Die Entstehung der UCJF
Gegen Ende des Jahrhunderts (1894) entsteht durch den Zusammenschluss der Vereine Großbritanniens, der Vereinigten Staaten, Norwegens und Schwedens der Weltbund der Vereine Christlicher junger Mädchen, der YWCA.
Er entwickelt sich dann in der Schweiz, in Italien und auch in Frankreich trotz einer gewissen Zurückhaltung auf Seiten der französischen Verantwortlichen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird der Schritt jedoch getan, und die „Unions“ haben ihre eigene Ausdrucksweise gefunden.
Der Zweck der "Unions"
- Es bestand darin, über die Bedürfnisse der Mitglieder – in der Mehrzahl Arbeiterinnen, Dienstmädchen, Verkäuferinnen – nachzudenken ;
- die Konzipierung von Aktivitäten, die bereichernd für sie sind ;
- die Überbrückung der Schwierigkeiten, die sich aus den Unterschieden von Milieu und Bildung ergeben ;
- und ihre allmähliche Heranführung zu einem Gemeindeleben oder gar zu einem Leben im Glauben.
Diese Anforderungen, denen sich die Verantwortlichen dieser Vereine gegenüber gestellt sehen, machen es für diese unumgänglich, über die Lage der Frau nachzudenken, die weiterhin geprägt ist durch den Widerstand der männlich dominierten Welt gegen jede Form von Frauenemanzipation.
Leitung und Finanzmittel
Zu Anfang des Jahrhunderts ist das „Patronatskomitee“ im Wesentlichen bürgerlicher, wenn nicht gar aristokratischer Herkunft. Es will die Gebote des von dem Pfarrer Tommy Fallot (1844-1904) gegründeten „Christianisme Social“ (soziales Christentum) umsetzen, die den Frauen und jungen Mädchen „die heilige Pflicht“ auferlegen,“anderen, benachteiligteren, etwas von dem wohltuenden Geist zu vermitteln, den ihr in eurem Heim atmet“ („obligation sacrée d’apporter à d’autres plus déshéritées, un peu des souffles bienfaisants que vous respirez à votre foyer“). Nach und nach unterstützen die Frauen und Schwestern von Pfarrern die Unions, insbesondere in der Provinz.
Um von protestantischen Spendern finanzielle Zuwendungen zu erhalten, ist eine Anerkennung erforderlich, die sich erst nach längerer Zeit einstellt. Der Vergleich mit den UCJG – Unions chrétiennes de jeunes gens (Christliche Vereine junger Männer) – die soeben das Gebäude in der Rue de Trévise, im 9. Bezirk von Paris, eingeweiht haben – das auch heute noch der Sitz der UCJG ist – fällt zu Ungunsten der UCJF aus, deren Sichtbarkeit noch bescheiden ist. Dank der Willenskraft der Frauen, die den Verein unterstützen, und der finanziellen Hilfe der amerikanischen Vereine junger Mädchen, YCWA, werden dann jedoch mehrere Sektionen innerhalb des Weltbunds christlicher Vereine gebildet, und am 10. März 1912 können sie ihren Sitz in dem Gebäude 22 Rue de Naples im 8. Bezirk einweihen.
Die Zeitung Le Christianisme au XXe siècle (Das Christentum im 20. Jahrhundert) berichtet über das Ereignis, und die Ausstrahlungskraft der UCJF wird dadurch beträchtlich gestärkt. Es bahnen sich auch Verbindungen zu den UCJG an, die sich bereits in vollem Wachstum befinden (7 000 Mitglieder im Jahr 1902), und es werden gemeinsame Feste veranstaltet. Zu einer Zeit, wo gemischtgeschlechtliche Organisationen undenkbar sind, treffen sich die jungen Männer und Mädchen zunächst zur religiösen Bildung und dann bei Gemeindeaktivitäten. Im studentischen Milieu arbeiten sie immer mehr Seite an Seite, und hier liegen die Anfänge der künftigen „Fédé„.
Die Modernität der Unions chrétiennes
Kurz vor dem Weltkrieg 1914-1918 eröffnen die UCJF Büros zur Betreuung und Stellenvermittlung für Arbeiterinnen und Angestellte.
Zu dieser Zeit fördert die Sorge der Unions Chrétiennes um die Zukunft und die Erziehung der Mädchen die Entstehung der Unions Cadettes (Vereine der Jüngsten). Diese bilden dann, wie dies bei den englischen „Girl Guides“ der Fall war, den ersten Kern der französischen Pfadfinderinnenbewegung, der künftigen Bewegung der Éclaireuses Unionistes – der späteren Fédération Française des Éclaireuses (FFE) (Französischer Pfadfinderinnenbund).
Die Unions können jedoch nicht dem Zwiespalt entkommen, der für viele Werke und Vereine kennzeichnend ist : Sozialarbeit leisten, indem man sich um junge Mädchen (oder junge Männer) aus benachteiligtem, oft nicht protestantischem Milieu kümmert oder Evangelisierung betreiben.
In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die konfessionelle Vielfalt der Mitglieder zu einer Reflexion über die Ökumene anregt, was zu jener Zeit (den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts) etwas sehr Neues ist. Als 1948 der „Ökumenische Rat der Kirchen“ geschaffen wird, haben zahlreiche Frauen, die aus den UCJF kommen, daran aktiven Anteil.
Außerdem ermutigt die UCJF – im Gegensatz zu gewissen Stellungnahmen, die noch sehr dem Geist des 19. Jahrhunderts verhaftet sind und den Gedanken verwerfen, Mädchen könnten studieren und sich damit von den herkömmlichen Aufgaben der Frau im Haus abwenden – die Frauen, über die Schwierigkeiten nachzudenken, auf die sie stoßen, wenn es um ihren Zugang zum Hochschulstudium und die Übernahme von Verantwortung in den Gemeinden oder gar in der Politik geht.
Den UCJF ist somit eine Art „Feminismus“ bereits vor dessen eigentlichem Aufkommen zu verdanken, der den Frauen hilft, sich ihrer Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten bewusst zu werden.
Die Leitung liegt nicht mehr in den Händen eines „bürgerlichen Patronatskomitees“, wie dies zu Beginn des Jahrhunderts der Fall war. Die „aktiven Mitglieder“ kommen hauptsächlich aus den protestantischen Gemeinden, während sich die „assoziierten Mitglieder“, von denen das Bekenntnis zum „Streben nach einem moralischen Leben“ verlangt wird, nach und nach aus dem Kreis der Arbeiterinnen, der Studentinnen und bald auch der Ausländerinnen rekrutieren.
Mit dem Fortschreiten des Jahrhunderts, dem Aufkommen weiterer Orte für Zusammenkünfte, Reflexion und Engagement, wie die „Fédé“, die Bewegung Jeunes Femmes, die FFE (Fédération françaises des Éclaireuses), festigen sich die UCJF in ihrer heutigen Rolle, der eines laizistischen Vereins, der niemanden ausschließt, in dem gleichwohl die protestantischen Werte, die für die Gründungsmitglieder bestimmend waren, weiterhin ihre Lebensberechtigung haben.