Die theologischen Debatten
im 17. Jahrhunderts
Streitpunkte der theologischen Debatten des 17. Jahrhunderts sind im Wesentlichen die Gnade und die Prädestination. Die Debatten nehmen von den Niederlanden ihren Ausgang und setzen sich in Frankreich in dem um die Akademie Saumur gebildeten Kreis fort.
Arminius gegen Gomar
Wie lässt sich die Lehre von der Prädestination mit der Lehre der Heiligen Schrift über die Liebe Gottes, die alle Menschen retten will, in Einklang bringen ? Wie lassen sich menschlicher Wille und die Unwiderstehlichkeit der Gnade Gottes miteinander vereinbaren ?
Gibt es eine Heilsmöglichkeit für Nichtchristen ?
Dies sind die Fragen, die die reformierten Theologen das ganze 17. Jahrhundert hindurch antreiben.
Calvin definierte die doppelte Prädestination wie folgt :
„Unter Vorbestimmung verstehen wir Gottes ewige Anordnung, vermöge derer er bei sich beschloss, was nach seinem Willen aus jedem einzelnen Menschen werden sollte. Denn die Menschen werden nicht alle mit der gleichen Bestimmung erschaffen, sondern den einen wird das ewige Leben, den anderen die ewige Verdammnis vorher zugeordnet. Wie also nun der Einzelne zu dem einen oder anderen Zweck geschaffen ist, so – sagen wir – ist er zum Leben oder zum Tode vorbestimmt“ (Institutio Christianae Religionis 3. 21. 5). (« Nous appelons prédestination le conseil éternel de Dieu, par lequel il a déterminé ce qu’il voulait faire de chaque homme. Car il ne les crée pas tous en pareille condition, mais ordonne les uns à la vie éternelle, les autres à éternelle damnation. Ainsi, selon la fin à laquelle est créé l’homme, nous disons qu’il est prédestiné à mort ou à vie »)
Der Streit zwischen Arminius und Gomar beginnt in den Niederlanden, wo beide Professoren an der Universität Leyden sind. Jakob Arminius (1560-1609) vertritt die Idee, Gott habe beschlossen, alle Menschen zu retten. Aber diese Rettung werde nur für die effektiv, die glauben. Arminius besteht auf der Freiheit des Menschen, der der göttlichen Gnade widerstehen könne.
François Gomar (1565-1641) übernimmt den Standpunkt von Théodore de Bèze : Gott hat vor aller Zeit, noch vor dem Sündenfall, bestimmt, wer gerettet wird und wer verloren ist.
Die Synode von Dordrecht (1618-1619)
Der Streit wird auf der Synode von Dordrecht entschieden. An ihr nehmen 65 niederländische Pfarrer und Laien sowie 28 ausländische Delegierte (Großbritannien, Pfalz, Hessen, Schweiz, Genf…) teil. Den französischen Vertretern, André Rivet und Pierre du Moulin, wird die Reise von Ludwig XIII. untersagt.
Die Synode von Dordrecht verwirft die Idee von Arminius, die Wirkung der göttlichen Gnade hänge von der Antwort des Menschen (Annahme oder Ablehnung) ab, die den Erwählten geschenkte Gnade könne verloren gehen.
In den auf den Abschluss der Synode folgenden Monaten müssen die Anhänger von Arminius (Arminianer genannt) die Vereinigten Provinzen verlassen. Der Ratspensionär Oldenbarnevelt, der die Arminianer unterstützt hat, wird zum Tode verurteilt und enthauptet (Mai 1619).
Die Beschlüsse der Synode von Dordrecht werden in Frankreich von der nationalen Synode von Alès 1620 bestätigt.
Moyse Amyraut an der Akademie Saumur
In Frankreich lebt der Streit unter den Theologieprofessoren der Akademie Saumur wieder auf. Diese von Duplessis-Mornay gegründete Akademie beruft herausragende, geistig aufgeschlossene französische wie ausländische Professoren.
Moyse Amyraut (1596-1664), ein Schüler von John Cameron, bemüht sich um einen Ausgleich zwischen den Positionen von Gomar und Arminius. Er erklärt, Gott wolle das Heil aller Menschen und rette diejenigen, die glauben. Der Glaube an Christus ist somit eine Voraussetzung für das Heil. Amyraut stellt Gott von jeder Verantwortung für das Verderben der Verdammten frei : Gott begnügt sich damit, die Ungläubigen sich selbst zu überlassen. Die Auserwählten werden nicht wegen ihrer Vorzüge sondern aufgrund ihres Glaubens erwählt. Wer sich bewusst ist, dass er glaubt, kann so sicher sein, dass er erwählt ist.
Pierre du Moulin (1568-1658), Professor an der Akademie Sedan, widerspricht Moyse Amyraut und vertritt einen streng calvinistischen Standpunkt : Gott will nur das Heil der Auserwählten.
Die National- und Provinzialsynoden nehmen dieses Thema noch mehrmals auf. 1637 gibt die Synode von Alençon Amyraut recht, aber 1644 muss sich dieser auf der Synode von Charenton nochmals rechtfertigen.
Nach und nach ebbt der Streit ab. Die Ideen von Moyse Amyraut finden weite Verbreitung unter den Studenten in Saumur und darüber hinaus.
Dazugehörige Vermerke
-
Jean Calvin (1509-1564)
Eine Generation nach Luther gibt der Franzose Jean Calvin der Reformation eine neue Richtung : er erneuert die Kirchenordnung und die Glaubenslehre und bestimmt die Rolle der Kirche im Staat neu. -
Die Pfarrer
Etwa 700 reformierte Pfarrer betreuen die Städte und Marktflecken, die nach dem Edikt von Nantes die Orte der Ausübung der reformierten Religion sind. Sie wohnen dort mit ihrer Familie. -
Pierre Du Moulin (1568-1658)
Pierre Du Moulin, der Gelehrte und angesehene Redner, ist vor allem als erster Pastor der Kirche von Charenton bekannt. -
Die praktische Ausübung des Glaubens
Die praktische gemeinschaftliche Ausübung des Glaubens findet für die Reformierten in der Kirche statt. Die Gemeindemitglieder gehen dort hin zur Predigt, zur Feier der Sakramente und zum Katechismus. Im Mittelpunkt... -
Die Akademien der Reformierten des 16. und 17. Jahrhunderts
Bereits 1565 beschäftigten sich die Synoden der reformierten Kirchen mit der Ausbildung ihrer Pfarrer und mahnten die Kirchen, „Höhere Schulen“ (als Voraussetzung für ein Hochschulstudium) sowie Universitäten oder „Akademien“ (nach...