Louis Médard (1768-1841)
Der einer protestantischen Familie entstammende Kaufmann Louis Médard hatte im Lauf seines Lebens eine reichhaltige Bibliothek erworben. Er vermachte sie seiner Geburtsstadt Lunel (im Département Hérault), um einen Beitrag zur Bildung seiner Landsleute zu leisten. Diese großzügige Spende begründete das „Musée Médard“ in Lunel.
Eine Händlerfamilie
Ursprünglich in Aigues-Mortes ansässig, zieht die Familie Médard Ende des 17. Jahrhunderts nach Lunel um. Der Großvater Louis Médards kauft dort das „Mas du Pont-de-Lunel“, eine Poststation. Sie liegt 4 km außerhalb der Stadt, dort, wo die Straße von Nîmes kommend den Fluss Vidourle überquert: Jean-Jacques Rousseau berichtet, er habe dort 1737 Station gemacht.
1685 schwört die Familie Médard ihrem protestantischen Glauben ab: Ihre Mitglieder treten formal als „Neukonvertierte[1]“ auf. Sie lassen sich vom Pastor der katholischen[2] Gemeinde von Lunel taufen, trauen und beerdigen. Im Verborgenen aber bleiben die Médards protestantisch, heiraten zum Beispiel nur in ursprünglich protestantische Familien ein. Durch diese Verbindungen kann die Familie den Protestantismus erhalten, ihren Reichtum ausbauen und gesellschaftlich aufsteigen.
[1] So bezeichnet man die französischen reformierten Protestanten, die häufig unter Zwang oder Verfolgung katholisch geworden waren.
[2] „Katholisch“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „allgemein“. Diesen Namen trägt die römisch-katholische Kirche unter Leitung des Papstes.
Der Händler Louis Médard
Als Kind erhält Louis Médard eine klassische Erziehung, er wird 1783 durch den Pastor Rabaut Saint-Étienne in Nîmes in der Religion unterrichtet. Als begabter Schüler am Collège in Nîmes erhält er von einem Freund des Vaters die Werke Vergils zum Geschenk: Es handelt sich um das erste Buch der künftigen Sammlung.
Nach dem Tod seines Vaters wird Louis Médard zu einer Seidenweberlehre nach Lyon geschickt. Dort erlernt er die Herstellung von Stoffen aus Gold, Silber und Seide. Sein ganzes Leben lang hebt Louis Médard seinen Lehrvertrag auf und klebt ihn an den Anfang einer Bibel in seiner Büchersammlung: Arbeit scheint für ihn den Rang einer Bestimmung zu haben.
Nach seiner Rückkehr nach Lunel gründet er seine eigene Handelsgesellschaft: Das erfolgreiche Haus „Médard-Parlier“, das sich auf den Seidenhandel und auf bemalte indische Baumwollstoffe (indische Kattunstoffe) spezialisiert. Médard reist durch ganz Frankreich und Europa, um die besten Hersteller dieser Stoffe ausfindig zu machen. Im Alter von 39 Jahren heiratet er im September 1807 in Paris Jeanne-Jacqueline-Sara Fillietaz. Die Trauung hält der Pastor Rabaut-Pomier. Jeanne-Jacqueline-Sara Fillietaz ist die Tochter eines ursprünglich schweizerischen protestantischen Kaufmanns aus Anvers.
1818 lässt sich Médard schließlich in Montpellier nieder und unterstützt dort die Entwicklung protestantischer Einrichtungen: Er nimmt Teil an der Errichtung der städtischen protestantischen Bibelgesellschaft und fördert protestantische Schulen.
Der großzügige Bücherfreund
Der kinderlose Louis Médard beschließt, seine Bibliothek der Stadt Lunel zu vererben. Die Bibliothek wird mit ihren 5.000 Werken damals als die reichste Sammlung des Départements Hérault geschätzt: „Möge sie, in Verbindung mit einem neuen Collège, in meiner Heimatstadt die Zahl guter Bürger erhöhen, die sich für ihre Heimat als nützlich erweisen.“
Ein Großteil der Sammlung besteht aus religiösen Büchern. Médard sammelte die Bücher wegen ihrer Seltenheit, aber auch in Hinblick auf ihren Inhalt: Die christlichen Werte allgemein liegen ihm sehr am Herzen, aber es finden sich in der Sammlung auch spezifisch protestantische Bücher.
Médard nimmt sich ein Recht auf moralische Zensur heraus: Er möchte keine Inhalte verbreiten, die er als „gefährlich“ einstuft. In einem abgeschlossenen Schrank, der sogenannten „Hölle“, bewahrt er erotische oder sentimentale Bücher auf, aber auch politische Werke oder solche, die gegen den Katholizismus polemisieren. Als Sohn des Protestantismus und der Aufklärung predigt er religiöse Toleranz und Einheit auf der Grundlage einer gemeinsamen Moral: „Die Menschen lieben wie uns selbst, auf das Gemeinwohl hinwirken und alles Mögliche tun für das Glück jedes Einzelnen, das ist die oberste Tugend.“
Bibliographie
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