Die evangelische Volksmission

Die evangelische Volksmission ist eine anerkannte Institution der Volkserziehung. Sie ist am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden und hat sich an verschiedenen Punkten des französischen Territoriums ständig weiter entwickelt. Eine schwierige Mission, die zuweilen Objekt von Kritiken und Neuanpassungen war. Seit 1969 gehört sie zur Protestantischen Föderation Frankreichs.

Zu Beginn die Mission Mac All

Paris, Versammlungssaal im Faubourg Saint-Antoine © S.H.P.F.
Missionsboot © S.H.P.F.
Reverend Mac All (1821-1893) © S.H.P.F.
Reverend Mac All predigt bei der « Mission populaire évangélique » © S.H.P.F.

Die Volksmission ist aus der Begegnung des schottischen protestantischen Pastors Robert Mac All (1821-1893) und den Arbeitern des Viertels Belleville in Paris im Jahre 1871 entstanden, kurz nach dem Ende der Kommune und der schrecklichen Repression, die darauffolgte.

Mac All ist beunruhigt über die Lebensbedingungen  in der Arbeiterwelt  und ihrer Entchristlichung. Er will auch gegen den Alkoholismus kämpfen und gegen die Gewalt in den Familien. Das Verlangen der Arbeiter, eine „Religion der Freiheit und Wirklichkeit“ zu kennen, führt Mac All dazu, sein Land zu verlassen, um sich endgültig in Frankreich niederzulassen, wo er Gasthaussäle anmietet, Lastkähne, Autos, abbaubare Säle, damit „die Bibel gelesen, erklärt wird, gebetet wird, die heiligen Schriften allen vorgelegt werden…“

Der Protestantismus verfügt zu jener Zeit in Frankreich über ein positives Image aus Modernismus und sozialem Fortschritt, im Gegensatz zum Katholizismus, der beschuldigt wird.

„Lieferant von Aberglauben“ und Kompromiss in den Kämpfen zwischen Vertretern der Kommune und Vertretern von Versailles zu sein.  Damit sein Amt eine glaubwürdige Alternative gegenüber der sozialen Gewalt darstellen kann, enthalten sich Mac All und alle, die sehr schnell mit ihm zusammenarbeiten, jeglichen Urteils über die gegenwärtigen oder vergangenen politischen Ereignisse und zeigen eine große Toleranz gegenüber denen, die darin verwickelt waren.

Der Erfolg dieser Versammlungen überschreitet die optimistischsten Vorhersagen. In 20 Jahren  organisieren über 50 Städte solche Versammlungen in Orten, die man „Brüderlichkeit“ nannte; über hundert insgesamt. Überall laufen sie gleich ab:

  •  Eine klassische begeisternde evangelische Predigt, gern antikatholisch
  • Ein benachteiligtes, entchristlichtes populäres Publikum
  • Eine beständige mit der Evangelisierung verbundene soziale Aktion, um eine Veränderung der Lebensbedingungen zu erreichen.
  • Eine internationale finanzielle Organisation, begründet auf dem persönlichen Vermögen der Mac All und auf den zahlreichen ausländischen Spendern.

Im allgemeine sollen die Verantwortlichen der Volksmission, die die „Ständigen“ genannt werden, ein gutes Einverständnis herstellen zwischen:

  • Den Handelnden vor Ort, die mit den Nöten der arbeitenden Bevölkerung in Kontakt sind und uneigennützige Sozialarbeit leisten
  • Den oft ausländischen Spendern, die vor allem das Hauptziel der Mission Mac All bewahren wollen: die Evangelisierung der Seelen
  • Den Pastoren und Vertretern des Protestantismus, die die Ankunft der Neubekehrten in ihren Kirchen wünschen und keine Missionskirchen, die zu stark sozial geprägt sind.

