Eine Familie und eine Region, die sich zur Reformation bekennt
André Jeanbon wird am 25. Februar 1749 in Montauban geboren. Seine Familie gehört zu den « facturiers », das heißt Fabrikanten, Unternehmer, Repräsentanten der begüterten, wenn auch nicht reichen Mittelschicht von Textilindustriellen, die unter den Protestanten von Montauban zahlreich waren : einer Stadt, wo drei Viertel der Händler und Mühlenbesitzer protestantisch waren, wie es eine am Ende des Ancien Régime erstellte Ständeliste bezeugt. Die Anwesenheit der Familie Jeanbon, die Mitte des 17. Jahrhunderts nach Montauban kam, ist in dieser Stadt, die von der Reformation geprägt ist, seit 1683 urkundlich bezeugt. Sie kam wahrscheinlich aus Mauvezin, einem Marktflecken im heutigen Departement Gers, wo die Protestanten ebenfalls sehr zahlreich waren.
Wie alle Protestanten des 18. Jahrhunderts wurden die Mitglieder seiner Familie katholisch getauft und getraut. Da das Personenstandsregister damals von der Kirche geführt wurde, waren diese „katholischen Akte“ unumgänglich. Der erste protestantische Akt ist die Heirat seines älteren Bruders (1771), ein Beweis, dass sich die Einstellung langsam änderte.
Die Familie Jeanbon, die im Innersten calvinistisch war, wenn auch diskret und vorsichtig, scheint in der « Wüste » sehr präsent gewesen zu sein und beim Erhalt und am Wiederaufbau der reformierten Kirchen aktiv mitgewirkt zu haben.
Seemann und Pfarrer
Nach Absolvierung des Kollegs in seiner Heimatstadt (1759-1765) lässt sich der junge André in Bordeaux bei der Marine ausbilden (1765-66) und bleibt bis 1771 Marineoffizier.
Dann begibt er sich nach Lausanne, in das von Antoine Court 1724 gegründete Seminar (unterstützt vom « Comité français de Genève »). Dort bereitet er sich auf das Pastoralamt vor. Seine Ordination findet am 21. April 1773 statt. Bevor er Lausanne verlässt, nimmt er ein katholisches Pseudonym („Saint-André“) an, wie es in der « Wüste » Brauch war (ebenso nennt sich Rabaut „Saint-Étienne“).
Schon vor seiner Ordination ihn die Untergrundkirche von Castres als Pastor angefordert. Seit dem 29. April 1773 lebt er in dieser Stadt der Textilindustrie mit reicher protestantischer Vergangenheit. Er übernimmt schnell Verantwortung. Die Synode der « Wüste » von 1776 ordnet ihn zur Nationalsynode ab. Die Synode von 1777 überträgt ihm die Zuständigkeit für Korrespondenz und Dispute mit den Nachbarsynoden, eine Funktion, die er 1778 und 1779 von neuem bekommt.
Seine unbeugsame Gesetzestreue entfremdet ihn jedoch von einem Teil seiner Gemeindeglieder, die ein Komplott schmieden und ihn 1783 zwingen, seinen Abschied zu nehmen.
Außer Diensten verfasst Jeanbon seine Considérations sur l’organisation civile des Églises protestantes (erst 1848 veröffentlicht). Das Toleranzedikt (im November 1787 vom König unterzeichnet und am 29. Januar 1788 registriert), das mit seinen Ideen übereinstimmt, lässt ihn im Juli 1788 sein geistliches Amt in Montauban wieder aufnehmen, wo er schon bald einen sehr erfolgreichen Religionsunterricht einführt. Er ist auch ein geschätzter Redner.
Er betritt die politische Bühne
Nach den 1790 in Montauban ausgebrochenen Krawallen flüchtet er nach Bordeaux, wo er sich vielen zukünftigen Girondisten anschließt. Er befasst sich weiterhin mit Politik und erlebt ab 1791 seinen Aufstieg.
