Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (1768-1834)

Dieser deutsche Theologe übte einen bertächtlichen Einfluss auf den europäischen Protestantismus des 19. Jahrhunderts aus. Sein Anliegen war, Christentum und Kultur nicht voneinander zu trennen.

Biographie

  • Friedrich Schleiermacher (1768-1834) © S.H.P.F.

Er wurde in Breslau geboren, wo sein Vater Pfarrer war. F.D.E. Schleiermacher besuchte die Schulen der Böhmischen Brüder, studiert dann an der vom Pietismus gegründeten und immer noch von ihm beeinflussten Theologischen Fakultät von Halle. Er wurde stark von dieser Strömung geprägt, die subjektive und emotionale Aspekte der Religion auslotet, blieb ihr aber nicht verschrieben. Nach einem ersten Pfarramt in Pommern wurde er bald Seelsorger im reformierten Krankenhaus „Charité“ in Berlin. Dies ermöglichte es ihm wiederum, mit den gebildeten Kreisen dieser Stadt, insbesondere mit den Hauptvertretern der Romantik, in direkten Kontakt zu kommen, 1804 wurde er zum Professor an die Theologische Fakultät von Halle berufen,wo er bis zu seiner Rückkehr nach Berlin 1807 blieb. Ohne feste Anstellung beteiligte er sich aktiv an der Einrichtung der neuen Universität dieser Stadt. Und schließlich wurde er neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer zum Prediger der Dreifaltigkeitskirche ernannt. Seine letzten Lebensjahre wurden von seinen drei Funktionen als Seelsorger, Prediger und Hochschulprofessor für Theologie und Philosophie bestimmt.

Der Theologe

Ideengeschichtlich tat sich Schleiermacher zunächst durch seine Platon-Übersetzungen hervor. Doch war er hauptsächlich der Autor eines der Hauptwerke der deutschen Romantik : „Über die Religion, Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern“. Das Wesentliche seiner Argumentation besteht darin, dass er ihren Verächtern im Grunde folgendes sagte : „Ihr glaubt, Ihr seid nicht religiös, doch nur weil Ihr nicht wisst, was wahre Religion ist ; denn die Religion ist kein Wissen, keine Moral ; sie ist unmittelbares und intuitives Bewusstsein des Unendlichen, der absoluten Abhängigkeit des Menschen in Bezug auf die Unendlichkeit Gottes. Ihr seid also in Wirklichkeit religiöser als Ihr es Euch vorstellt.“ Nach dieser Behauptung lädt Schleiermacher seine Leser ein, einige weitere Schritte mit ihm zu unternehmen. Eine wirklich religiöse Religion könnten sie nirgendwo besser finden als im Christentum, und, innerhalb des Christentums, in seiner protestantischen Ausprägung, aber in einem Protestantismus, der das innere Zeugnis des heiligen Geistes ernst nehme und daraus die Folgen ziehe, die die Gegenwart verlange.

Die „Reden“ Schleiermachers waren bemerkenswert, weil sie einerseits über Kants sittliche Forderung mit der Behauptung, im menschlichen Wesen existiere eine spezifische und unveräußerliche Religosität, hinausgingen und andererseits dadurch, dass er das Problem der Formulierung von Lehrsätzen in einer sehr neuartigen Perspektive betrachtete : Die Lehren sind als solche keine offenbarte Wahrheiten mehr, sondern Ausdruck des Bewusstseins der Menschen bezüglich ihrer Beziehung zu Gott. In einer Gegend wie Berlin, wo die doktrinalen Gegensätze zwischen Lutheranern und Reformierten besonders ausgeprägt waren, hieß das, dass diese Unterschiede in der Lehre nur einem unterschiedlichen Verständnis der gleichen Grundforderung und nicht zwei unversöhnlichen Grundkonzeptionen entsprachen. Schleiermacher schloss daraus, dass Lutheraner und Reformierte keine wahren Gründe mehr hätten, weiterhin getrennt Gottesdienst zu feiern. Zudem schlug er dem Preussenkönig Friedrich Wilhelm III. eine abgeänderte Ausgabe der in seiner Landeskirche verwendeten Liturgie vor. Da, wo der Theologe sich nicht vorstellen konnte, dass man mit anderen Mitteln als mit Überzeugungskraft etwas bewirkte, da wollte der König diese neue Liturgie gewaltsam aufzwingen und verursachte eine Spaltung innerhalb der lutherischen Kirche. Da Schleiermacher diese Handlungsweise ganz und gar ablehnte, äußerte er strenge Kritik an dem Prinzip der Staatskirche, wie sie damals in Preußen bestand, ohne jedoch jemals die absolute Trennung von Kirche und Staat zu befürworten, wie bald ein gewisser Alexandre Vinet.

Schleiermacher hat zahlreiche theologische Schriften hinterlassen, die die gesammte nachfolgende protestantische Theolgie beeinflusst haben. Die wichtigste Schrift ist seine Glaubenslehre,die man keinesfalls mit einer Dogmatik verwechseln darf. Es war nicht sein Ziel eine Reihe als normativ geltender Lehrsätze auszulegen, sondern er wollte einen Glaubensbegriff mit seinen Konsequenzen entwickeln, der dem Wesentlichen der Religion entspräche, wie es im Christentum erfahren und gelebt werden kann. Er hat ebenfalls eine Hermeneutik, eine philosophische Ethik und eine Dialektik entwickelt. Schließlich war er auch einer der großen Meister der Praktischen Theologie. Darunter versteht er die Unterweisung in der Praxis des Pfarramts, aber auch in der Verwaltung der kirchlichen Einrichtungen.

Man hielt ihn für « den Vater des modernen Protestantismus » (Karl Barth). Das war er auch besonders im Hinblick auf seine große Aufmerksamkeit gegenüber Kulturellem. Er, der den Pfarrer mit einem Virtuosen, d.h. mit einem Künstler oder mit einem Dichter verglich, öffnete einer theologischen Reflexion eine breite Bresche, die sich vor einer zu deutlichen Abgrenzung zwischen Christentum und Kultur hütet und vielmehr dazu auffordert, ihre enge Verwandtschaft zu berücksichtigen.

Autor: Bernard Reymond

Bibliographie

  • Bücher
    • REYMOND Bernard, A la découverte de Schleiermacher, Van Dieren, Paris, 2008
    • REYMOND Bernard (trad.), De la religion. Discours aux personnes cultivées d’entre ses mépriseurs, de Friedrich David Ernst Schleiermacher, dans une nouvelle traduction, Van Dieren, Paris, 2004, p. 181
    • SCHLEIERMACHER Friedrich, Discours sur la religion, Aubier, Paris, 1944
    • SIMON Marianna, Philosophie de la religion dans l’œuvre de Schleiermacher, Vrin, Paris, 1974

Dazugehörige Vermerke

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