Die ersten Ermahnungen
Als Tochter eines Protestanten, der vor der Widerrufung abgeschworen hat, und mutterlos wird Isabeau bei ihrem Onkel in Saou zwischen Bourdeaux und Crest (Drôme) als Schäferin untergebracht. Sie ist 15 bis 16 Jahre alt, als sie im Februar 1688 anfängt, im Schlaf zu sprechen und nachts im Dialekt, dann auf Französisch Prophezeiungen zu machen. Ihre ‚Ermahnungen‘ erschüttern alle, die herbeigeeilt sind, um sie zu hören. Sie ruft sie zur Reue auf, zur Ablehnung der katholischen Messe, sie sollen das Wort Gottes suchen, standhaft bleiben trotz der Verfolgungen : « Zeigt Reue (…) Lasst uns standhaft bleiben, und möge Euer Glaube immer auf Jesus Christus gegründet sein (…). Denn wer bis zum Schluss durchhält, der wird das ewige Leben erlangen, man muss für sein Wort leiden (…). Sucht sein Wort und Ihr werdet es durch die Reue finden, befolgt die Gebote Gottes und nicht die der Menschen (…). Die Bösen werden mit ihrer Bosheit umkommen und niedergemäht werden wie das dürre Gras auf den Feldern ».
Wer ihr zuhört, muss an die Verfolgungen und an die Büttel der Obrigkeit denken. Denn, so schreibt ein Zeuge, « durch sie spricht sicher der Geist Gottes ».
Die Verbreitung der Ermahnungen
Einer, der diese Ermahnungen hörte, hat sie aufgezeichnet und nach Amsterdam geschickt, wo sie gedruckt und verbreitet wurden. Es ist der erste Teil einer Schrift mit dem Titel ‚Abrégé de l’histoire de la bergère de Saou près de Crest en Dauphiné‘ (Kurzfassung der Geschichte der Schäferin von Saou), gedruckt 1688 in Amsterdam. Der zweite Teil enthält die Aussage des Anwalts Gerlan, der die kleine Schäferin in der Nacht vom 20. zum 21. Mai 1688 beobachtet und ihre Prophezeiungen aufgezeichnet hat. Es existiert auch ein Brief vom 14. Juni 1688 : « Sie haben sich nach dem Mädchen, von dem man Ihnen erzählt hat, erkundigt… ».
Die Verhaftung
In seinem Brief vom 14. Juni berichtet der Zeuge, dass Isabeau am 8. Juni verhaftet, nach Crest gebracht, mehrere Stunden lang befragt und in den Turm gesperrt wurde. Im Juli wurde sie ins Hospital von Grenoble überführt und danach in ein Kloster gesteckt, wo sich ihre Spur verlor. Aber ihre Botschaft ging nicht verloren. Andere junge Männer und Frauen begannen zu prophezeien : das ist die Bewegung der‚kleinen Propheten‘. Einer von ihnen, Gabriel Astier, bringt den Prophetismus ins Vivarais, wo er sich schnell verbreitet, und 1700 taucht er im Unteren Languedoc auf, zwei Jahre vor dem Kamisardenaufstand.
Die Erinnerung an Isabeau Vincent
Die handschriftliche Aussage von Gerlan und der Brief vom 14. Juni wurden durch Zufall vor etwa 30 Jahren in einem Bauernhof in Pervenche (Ardèche) gefunden, ebenso wie eine große Anzahl von privaten Archiven.
Das Museum des Protestantismus im Dauphiné widmete den ‚kleinen Propheten‘ ein Denkmal und weihte es am 13. August 1988 ein, nicht weit von dem Bauerhof entfernt, wo Isabeau Vincent lebte. Es erinnert daran, dass ihr « Zeugnis am Anfang der protestantischen Bewegung der kleinen Propheten im Dauphiné, Vivarais und den Cevennen steht ».