Der Erste Weltkrieg

Die protestantischen Familien sind alle in der „union sacrée“ (der heiligen Union) geeint. Sollte es nicht ein kurzer Krieg werden ? Das Gemetzel auf den Schlachtfeldern dementiert dies jedoch auf grausame Weise, was von vielen Christen als ein Bankrott empfunden wird, der zu einer Erneuerung führen muss.

Die "union sacrée"

Die deutsche Kriegserklärung an Frankreich am 2. August 1914 wird mit einem bangen Gefühl aufgenommen, aber Entschlossenheit und Pflichtbewusstsein behalten die Oberhand und heben Meinungsverschiedenheiten zwischen Befürwortern von Stärke und Pazifisten auf. Die politischen und religiösen Konflikte, die das Land so oft zerrissen haben, treten in den Hintergrund, angesichts der deutschen Aggression wird das Gefühl der Notwehr, ja der Wunsch nach Revanche, praktisch einmütig geteilt. Protestanten und Katholiken, ob Soldaten oder Seelsorger, kommen einander näher. Sämtliche „geistigen Familien Frankreichs“ sind vereint. Die Unterstellung, in dem Konflikt stünden sich das protestantische Deutschland Luthers und das katholische Frankreich der Jeanne d’Arc gegenüber, wird von den meisten auf das energischste verworfen. Der Protestant Gaston Doumergue ist ein wichtiges Mitglied der Regierung Viviani. Die Gewissheit des Endsiegs wird von allen geteilt.

Die Kirchen während des Krieges

Gaston Doumergue (1863-1937) © S.H.P.F.
Raoul Allier (1862-1939)

Da die Verantwortung Deutschlands und Österreichs, die gegen die internationalen Verträge verstoßen haben, als gegeben gilt, wird der Krieg von dem Vaterland der Menschenrechte als gerecht und legitim erachtet. Die Protestanten sind empört über die Haltung der Mehrzahl der großen Persönlichkeiten des deutschen Protestantismus, die Gott und Christus für die Ambitionen ihres Kaisers vereinnahmen. Der Friedensaufruf Benedikts XV. wird von den meisten Franzosen als eine Parteinahme für die Zentralmächte angesehen.

Es gibt nur wenige protestantische Prediger, die sich auf den Herrn der Heerscharen berufen und wie Pfarrer H. Monnier verkünden, „die Sache Frankreichs, die an sich heilig ist…., und die Sache des Reiches Gottes sind eins“ („la cause de la France qui est, par elle-même sacrée… se confond avec la cause même du règne de Dieu“). Bei der großen Mehrheit von ihnen ist keine Idealisierung oder Verherrlichung des Krieges zu finden.

Als jedoch die Verschlechterung des politische Klimas 1917 (mörderische Großoffensiven, Unterschied zwischen den Männern an der Front und den „Profiteuren“ in der Etappe) den nationalen Zusammenhalt zu beeinträchtigen droht, erinnern die Pfarrer der calvinistischer Tradition entsprechend an die staatsbürgerlichen Pflichten und „den unwandelbaren Willen zu kämpfen bis zum Sieg, zum Heiligen Sieg“ („la volonté indéfectible de lutter jusqu’au bout pour la Victoire, la Sainte Victoire“) (G. Boissonas). Im Februar 1917 lehnt das von der Fédération Protestante de France veröffentlichte Manifest jeden Gedanken an einen Kompromissfrieden ab, einen „Frieden ohne Sieg“ („paix sans victoire“), wie er von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten Woodrow Wilson angestrebt wird.

Welche Vorstellung vom Christentum ?

© Direction de l’Aumônerie Protestante aux Armées (DAPA)

Bei den französischen Reformierten führt das Kriegsgemetzel, dieser „teuflische Ausbruch menschenmordenden Tobens“ („explosion diabolique de la fureur homicide“) (W.Monod) zu einer Infragestellung des Optimismus der „Liberalen“ und bringt zahlreiche „evangelische Christen“ dazu, sich die Frage nach der Allmacht Gottes zu stellen. Wie bei den Katholiken, fragen sich auch unter ihnen manche : …ist der Krieg ein Gottesurteil, „die gerechte Strafe des Himmlischen Vaters“ („le juste châtiment du Père céleste“) (Pfarrer J. Pfender) für die Sünde der Menschen ?

Wenn Völker, die sich alle auf das Christentum berufen, einander mit solcher Grausamkeit bekämpfen, fragen sich viele pessimistisch, ob der Krieg nicht ein „nationalisiertes“ Christentum enthüllt, das die universelle, Frieden stiftende Dimension der Lehre Christi verraten hat.

Der Ruf nach einer kirchlichen Erneuerung ?

Wilfred Monod (1867-1943) © Direction de l’Aumônerie Protestante aux Armées (DAPA)

Der Versailler Vertrag (28. Juni 1919), der teilweise auf den berühmten „14 Punkten“ des Präsidenten Wilson (von Januar 1918) gründet, eröffnet die Möglichkeit einer neuen internationalen Ordnung, deren konkrete Umsetzung dem 1923 gegründeten Völkerbund obliegen soll. Die Frontgeneration hält den Wandel und die Öffnung der Kirchen für unverzichtbar, da die Trennung unter den Christen als ein Skandal erscheint. Im Juli 1919 billigt die Nationalsynode der Union des Églises réformées (Union der Reformierten Kirchen) den Beschluss, eine Generalversammlung aller Reformierten zu organisieren, die über einen wirksamen Zusammenschluss der Kirchen befinden soll. Die Jugendbewegungen, die Studentenbewegung FFACE (Fédération française des associations chrétiennes d’étudiants) sowie Vorreiter unter den Laien bemühen sich, eine Annäherung zwischen den unterschiedlichen Strömungen des Protestantismus herbeizuführen. Die europäische Katastrophe rüttelt die Gläubigen aus ihrer geistigen Apathie auf und bringt ihnen die Notwendigkeit einer geeinten Christenheit zum Bewusstsein.

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Bibliographie

  • Bücher
    • ENCREVÉ André, Les protestants en France de 1800 à nos jours. Histoire d’une réintégration, Stock, Paris, 1985
    • FABRE Rémi, Les protestants en France depuis 1789, La Découverte, Paris, 1999
    • GAMBAROTTO Laurent, Foi et Patrie, Labor et Fides, Genève, 1996
    • MAYEUR Jean-Marie et HILAIRE Yves-Marie, Dictionnaire du monde religieux dans la France contemporaine, Beauchesne, Paris, 1985-, Tome 9
    • WOLFF Philippe (dir.), Les protestants en France, 1800-2000, Privat, Toulouse, 2001
  • Artikels
    • „Les protestants français et la première guerre mondiale“, Bulletin de la SHPF , Société de l'histoire du protestantisme français, Paris, janvier-février-mars 2014, Tome 160

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