Geschichtliche Daten –
Der Protestantismus im Elsass
Zahlreiche Erinnerungsstätten zeugen von der besonders qualvollen Geschichte zu beiden Seiten des Rheins. Heute sind ein Drittel der französischen Protestanten Elsässer oder elsässischer Herkunft.
Eine komplexe Geographie
Die Geographie der Entstehung des Protestantismus im Elsass erklärt, dass die Erinnerungsstätten so weit verstreut sind. Aus dem Gewirr der katholisch gebliebenen Gebiete und derer, die zum Protestantismus übergetreten sind, folgt nämlich eine sehr komplexe konfessionelle Landkarte: obwohl sie größtenteils ab dem 16. Jahrhundert festgelegt wurden, sind die Grundzüge zahlreichen politischen Umwälzungen zum Trotz bis heute gegenwärtig.
Die katholischen Gebiete sind in der Mehrzahl
Im 16. Jahrhundert herrschte das Haus Habsburg über zwei Drittel des Oberrheins und im Norden über die Gegend um Hagenau. Die Besitztümer der Herzöge von Lothringen reichten bis ins Elsass.
Außerdem bedeckten kirchliche Gebiete weite Teile des Elsass. Das Bistum von Straßburg war das bedeutendste, es umfasste nämlich ein Gebiet, das im Süden bis Schlettstadt reichte, im Westen und Norden bis Zabern, das heißt die Hälfte des Niederrheins und einen Teil des Oberrheins umfasste.
Wegen seines Reichtums wollten zahlreiche Fürstenfamilien des Reiches das Bistum für einen der Ihren bewahren, besonders das Haus Bayern im 15. Jahrhundert, dann das Haus Honstein zur Zeit der Reformation. Auch andere Gebiete waren kirchliche Besitztümer: im Norden das Bistum Speyer und im Süden das Bistum Basel.
Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg herrschte das Haus Habsburg noch über den Großteil des Elsass.
Die Gebiete, die protestantisch werden
- Straßburg
Die Stadt Straßburg, die sich schon im 13. Jahrhundert von der bischöflichen Vormundschaft befreite, erkannte als Freistadt keine andere Autorität an als die des Heiligen Römischen Reiches, zu dessen Reichstagen sie ihre Abgesandten schickte.
Ab 1517 haben die Straßburger Buchdrucker die Schriften Luthers verbreitet: sie breiteten sich schnell aus unter Beteiligung starker Persönlichkeiten wie Zell, Bucer, Capiton und dank der entschiedenen Unterstützung der Bevölkerung. Um das Jahr 1525 ist Straßburg für das Luthertum gewonnen. Es empfängt Calvin 1538: dieser lässt sich von den neuen Gottesdienstordnungen der Straßburger Kirche inspirieren, besonders von dem Gebrauch der Psalmen, und schafft die ersten französischen Gottesdienste für den Kern der hugenottischen Flüchtlinge.
Im Jahre 1566 hatte die Stadt ihr Gebiet durch den Kauf der Lehensherrschaft von Barr erweitert und ihre Verantwortungsträger hofften, dass sich das Gebiet des Straßburger Bistums auch der Reformation öffnen könnte: ohne Erfolg, denn die Beziehungen zwischen Katholiken und Protestanten blieben nach einer relativen Friedenszeit angespannt.
Angeregt vom Straßburger Beispiel sind mehrere mittelgroße oder kleinere Gebiete mehrheitlich zum Protestantismus übergetreten.
- Im Nieder-Elsass
Die Grafschaft Hanau-Lichtenberg umfasste etwa hundert im ganzen südlichen Elsass verstreute Ortschaften in einer vom Dreißigjährigen Krieg (12618-1648) besonders verwüsteten Gegend.
Die Pfälzer Ländereien: einige Gebiete waren von den verschiedenen Zweigen des Pfälzer Hauses abhängig, die je nach der Wahl ihrer Herrschaften zwischen Luthertum und Calvinismus schwankten wie z. B. in Bischweiler. Kleeburg und Oberseebach tendierten zum Calvinismus wie auch die Lehensherrschaft von La Roche. Der bedeutendste Besitz des Pfälzer Hauses im Elsass war die Grafschaft von Lützelstein.
