Die Anfänge
Die Reformation brach mit dem katholischen Bestattungsprunk. Die Genfer Kirchenordnungen von 1541 enthielten dazu nur zwei Zeilen: „Dass man die Toten anständig am befohlenen Ort beerdigt; das Weitere und die Gesellschaft überlassen wir dem Ermessen eines jeden“. Calvin selbst verlangte, an einem Ort beerdigt zu werden, den keiner kannte. Die Protestanten durften nicht auf den katholischen Friedhöfen beigesetzt werden.
Die ersten Protestanten ließen sich ohne Zeichen ihrer Anwesenheit in der Erde begraben; es gab keinen Grabstein und noch nicht mal ein Kreuz.
Traditionelle Gräber waren karg
Später führte das Bedürfnis nach Erinnerung dazu, die Gräber zu markieren, zunächst durch einen einfach auf den Boden gelegten Stein, dann mit einer mehr oder weniger großen Struktur. Bis zum Toleranzedikt des Jahres 1787 gab man wegen der damit verbundenen Gefahr keine Namen an. Die Familiengräber waren oft in einer Reihe angeordnet, manchmal auch in einer Gruft zusammengefasst.
Nach und nach wurden die Gräber reicher verziert: Es wurden Sprüche auf die Grabsteine geschrieben und es entstanden größere Grabdenkmäler, die Kapellen. Im Gegensatz zu den katholischen Kapellen enthielten sie jedoch keine Altäre. Auf den Gräbern findet man keine Kreuze. Das Hugenottenkreuz taucht erst Ende des 19. Jahrhunderts auf.
Die Grabsteine greifen Bibelzitate auf
Mit den ersten Grabmalen und den ersten Grabsteinen erschienen auch Inschriften. Die ersten Aufschriften waren die einfachsten: Name, Geburts- und Sterbedatum, manchmal ein Zeugnis der sozialen Aktivität des Verstorbenen. Die Inschrift ist eine der letzten Informationen über die Identität des Verstorbenen. Manchmal ist sie mit einer Botschaft verbunden, die die Form eines moralischen Testaments annimmt. Der Verstorbene hatte beschlossen, dieses letzte Zeichen zu setzen und seine Familie konnte ihm auf diese Weise die letzte Ehre erweisen.
Auf der großen Mehrheit der protestantischen Gräber steht ein Bibelvers. Es ist festzustellen, dass bestimmte Verse häufig übernommen wurden, aber die sehr offensichtliche Bibelkenntnis der Angehörigen oder des Verstorbenen selbst ermöglichte oft eine besondere, originelle Inschrift.
Unter den 198 verzeichneten Inschriften des protestantischen Friedhofs von Nîmes erkennt man, dass fünf Texte auf der Hälfte der Grabsteine vorkommen. Diese Häufung ist nicht unwichtig und spiegelt den protestantischen Geist gut wider. In absteigender Reihenfolge der Häufigkeit sind zu verzeichnen:
- „Liebt einander!“;
- „Dein Wille geschehe“;
- „Sie sind nicht verloren, sondern sie sind uns vorausgegangen, also fürchte dich nicht. Glaube nur.“;
- „Ich bin die Auferstehung und das Leben“;
- „Und am Abend desselben Tages sprach Jesus zu ihnen: Lasst uns ans andre Ufer fahren.“
Außerdem ist zu bemerken, dass die Verse aus den Evangelien nach Johannes, Matthäus, Markus und Lukas sowie aus den Paulusbriefen insgesamt 115 von 198 Zitaten ausmachen.
Dieser Artikel ist das Ergebnis der Recherchen von Anne Nègre, Mitglied der Anwaltskammer von Versailles (Frankreich), im Rahmen ihrer Doktorarbeit in Rechtswissenschaften, die am 13. Juli 2000 verteidigt wurde: „Beitrag zur Geschichte des Kulturerbes: Der protestantische Friedhof von Nîmes, 1778-1910“, Universität von Poitiers, Fakulät für Rechts- und Sozialwissenschaften.