Die rechte Lehre
Die orthodoxe Strömung, die sich selbst gern ‚evangelisch‘ nennt, zeichnet sich durch die Betonung aus, die sie auf die rechte Lehre legt. (Orthodoxie besagt : richtige oder gute Meinung). Predigt und Unterweisung müssen diese weitergeben.
Für die Orthodoxen ist die rechte Lehre jene, die sich aus der Bibel herleitet und die die Reformatoren dargelegt haben. Sie wollen die in den Werken Luthers und Calvins (allerdings recht wenig bekannt mangels neuer Ausgaben) sowie in den Glaubensbekenntnissen des 16. Jahrhunderts formulierten Positionen beibehalten. Im Gegensatz dazu sehen die Liberalen in der Reformation den Beginn einer Entwicklung, die fortzusetzen ist, und sie betrachten die traditionellen Glaubensbekenntnisse als überholt.
Die Orthodoxen wünschen eine ‚respektvolle‘ Lektüre der Bibel. Einige erlauben ein kritisches Studium, das jedoch begrenzt und gemäßigt bleibt. Andere neigen dazu, aus der Bibel einen unfehlbaren Text zu machen (man sagt dann ‚ohne Irrtum‘), der direkt von Gott inspiriert, ja sogar diktiert ist. Sie unterscheiden nicht zwischen ‚Gottes Wort‘ und ‚Heiliger Schrift‘.
Die gemäßigten Orthodoxen wie Pfarrer Edmond de Pressensé wollen Wissen, Intelligenz und Glauben verbinden. Erkenntnis und Reflexion sind ihrer Meinung nach vereinbar mit der Annahme dessen, was in den traditionellen Lehren wesentlich ist. Sie stehen den gemäßigten Liberalen recht nahe, was man manchmal dadurch anzeigt, dass man von „Mitte rechts“ und „Mitte links“ spricht.
Es gibt Unterschiede in der Akzentsetzung zwischen Orthodoxie und Erweckungsbewegung, aber oft verbünden und verbinden sich beide Strömungen. Zum Beispiel predigt César Malan gleichzeitig die Bekehrung des Herzens und die Rückkehr zu den dogmatischen Behauptungen Calvins.