Die Suche nach dem bürgerlichen Frieden
Als Bonaparte nach seinem Staatsstreich vom 18. Brumaire (9. November 1799) ein neues politisches Regime gründete, hatte er das Ziel, den bürgerlichen Frieden wiederherzustellen, und in seinen Augen ist die Religionspolitik eine wichtige Frage. Als Agnostiker kennt er den Protestantismus nur schlecht, aber er findet gern freundliche Worte für ihn („Wir hätten gern, dass alle protestantisch wären“, sagt er 1801), damit er ein Gegengewicht zum Katholizismus bildet, dem er den vom Papst verlangten Titel ‚vorherrschende Religion‘ verweigert ; er begnügt sich damit, ihn als „Religion der großen Mehrheit der französischen Staatsbürger“ zu bezeichnen.
Das mit Pius VII. abgeschlossene und am 8. September 1801 unterzeichnete Konkordat tritt nicht sofort in Kraft. Es wird erst am 8. April 1802 (18. Germinal des Jahres 10) Gesetz, nachdem es durch die organischen Artikel ergänzt wurde, die Bonaparte ohne Absprache mit dem Papst hinzufügte ; diese Artikel bilden ein Regelwerk, welches das Leben der katholischen Kirche ordnet und die protestantische Religionsausübung organisiert. Die Frage der Juden wird auf später verschoben ; diese Verzögerung wird zu dem Zeitpunkt damit begründet, dass die Juden eher ein Volk bilden als eine Religionsgemeinschaft, und ihre Religionsausübung wird erst 1808 neu organisiert.
Jedoch handelt es sich nicht um ein Gesetz, das man verhandelt hat, sondern um eine Entscheidung der Regierung : der verantwortliche Minister konsultierte zwar einige lutherische oder reformierte Persönlichkeiten, besonders Pfarrer Paul-Henri Marron und Pierre-Antoine Rabaut-Dupui, Mitglied der Legislative, aber er berücksichtigte deren Ansichten kaum. In der Tat stellt Bonaparte keineswegs die Kirche- insbesondere ihren reformierten Zweig – wieder her, so wie sie vor den Verfolgungen war ; er stürzt ihre Organisation um, woraus sich zahlreiche Schwierigkeiten und Gründe für Spaltungen ergeben.
Die Synode von 1598 ist zum Teil in Vergessenheit geraten
Die neue Organisation der reformierten Kirche stürzt die traditionelle Organisation in mehreren Punkten um :
- Im 16. Jahrhundert wird die reformierte Kirche nach dem als ‚presbyterianisch-synodal‘ bezeichneten System organisiert : die Basis ist die Versammlung der Gläubigen der lokalen Kirche, welche die Mitglieder des Konsistoriums oder des Ältestenrats (‚Presbyter‘) wählt, der später durch Kooptieren erneuert wird. Dieses Konsistorium wählt den Pfarrer, der ihm vorsteht, und dieser Rat wählt seine Vertreter für das Kolloquium (Versammlungen der Vertreter mehrerer lokaler Kirchen) ; der Ältestenrat wählt auch die Delegierten für die besondere Synode (oder Provinzialsynode). Die Versammlung der Vertreter der besonderen Synode bildet die Generalsynode. Die Provinzialsynode regelt regionale disziplinarische Angelegenheiten ; die Generalsynode entscheidet in letzter Instanz und ist maßgebend in Bezug auf die Lehren. Die konsequente Folge des allgemeinen Priestertums ist, dass sich diese Versammlungen aus Laien und Pfarrern zusammensetzen.
- Das Gesetz Bonapartes beachtet die lokalen Kirche nicht und erkennt nur die sogenannte ‚konsistoriale‘ Kirche an, die wie die katholische Pfarrei ‚6000 Seelen gleicher Kommunion‘ zählt. Unter Berücksichtigung der Verstreuung der Protestanten muss diese konsistoriale Kirche aus mehreren lokalen Kirchen bestehen und so eine Hierarchie unter den Kirchen schaffen, was dem traditionellen Prinzip der Gleichstellung aller lokalen Kirchen widerspricht. Darüber hinaus werden nur die besonderen Provinzsynoden anerkannt, deren Versammlung eine Genehmigung der Regierung braucht, die übrigens nie erteilt wird. Vor allem äußert sich das Gesetz nicht zur Generalsynode, die jedoch die einzige Autorität im dogmatischen und disziplinarischen Bereich ist : die reformierten Kirchen bleiben also ein Körper ohne Kopf. Schließlich mischt sich der Staat in geistliche Angelegenheiten ein : Artikel 4 verdeutlicht, dass keine Entscheidung bezüglich Dogma und Lehre – insbesondere kein Glaubensbekenntnis – veröffentlicht und gelehrt werden kann, ohne die Genehmigung der Regierung eingeholt zu haben.
