnisonen außerhalb der Stadtmauern zugeteilt‘. Das unter dem Konkordat ausgearbeitete Gesetz zielte auf die katholische, protestantische und jüdische Glaubensgemeinschaft ab. Diese Verfügungen wurden 1905 nicht außer Kraft gesetzt, und kein Artikel des Gesetzes zur Trennung von Kirche und Staat visierte die Militärseelsorge an. Verschiedene Dekrete zur öffentlichen administrativen Reglementierung wurden erlassen, um die Stellung der Militärseelsorger zu präzisieren. Unter Anwendung der durch das Gesetz von 1905 aufgestellten Prinzipien sehen diese Texte vor, dass die Seelsorger bei der Ausbildung und Aufstellung der Streitkräfte intervenieren, da sie ihren Glauben nicht ohne den Dienst der Militärseelsorge frei ausüben können.
Diese Geistlichen der verschiedenen Kulte werden als Militärseelsorger bezeichnet. Einige haben militärischen Status, andere zivilen, sind entweder vertraglich oder ehrenamtlich beschäftigt. Diese Militärgeistlichen fallen in die Zuständigkeit des Führungsstabs der Armee, die sie rekrutiert hat. Sie haben weder Grad noch Rang in der Militärhierarchie.
Drei Militärseelsorger, ein katholischer, ein protestantischer und ein israelitischer, die vom Minister ernannt, werden, sind dem Führungsstab zugeteilt und zuständig für alle Geistlichen, zivile wie auch militärische. Jene ohne militärischen Status werden vom Armeeminister ernannt und zwar auf Vorschlag des (katholischen, protestantischen oder israelitischen und bald muslimischen) Militärseelsorgers der Armee.
Ein Antrag auf Versetzung, den der Direktor der Militärseelsorge eines der drei Glaubensgemeinschaften stellt, ist für das Oberkommando zwingend und kann nicht von der administrativen Jurisdiktion diskutiert werden (Arrêt du Conseil d’Etat en date du 27 mai 1994, aumônier protestant Bourges).
Die Militärseelsorger bei ihrer Arbeit
Im ersten Weltkrieg begleiten die Militärseelsorger die Truppen dorthin, wo sie kämpfen. Pfarrer Nick, Begründer der Mission Populaire, erhält wie andere das Kreuz der Ehrenlegion als Anerkennung für die exzellente Ausübung seines Amtes bei den Soldaten seines Sektors. Die Pfarrer tragen keine Uniform, sie sind mit Uniformstücken bekleidet. Es ist also nicht ungewöhnlich, einen Priester mit schmutzbedeckter Sutane zu sehen, einen Pfarrer in ziviler Hose mit Uniformjacke, den Talar unter dem Arm…
Nach dem Krieg kehrt die Militärseelsorge wieder zu ihrer gesetzlichen Realität zurück, den Forts und den Einrichtungen außerhalb der Städte.
Im Verlauf des zweiten Weltkriegs wird die Militärseelsorge zu dem, was sie heute ist. Es gibt Geistliche in fast allen kämpfenden Einheiten der Befreiungsarmee ; sie kommen vom Inland, aus England oder aus den französischen Besitzungen. Protestantische Seelsorger sind unter den Militärseelsorgern bei den Befreiungskämpfen dabei, z.B., Hugues de Cabrol, der später der protestantischen Militärseelsorge vorstehen wird.
Nach Kriegsende lässt sich Pfarrer Sturm in Baden-Baden nieder und übernimmt die Leitung der protestantischen Militärseelsorge. Er kümmert sich um die Seelsorge in den Besatzungstruppen in Deutschland und Österreich. Er setzt sich in seinem Amt für Vergebung und Aussöhnung mit dem neuerstehenden Deutschland ein. Er stirbt einige Jahre später bei dieser Tätigkeit .
Gleichzeitig sind französische Truppen in Indochina, wo ein Krieg beginnt. Auch dort teilen französische Militärpfarrer das schwere Leben in den Posten, die Unsicherheit der Kolonialstraßen, die Kämpfe. Pfarrer Tissot springt über Dien Bien Phu, das von den Vietminh eingeschlossen ist, mit dem Fallschirm ab, um mit seinem geistlichen Auftrag das französische Militär zu begleiten. Beim Fall von Dien Bien Phu (7. Mai 1954) wird Pfarrer TISSOT gefangen genommen und lebt 5 Monate lang in den Umerziehungslagern der Vietminh, bevor er Frankreich und seine Kirche, die EELF, in Montbéliard wiedersieht.
Danach kommt der Algerienkrieg, dann endlich Frieden für die Armeen. Die Seelsorge baut sich eine legale Existenz im Mutterland auf. Das Dekret vom 1. Juni 1964 organisiert die bestehenden Seelsorgeverbände, katholisch, israelitisch und protestantisch, in einem territorialen Rahmen. Erst 1984 und mit der Schaffung der Force d’Action Rapide finden sich operationelle Seelsorger, die ihr Amt ausüben, indem sie die Militärs auf ihrem Weg begleiten, wie gefährlich es auch sein mag. Pfarrer Joël Dutreuil organisierte diese protestantische Seelsorge der Force d’Action Rapide.
Augenblicklich sind protestantische französische Seelsorger überall, wo französische Soldaten engagiert sind : im nationalen Rahmen, im internationalen, Uno oder Nato : Tchad, Zentralafrika, Somalia, Ruanda, Elfenbeinküste, Djibouti, Saudi Arabien (Golfkrieg 1990-1991), Libanon, Kambodscha, Bosnien-Herzegovina, Kosovo, Albanien, Mazedonien.
Die protestantischen Militärpfarrer sind ebenfalls auf den Schiffen der nationalen Marine präsent, auch bei Einsätzen.