Die Pfadfinderinnenbewegung

Wie in England entsteht auch hier die Pfadfinderinnenbewegung aus dem Bestreben, einen Rahmen für die Bildung und Betreuung der Mädchen zu bieten, und der Gründung des französischen Pfadfinderinnenbunds, der Fédération Française des Eclaireuses (FPE), im Jahr 1920 kommt für die protestantischen Frauen eine wahrhaft emanzipatorische Bedeutung zu.

Die Anfänge der unionistischen Pfadfinderinnen

Weibliche Pfadfinderschaft, eine Gruppe unionistischer Pfadfinderinnen © Collection privée

Die weibliche Pfadfinderbewegung entsteht in England unter dem Einfluss der männlichen Pfadfinderbewegung. Deren Gründer, Lord Baden-Powell (1857-1941) ein englischer General im Ruhestand, rief 1910 die ersten Boy Scout-Gruppen ins Leben.

Von 1912 an fördern die Christlichen Vereine – Unions chrétiennes –, die sich bereits für die körperliche, geistige und soziale Entwicklung der Mädchen eingesetzt haben, die Entstehung von Pfadfinderinnensektionen. Wenngleich die Unions chrétiennes stark protestantisch geprägt sind, öffnen die unionistischen Pfadfinderinnen doch die Mitgliedschaft in ihrer Bewegung vom Anfang ihres Bestehens an auch für Mädchen ohne religiöse Erziehung und in den 1920er Jahren auch für Katholikinnen und Jüdinnen. Die Fédération française des éclaireuses wird damit zu einer Vorreiterin des interreligiösen Dialogs. Dies verhindert jedoch nicht, dass 1923 die Gründung der „Guides de France“ erfolgt, einer Bewegung, die in ihrer Funktionsweise der FPE sehr ähnlich ist, die sich jedoch der Autorität der katholischen Hierarchie unterordnet.

Nach der patriotischen Begeisterung in den Jahren des Ersten Weltkriegs entwickeln die männliche wie die weibliche Pfadfinderbewegung Ideen wie Geschwisterlichkeit, Öffnung hin zu den minderbemittelten Klassen, Initiativen im sozialen Bereich.

Sie bringt jedoch auch in das Leben der Mädchen, die auf die traditionelle Rolle der künftigen Ehefrau und Mutter festgelegt sind, Lust am Aufenthalt im Freien, am Sport und am Leben in einer Gruppe.

Dadurch verzeichnet die FPE bereits in den zwanziger Jahren ein beträchtliches Wachstum. Die Mitgliederzahlen steigen von rund 3.000 Pfadfinderinnen im Jahr 1925 auf 5.000 im Jahr 1940 und über 25.000 im Jahr 1960, in dem der Höhepunkt erreicht wird.

Organisation und Leitungsstruktur der Bewegung

Marguerite Walther im Zelt © SHPF

Eine Bewegung mit einer solchen Dynamik und sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen erfordert eine solide Organisation, eine sehr diversifizierte Pädagogik und eine tragfähige Leitungsstruktur.

Die Organisation lehnt sich eng an das englische Modell an : Patrouillen mit etwa zehn Mädchen unter der Leitung einer gestandenen Pfadfinderin. Mehrere Patrouillen bilden eine Kompanie, einen Trupp oder eine Sektion, die von einer oder mehreren Leiterinnen betreut werden, die auf regionaler und dann auf nationaler Ebene zusammengeschlossen sind.

Die Pfadfinderinnen treffen sich etwa zwei Mal im Monat zu Aktivitäten im Freien : Spiele, Märsche, Singabende am Feuer ; soweit sie sich in Räumen aufhalten, werden diese im Allgemeinen von der Gemeinde zur Verfügung gestellt, zu dem der Trupp gehört.

In einem Sommerlager legen sie nach einer einige Monate dauernden Einführung in das Pfadfinderleben ein „Versprechen“ ab. Dieses stellt den Höhepunkt dieser Zeit gemeinschaftlichen Lebens dar und besteht in der Verpflichtung zu Gehorsam gegenüber dem Gesetz der Pfadfinder : Loyalität, Gemeinschaftssinn, Arbeitsfreude, gute Laune, Reinheit bilden das Ideal, nach dem die junge Pfadfinderin streben soll. Die Ansprüche, die bei den jungen Mädchen geweckt und gepflegt werden sollen, reichen von korrekter Kleidung bis zur Entwicklung einer persönlichen Moral, großen pädagogischen Feingefühls und natürlicher Autorität, wie sie die Gründerinnen der Bewegung vorleben.

Marguerite Walther (1882-1942), Violette Mouchon (1893-1985) und vor allem Antoinette Butte (1898-1986 ), die alle aus einem protestantischen, bürgerlichen Milieu stammen – nur der Vater von Antoinette Butte war Katholik – stellen ihren Glauben und ihre intellektuellen Fähigkeiten in den Dienst dieses ehrgeizigen Unternehmens, das die Fédération Française des Eclaireuses darstellte.

In der Folgezeit werden die Führungskräfte der Bewegung durch interne Beförderung auf demokratische Weise rekrutiert, wobei die Verantwortlichen von den regionalen Vertreterinnen gewählt werden, die ihrerseits wiederum aus den Leitungskräften der Basis kommen.

Des Weiteren hat das ungezwungene Verhältnis des Protestantismus zur Laizismus die Autonomie der Pfadfinderinnenbewegung gegenüber den Unions chrétiennes und dem Gemeindeleben im Allgemeinen gefördert.

Die Errungenschaften der Pfadfinderinnenbewegung

Auch wenn die Pfadfinderbewegung manchmal durch ihre etwas zu „militärisch“ anmutenden Aspekte (Uniform, der gebotene Gehorsam gegenüber einer etwas martialischen Organisation…) abschrecken konnte, so hat sie es doch möglich gemacht :

  • bei den Mädchen ihre Gaben, ihre Initiativen, ihren immer deutlicheren Gefallen an einer gewissen Freiheit zu stärken und ihnen so zu ermöglichen, nach entsprechenden Bildungsabschlüssen ins Berufsleben einzutreten ;
  • ihren Wunsch nach Gleichstellung der Frauen mit der Bewahrung einer starken religiösen und moralischen Tradition zu verbinden ;
  • den protestantischen Frauen insgesamt zu zeigen, dass Wohltätigkeitsvereine nicht mehr das einzige Mittel sind, um in Richtung auf andere Konfessionen und andere Milieus aktiv zu sein.

Die Pfadfinderbewegung hat sie auf dem Weg der Modernität ein Stück weiter gebracht.

Bibliographie

  • Bücher
    • GALTIER S., Contribution à l’étude de la FFE (1917-1964), Mémoire de maîtrise d'histoire contemporaine, Université Paul Valéry, Montpellier, 1997
    • POUJOL Geneviève, Un féminisme sous tutelle – Les protestantes françaises 1810-1960, Max Chaleil éditeur, Paris, 2003
  • Artikels
    • FAULLIMEL Anne-Sophie, „Aux origines du scoutisme féminin en France“, Bulletin de la SHPF, SHPF, Paris, juillet-septembre 1997, Tome 127

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