Die Julimonarchie (1830-1848)
Im Großen und Ganzen können die Protestanten mit der Juli- Monarchie leben. Diese beginnt, sie als normale Bürger zu behandeln. Der Katholizismus ist nicht mehr „Staatsreligion“, sondern die „Religion der Mehrheit der Franzosen“. Der Protestant François Guizot ist die bedeutendste politische Persönlichkeit dieser Epoche.
Louis-Philippe lässt zu, dass seine Kinder Protestanten heiraten...
Die Protestanten brachten dem Oberhaupt der neuen Dynastie Vertrauen entgegen, hatte dieses doch, wie man erzählte, in der Schweiz den protestantischen Gottesdienst besucht, Jean Monod, den Pfarrer der französischen Kolonie in Kopenhagen, getroffen und den Protestanten Louis de Chabot-Jarnac zu seinen besten Gefährten gezählt. Dieses positive Vorurteil wurde durch das Verhalten von Guizot, Cuvier und Benjamin Constant gestärkt, die ihm sofort ihre Unterstützung bekundeten.
Die Heirat von drei Kindern von König Louis-Philippe mit Protestanten lässt ein echtes Gefühl der Zuneigung zur königlichen Familie entstehen. Die älteste Tochter, Louise, heiratet den neuen König der Belgier, Leopold I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld, der Lutheraner ist – aber die Kinder müssen natürlich katholisch sein. Nach der zivilen Trauung und der katholischen Segnung (1835) fand noch eine Feier statt, mit der die „protestantischen Untertanen“ zufrieden gestellt wurden (die jedoch eher glanzlos war, denn die Zeremonie beschränkte sich auf einen Gottesdienst im familiären Kreis). 1837 heiratet die zweite Tochter, Marie, Herzog Alexander von Württemberg, der ebenfalls Lutheraner ist. Vor allem heiratet der Herzog von Orléans, der Thronfolger Ferdinand-Philippe, eine Protestantin, Helene von Mecklenburg-Schwerin, die ihre Religion behält und regelmäßig am lutherischen Gottesdienst teilnimmt : „In den königlichen Gemächern lag die Bibel neben dem Messbuch“.
...und bindet die Protestanten in das politische Leben ein
Ziemlich viele Protestanten nehmen aktiv Anteil am politischen Leben : im Wesentlichen Guizot, aber auch Agénor de Gasparin, Claramond Pelet de la Lozère, Léon de Maleville. 1847 gab es 17 Pairs de France, die der reformierten Konfession angehörten.
Die Schulpolitik und die eher liberale Ausrichtung des Regimes kamen der Mehrheit der Protestanten entgegen, vor allem dem Bürgertum, das dank des Zensuswahlrechts weiterhin im Besitz der wesentlichen Machtpositionen bleibt. In dieser Epoche entfaltet sich das neue gesellschaftliche Gesicht des Protestantismus, mit seinen Geschäftsleuten, seinen Bankiers, in Paris, aber auch in Nîmes und im Elsass.
Darüber hinaus nehmen die Protestanten auch positiv zur Kenntnis, dass die Julimonarchie, die die Gleichstellung der Konfessionen befürwortet, den protestantischen Evangelisatoren meistens die Freiheit lässt, auch in Gemeinden, in denen es keine eingesessene protestantische Gemeinschaft gibt, religiöse Zusammenkünfte abzuhalten. Es kommt häufig vor, dass sich die örtlichen Amtsträger, die nicht über eine einfache Tolerierung hinausgehen wollen, dem widersetzen, aber im Allgemeinen genügt es, die zentralen Behörden anzurufen um zu erreichen, dass die konfessionelle Gleichbehandlung respektiert wird. Unter dem Einfluss der großen Figuren der Evangelisation im 19. Jahrhundert (Napoléon Roussel, Léon Pilatte, François Puaux) gewinnt der Protestantismus neue Anhänger, die dem Katholizismus entstammen.
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