- So werden 1802 81 konsistoriale und 19 oratoriale Kirchen für zahlenmäßig schwache Gruppen, die sich in einem Departement befinden, in dem kein Konsistorium vorhanden ist, gegründet. Die lokale Kirche verschwindet nicht, aber sie hat keine offizielle Existenz ; das Konsistorium wird nämlich den Pfarrer anstellen. Die Laienmitglieder der Konsistorien, die für vier Jahre berufen sind, werden durch eine Art Kooptieren bestimmt und müssen unter den reichsten Bürgern ausgewählt werden, eine Verfügung, die im Widerspruch zum demokratischen Geist des reformierten Protestantismus steht. Wie Pfarrer Pédézert es später ausdrücken wird : „Weder die Apostel noch Jesus Christus hätten Wähler oder Gewählte in unserer Kirche, wie Napoleon und seine Minister sie gewollt hatten, sein können“. Da die Generalsynode nicht zur Kenntnis genommen wird, vertraut man die Verwaltung der reformierten Kirche praktisch den Honoratioren an.
Die Protestanten nehmen dennoch dieses Gesetz, das sie anerkennt und keine restriktive Maßnahme im Vergleich mit den Katholiken enthält, dankbar an ; die Pfarrer üben ein offizielles Amt aus und können zu offiziellen Feierlichkeiten als solche eingeladen werden. Zum ersten Mal werden sie vom Staat bezahlt. Die Kirchen stellen ihre Gemeinschaften wieder her, insbesondere ihre religiösen Einrichtungen. Zu der theologischen Fakultät von Straßburg, die den Lutheranern vorbehalten ist, und der von Genf, das damals zum Kaiserreich gehörte, kommt für die Reformierten die Gründung einer theologischen Fakultät in Montauban 1808 hinzu. 1814 erholt sich die 1792 geschrumpften Zahl der Geistlichen : 214 reformierte Pfarrstellen sind vorgesehen, fast das Doppelte des Bestandes von 1802.
Anpassungsschwierigkeiten
Allmählich werden die Schwierigkeiten auftauchen, die ein unpassendes Gesetz auslöst :
- Die Kirchenordnung und die Synoden : die Ordnung der reformierten Kirchen ist ein normativer Text von 1559, eine Art Verfassung, die das Leben der Kirche, deren materielle Organisation wie auch die geistliche Angelegenheiten regelt. Das Konkordat erkennt diese Kirchenordnung an, aber es wird schwierig, sie umzusetzen. Das Konsistorium ist nämlich die einzige Autorität. Es setzt sich aus Honoratioren (in denen sich das protestantische Volk übrigens nicht immer wiedererkennt) zusammen, und es gibt keine Struktur, welche die Konsistorien vereint : das Gesetz hat keine Nationalsynode vorgesehen, und den besonderen oder provinziellen Synoden, die zwar von Gesetz vorgesehen sind, wird es nie gestattet sein, sich zu treffen. Ein bescheidenes Experiment spielt sich zwischen 1848 und 1853 im Departement Drôme ab, aber es gibt keine generelle Zusammenkunft der besonderen Synoden. Das Fehlen einer Synode wirft die Frage auf, welche Behörde die Aufgabe übernehmen würde, die Disziplin anzuwenden.
- Die lokale Kirche : Nach den Gewohnheiten der Reformierten spielt die lokale Kirche eine fundamentale Rolle ; sie ist der Rahmen, in welchem sich das Leben der Gläubigen vollzieht und die Basis der Pyramide von Versammlungen, welche die Struktur der reformierten Kirche bildet. Nun beachtet das Gesetz vom Germinal die lokale Kirche jedoch nicht und missversteht so deren eigentliche Natur.
Mittel, um die protestantische Identität unter Beweis zu stellen
Um Strukturen der Begegnung zu schaffen, bei der die gemeinsamen Probleme trotz allem auf nationaler Ebene diskutiert werden können, bedient man sich verschiedener Kunstgriffe :
- Schaffung verschiedener religiöser Gesellschaften (vgl. Werke), deren wichtigste genannt werden sollen : die protestantische Bibelgesellschaft von Paris (1818), die Gesellschaft der religiösen Traktate (1821), die Gesellschaft der evangelischen Missionen (1822), das Komitee zur Förderung der Sonntagsschulen (1826), die Gesellschaft zur Förderung des Grundschulunterrichts unter den Protestanten Frankreichs (1829), die evangelische Gesellschaft Frankreichs (1833), und ab 1835 fusionieren verschiedene protestantische Gesellschaften, um die Société centrale protestante de France zu bilden ; alle diese Gesellschaften werden im allgemeinen von begüterten und aufopferungsvollen Laien geleitet.
- Die Organisation der Pastoralkonferenzen : Jean Monod in Paris, Samuel Vincent in Nimes. Sie haben eine echte Bedeutung, denn sie erlauben es, Probleme anzugehen ; aber sie haben keine Entscheidungsgewalt, sie ersetzen die Synoden nicht.
Bis 1848, solange wie die Hugenotten nicht zu sehr gespalten sind, nimmt die dogmatische Debatte keine bedeutenden Ausmaße an ; aber in den folgenden Jahren wird sie sich verhärten, und, da es keine zentrale Autorität gibt, zu einer Spaltung führen.