Am 6. September 1792 wird er als Abgeordneter vom Lot (das Departement Tarn-et-Garonne wird erst 1808 von Napoleon geschaffen) in den Konvent gewählt, das Konsistorium stellt ihn frei.
Er erweist sich als ausgezeichneter Redner und ergreift sehr oft das Wort. Als er sich von den Girondisten trennt, wird er am 2. November 1792 zum Präsidenten der Jakobinergesellschaft gewählt. Im Januar 1793 stimmt er für den Tod des Königs. Er verfasst einen von Rousseau, dem Befürworter der aktiven pädagogischen Methoden, beeinflussten Text : Sur l’éducation nationale. Im März 1793 fordern der Maler David und Jeanbon die Schaffung eines Revolutionsgerichts. Jeanbon vergisst weder seine Geburtsstadt noch seine religiösen Überzeugungen ; er ist ein wichtiger Akteur beim Kauf der ehemaligen Karmeliterkirche, die zur reformierten Kultstätte von Montauban umgebaut wird.
Als Mitglied des Marinekomitees schlägt er einen Plan zur Neuorganisation vor. Nach dem Aufstand vom Prairial („Wiesenmonat“) wird er am 28. Mai 1795 verhaftet und zusammen mit David im Collège des Quatre-Nations mit David eingesperrt. David berichtet später, dass die Guillotine zwei Tage lang im Hof des Gefängnisses aufgebaut war. Im Verlauf dieser Inhaftierung wird David das Porträt von Jeanbon skizzieren. Dieser wird nach sechs Monaten aus der Haft entlassen.
Das Direktorium, Glücksfälle und Überraschungen eines neuen Lebens
Er nimmt danach sein Pastoralamt nicht wieder auf. Er wird zum Konsul in Algerien, dann in Smyrna ernannt, dem wichtigsten Posten in der Levante, wo er am 29. Oktober 1798 (8. Brumaire des Jahres VI) ankommt. Die französische Eroberung Ägyptens, die den türkischen Interessen zuwiderläuft ist, führt zu seiner Verhaftung. Seine Gefangenschaft, die er in Récit de ma captivité sur les bords de la mer Noire, beschreibt, dauert fast drei Jahre.
Unter Napoleon Bonaparte
Am 1. Dezember 1801 (10. Frimaire des Jahres X) unterzeichnet Napoleon seine Ernennung zum Generalkommissar der neuen linksrheinischen Departements und zum Präfekten von Mont-Tonnerre mit Sitz in Mainz. Diesen Posten bekleidet er bis zu seinem Tod.
Nach dem Dekret vom 31. August 1805 (13. Fructidor des Jahres XIII), das die religiöse Situation in den „vereinigten Territorien“ regelt, versucht Jeanbon ohne Erfolg eine protestantische theologische Fakultät in Zweibrücken zu gründen.
Ein exemplarisches, dem Protestantismus verbundenes Ende
Das innere Erlebnis, das später im Mittelpunkt der „Erweckungsbewegung“ steht, bleibt ihm fremd. Er zieht die Moral der Theologie und der Mystik vor und interessiert sich kaum für die Zeremonien der Religionsausübung.
Dass er der theologischen Fakultät von Montauban, die von neuem gegründet wurde, seine Bibliothek zum Geschenk macht, zeigt die Aufmerksamkeit, die er trotz seiner Abwesenheit weiterhin der reformierten Zukunft seiner Heimatstadt zollt.
Nachdem er sich bei Soldaten, um die er sich kümmert, mit Typhus, einer damals noch unheilbaren Krankheit, angesteckt hat, stirbt er am 10. Dezember 1813 in Mainz. Seine Leichenpredigt wird in der protestantischen Kirche von Mainz am Weihnachtstag gehalten.
Die Mainzer, die ihm für sein Wirken als Präfekt dankbar waren, ließen ihm ein Grabmal errichten, das noch heute existiert.