Ein neues Bewusstsein
Am Ende des 18. Jahrhunderts öffnet sich Europa erneut der Welt. Der Beginn der industriellen Revolution, die Suche nach Absatzmärkten, der Bedarf an neuen Produkten, der Bevölkerungszuwachs in Europa veranlassen die Seefahrer, die Meere zu durchqueren, Versorgungsstützpunkte und Handelsplätze an den Küsten Afrikas, Asiens und des Pazifiks zu errichten, auf Kontinenten also, deren Inneres praktisch unbekannt war. Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt hauptsächlich unter dem Druck der britischen und französischen Kolonialpolitik die Erschließung der Kontinente, die von den Fortschritten in der Seefahrt (Dampfschiffe) und der Medizin (Entdeckung des Chinins) begünstigt wird. Die Erforscher Afrikas entdecken zu der Zeit das Ausmaß der Schäden des Sklavenhandels. Dieser „abscheuliche Handel“, der schon 400 Jahre lang dauert, scheint unvereinbar mit dem von der Kolonialpolitik gewünschten „gerechten Handel“. Die Abschaffung der Sklaverei wird aus wirtschaftlichen Gründen zwingend.
Ausbreitung des Abolitionismus
In Europa ging eine Anti -Sklavereibewegung (abolitionnisme) dieser Bewusstwerdung voraus. 1794 hatte der Nationalkonvent die Sklaverei abgeschafft, jedoch Napoleon hatte sie 1802 wieder eingeführt. 1807 hatte England den Sklavenhandel verboten und 1833 im Parlament für die Abschaffung der Sklaverei gestimmt. Frankreich verbot 1848 die Sklaverei in den Kolonien endgültig und verankerte ihre Abschaffung in seiner Verfassung. Der europäischen Anti-Sklavereibewegung mangelt es nicht an religiösen Argumenten. In England berufen sich die Gegner der Sklaverei (der Quäker Thomas Clarkson und der methodistische Parlamentarier William Wilberforce) auf das Evangelium. In Frankreich dagegen führt die Gesellschaft der „Freunde der Schwarzen“ offiziell ihren Kampf im Namen der Menschenrechte. Hingegen gründen französische Gegner der Sklaverei, Abbé Grégoire ( ein Kirchenvertreter der verfassungsgebenden Versammlung) und Pfarrer Benjamin Sigismond Frossard ihren Kampf auf die christliche Religion. Ein anderer Pfarrer und Hochschulprofessor von Montauban, Guillaume de Félice, ist 1846-47 einer der wichtigsten Akteure der Bewegung, die in den Kirchen Eingaben für die Abschaffung der Sklaverei sammelt. Diese Art von Aktionen führt 1848 zum gesetzlichen Verbot der Sklaverei in Frankreich.
Eine neue christliche Ethik
Seit Beginn des Sklavenhandels im 16. Jahrhundert hatten sich die europäischen Sklavenhändler als Christen ausgegeben, indem sie ihre „Ladungen“ von einem katholischen oder protestantischen Seelsorger begleiten ließen. In Frankreich waren die protestantischen Reeder der Hafenstädte (Bordeaux, Nantes, La Rochelle, Rouen) am Sklavenhandel beteiligt. Die Gegner des Sklavenhandels im19. Jahrhundert prangerten diesen Tatbestand an, wobei sie jedoch den Männern zu Gute hielten, dass sie Opfer der Vorurteile ihrer Zeit waren. Aber nach der Revolution und der Erklärung der Menschenrechte war es nicht mehr möglich, die Vermischung von Christentum und Sklavenhandel zu akzeptieren oder irgendeine Aktion der Evangelisation in Afrika zu unternehmen, ohne die vorausgehende oder begleitende Verkündigung von Freiheit und Gleichheit aller Menschen, schwarzer wie weißer, vor Gott. Die Missionsbewegung des19. Jahrhunderts ging mit der Bewegung gegen die Sklaverei also Hand in Hand.