Die Ursprünge : Jean-Jacques und Etienne
Die ersten protestantischen Delessert emigrieren von Frankreich in die Schweiz nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes im Jahr 1685. Jean-Jacques wird in Cossonay, im Kanton Waadt in der Schweiz, im Jahr 1690 geboren, kehrt aber 1721 nach Frankreich zurück, wo er einen Seidenhandel gründet.
Sein Sohn Etienne (1735-1816) lässt sich in Paris nieder, wo er Banker wird und die ersten Versicherungsgesellschaften gründet. Er ist ein Philanthrop, besorgt um das Wohlergehen des Volkes, und er gründet kurz vor der Revolution zwei kostenlose Schulen für protestantische Kinder. 1792 wird er verhaftet und verdankt sein Überleben nur dem Fall von Robespierre im Jahr 1794.
Er nimmt seine Tätigkeiten in der Zeit des Directoires wieder auf und erweitert sie um Agrarwissenschaft und die Mechanisierung der Landwirtschaft. Er beteiligt sich mit anderen Finanziers bei der Gründung der „Banque de France“ im Jahr 1800. Nach seinem Tod 1816 wird er auf dem Privatfriedhof seiner Familie in der rue Lekain, einer kleinen Straße in der Gemeinde von Passy, beigesetzt, wo seine Familie gerade bedeutende Grundstücke erworben hatte.
Benjamin Delessert, Firmengründer
Es ist einer der Söhne von Etienne, Jules Paul Benjamin (1773-1847), 1796 in die Bank seines Vaters eingestiegen, der 1802 der Regent der „Banque de France“ wird. Er war es, der ein Grundstück gekauft hatte, welches zwischen der heutigen rue Raynouard et dem Quai de Passy liegt, wo sich die Thermalanlagen von Passy befanden, deren Bekanntheit am Ende des 18. Jahrhundert sehr groß war.
Dort gründet er 1801 die erste Zuckerrübenraffinerie und setzt eine Baumwollspinnerei wieder in Gang, die ein flämischer Besitzer des Grundstückes zwischen 1794 und 1800 gegründet hatte.
Nachdem er direkt angrenzende zusätzliche Grundstücke erworben hatte, baute er sich ein großes, im neoklassischen Stil errichtetes Stadtpalais, dann kam noch eine Fußgängerbrücke über 52m Länge hinzu, um von seinem Wohnhaus in sein Büro zu kommen. Später – im Jahr 1824 – fügt er diesem Ensemble noch ein Schweizer Chalet hinzu, vor welchem Kühe vorbeizogen und welches, gleichwohl an die helvetischen Ursprünge der Familie Delessert erinnernd, dem romantischen Geschmack für die „fabriques“ entsprach, mit denen man in dieser Epoche gerne seine Parks schmückte.
Benjamin Delessert war übrigens auch ein eminenter Botanist ; dieser große Pflanzensammler war in Kontakt mit den wichtigsten Naturalisten seiner Zeit ; er wurde zum freien Mitglied der Akademie der Naturwissenschaften ernannt.
Nach 1815 engagierte er sich in der französischen Politik ; er wird in den Jahren von 1817 bis 1842 als Abgeordneter von Paris, dann in Saumur gewählt ; er hat einen Sitz im linken Zentrum und kämpft für die Verbesserung der Bedingungen der Patienten in den Krankenhäusern sowie für die Abschaffung der Todesstrafe.
Er beteiligt sich an der Gründung der Bank Caisse d’Epargne, die er bis zu seinem Tode leiten wird.
Er wurde ebenfalls auf dem Familienfriedhof in der rue Lekain beigesetzt.
Die letzten Delesserts
Die beiden Brüder Benjamins, François (1780-1858) und Gabriel (1786-1858) haben sich ebenfalls Stadtpalais erbaut und zwar angrenzend an das seine. Das Ensemble nahm die Hausnummer 19 bis 27 der heutigen rue Raynourd ein, und der erste protestantische Gottesdienst in Passy wurde 1856 in einem stillgelegten Gewächshaus im Park gefeiert.
Gabriel war der Bürgermeister von Passy von 1830 bis 1834, dann Polizeipräfekt von Paris von 1836 bis 1848, das Jahr, in dem er zum „Pair“ von Frankreich ernannt wurde.
François, Bankier wie sein Vater, war der Präsident der Pariser Handelskammer und der Präsident der Bank Caisse d’Epargne.
Der Sohn von François, Benjamin (1817-1868) unternahm 1868 zusammen mit seinem Vater die Initiative, die Zivile Immobiliengesellschaft (Société civile immoblière) zu gründen, welche den Kauf eines Grundstückes auf der rue Cortambert erlaubte. Auf diesem zunächst nur gemieteten Gelände wurde ein „provisorisches, tragbares Gebäude“ wieder aufgerichtet, nämlich die alte, stillgelegte Kapelle von der avenue Rapp, die der Gemeinde von Passy als Kirchengebäude diente, angeschlossen zu dieser Zeit an die reformierte Gemeinde Batignolles.
Der Kaufvertrag des Geländes wurde im Januar 1881 unterschrieben ; die Gemeinde von Passy wurde mit einem unabhängigen Presbyterium 1882 endgültig gegründet. Erst 1888 wurde die heutige Kirche gebaut.
Nach Benjamin waren die Schwestern die letzten Repräsentanten der Familie Delessert. Die eine, Madeleine, hatte den Baron Frédéric Bartholdi geheiratet, Bruder des Bildhauers ; die andere, Caroline, war die Ehefrau des Barons Rodolphe Hottinguer. Sie leiteten ab 1872 die Gründung der Stiftung Dellessert Bartholdi, deren Sitz sich auf der 3 und 5 rue Lekain befand, wo eine kleine Kapelle und einige als Krankenstation genutzte Säle gebaut wurden, die von Diakonissen geführt wurden.
Später dienten diese Säle als Räumlichkeiten für die Pfadfinderaktivitäten der Gemeinde von Passy-Annonciation.
In der Nähe dieser Säle verblieb der Friedhof bestehen, wo fast alle Mitglieder der Familie Delessert begraben worden waren.
1961 wurden die Gebeine auf den großen Friedhof von Passy beim Platz Trocadero überführt, und es wurde eine Immobilieneinheit errichtet, in welchem die Gemeinde von Passy-Annonciation das Benutzungsrecht über 2 Pastoralwohnungen, sowie über Konferenz- und Empfangsräumlichkeiten hat.
Ein Boulevard im 16. Arrondissement von Paris und eine Passage im 10. Arrondissement von Paris tragen den Namen der Familie Delessert.