Während etwa 75 Jahren wird die Volksmission ihren zu Beginn erklärten Prinzipien treu bleiben und der Bewegung des Sozialen Christentums nahestehen, mit demselben Ziel, die sozialen Lebensbedingungen zu verändern; für das Soziale Christentum: „das soziale System verändern, um die Gerechtigkeit des Reiches Gottes herzustellen“; für die Volksmission: „die sozialen Bedingungen der Individuen verändern, um ihre Seelen zu retten“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Zeiten Weltkrieg gibt es zahlreiche soziale Schwierigkeiten und Probleme, die Zivilgesellschaft neu zu organisieren. Die offenkundige Macht der kommunistischen Partei lässt viele Verantwortliche der Kirche befürchten, dass sich vor allem in den Arbeitermilieus die Entchristlichung weiter ausbreitet, und jede religiöse Praxis aufgegeben wird. In den Jahren 1945-75 erlebt man ein intellektuelles Aufwallen innerhalb der Volksmission.

Die Bewegung der „Arbeiterpriester“, die sich im katholischen Milieu entwickelt, zeigt, dass sich dort die Fragen in gleicher Weise stellen: die Welt der Arbeiter zu kennen, bevor man sie evangelisiert.

Auf konkretem Gebiet engagiert sich der Pastor Francis Bosc, Bruder des Theologen Jean Bosc, in dieser Arbeit innerhalb eines Heimes „Grenelle“ in der rue de l’Arc in Paris. Das Heim bringt den Arbeitern das Wort des Evangeliums, aber auch materielle Hilfen, ohne als Gegenleistung Treue zu verlangen. In der protestantischen Kirche meinen darum einige, dass es sich eher um eine politische als evangelische Tätigkeit handelt. In einem sehr aufgeladenen, vom Wiederaufbau und von Kalten Krieg geprägten Kontext war die Polemik zuweilen sehr heftig und man hat die Verantwortlichen der Heime angeklagt, eine mehr soziopolitische als theologische Argumentation gegenüber denen zu verwenden, die sie überzeugen wollen.

 

Etwa zwanzig Jahre lang lebt die Volksmission mit den Sprüngen und Schwierigkeiten, die ihre neuen Zielrichtungen mit sich bringen:

  • Keine Unterscheidung zwischen Gläubigen und Ungläubigen, Verantwortlichen und Benutzern
  • Zuhilfenahme von soziologischen Analysen, um gewisse Probleme zu lösen
  • Solidarität mehr mit dem populären Milieu als mit dem Protestantismus, demgegenüber sie sich in pädagogischem Dienst sieht.

Im Jahre 1964 wurden die Protestantischen Arbeitergruppen  gebildet mit dem Ziel, das Arbeitermilieu an seinem Arbeitsort zu erreichen, aber dieses Engagement vollzieht sich mit dem Aufgeben jeglicher religiösen Referenz, sodass einige Inseln der Volksmission sich dem widersetzen.

Trotz der Aufnahme in die Protestantische Föderation Frankreichs im Jahre 1969 bleiben die Spannungen bestehen: übermäßige Politisierung für die einen, wirklicher Versuch einer Begegnung der Reformierten Kirche mit der Arbeiterwelt für die anderen. Aber seit 1980 hat eine Neuorientierung stattgefunden.

Im Jahre 1992 bekräftigt der Beschluss des Kongresses von Ecully die Ideale der Volksmission: “gegründet auf das Evangelium und die Bruderschaft mit den Ausgeschlossenen“.

Die Hauptaufgabe der Volksmission ist es, auf die religiösen Erwartungen im populären Milieu eine Antwort zu geben und eine protestantische Tradition zu vertreten, die aus einem kritischen Geist, Individualismus, aber vor allem aus der Treue zum Evangelium besteht.

Bibliographie

  • Bücher
    • MORLEY Jean-Paul, La Mission Populaire Evangélique (1871-1984), Les surprises d'un engagement, Les bergers et les mages, Paris, 1993

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