Zahlreiche kleinere Gebiete, zum Teil zwei bis drei Dörfer, die theoretisch vom Reich abhingen, gingen zur Reformation über, oft auf Anregung ihrer Bewohner: die Grafschaft von Saarwerder und die „sieben protestantischen Dörfer“.
Die Gebiete, die von folgenden Freistädten abhängig waren: Hagenau, Obernai, Schlettstadt.
- Im von den Habsburgern beherrschten Oberelsass
Das Haus Württemberg hatte Besitztümer im Oberrhein, insbesondere das Lehen von Riquewihr und die Grafschaft Horburg.
Die Gebiete, die von folgenden Freistädten abhängig waren: Münster, Colmar.
Mülhausen: schon Ende des 13. Jahrhunderts hatte Mülhausen die Rechte einer Freistadt im Reich errungen und sich von der Kuratel der Bischöfe von Straßburg und Basel befreit. Da die Stadt von den Ländereien des Hauses Habsburg umgeben war, hatte Mülhausen die Schweizer um Unterstützung ersucht und 1515 war die Stadt der Schweizerischen Eidgenossenschaft beigetreten. Die Einführung der Reformation folgte dem Baseler Beispiel. So wurde Mülhausen 1529 reformiert und blieb es bis zu seinem Anschluss an Frankreich im Jahre 1798.
Die Entwicklung der protestantischen Gemeinde im Elsass
Der Westfälische Frieden (1648), dann die Kapitulation Straßburgs (1681) machen aus dem Elsass ein französisches Territorium, aber die elsässischen Protestanten behalten ihre religiösen Rechte bei.
Die Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 (das Edikt von 1598 hatte das elsässische Gebiet nicht betroffen, da dieses zu jenem Zeitpunkt nicht Teil des französischen Reiches war) führt zu einer Zwangspolitik, die aber nicht so bedeutend war wie in den anderen französischen Regionen.
Viele Kirchen dienen gleichzeitig den Katholiken und den Protestanten: diese Gleichzeitigkeit ist eine Besonderheit der elsässischen Erinnerungsorte.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts werden die Kirchen im Elsass vom Konkordat bestimmt und von den von Bonaparte unterschriebenen „organischen Artikeln“, und zwar bis zur deutschen Annexion 1871. Vor dem Zweiten Weltkrieg existiert also ein richtiggehendes lokales Recht für das Elsass und das Departement Moselle. Es entstand sowohl aus den französischen Gesetzen von vor 1870, die von der deutschen Verwaltung nicht außer Kraft gesetzt worden waren, als auch aus den vom deutschen Reich zwischen 1871 und 1918 erlassenen Gesetzen, als auch aus den Anordnungen von den damaligen lokalen Verwaltungen und schließlich aus den französischen Gesetzen nach 1918, die für die drei Departements Anwendung fanden und von dem Gesetz vom 1. Juni 1924 beibehalten wurden. Zusätzlich zu der sehr wichtigen Tatsache, dass das Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche die drei Departements nicht betrifft, erklärt das Gesetz vom 1. Juni 1924, dass die vier anerkannten Glaubensrichtungen (die katholischen Diözesen Straßburg und Metz, die Kirche des Augsburger Bekenntnisses von Elsass und Lothringen, die Reformierte Kirche von Elsass und Lothringen, die israelitischen Konsistorien von Straßburg, Colmar und Metz) private und autonome Einrichtungen sind, die eine Tätigkeit von allgemeinem Interesse ausüben. Sie sind im Rahmen des öffentlichen Rechts organisiert und werden vom Staat und von den Gemeinden finanziert.
Die öffentlichen Grundschulen sind neutral ebenso wie die weiterführenden Schulen, wobei die religiöse Unterweisung mit einer Stunde pro Woche zu den Schulprogrammen gehört.
Heute besteht die protestantische Gemeinde im Elsass aus 230.000 Lutheranern, hauptsächlich im Niederrhein, die der Kirche des Augsburger Bekenntnisses angegliedert sind (E.C.A.A.L), und aus 50.000 Reformierten, mehrheitlich im Oberrhein, die zur Reformierten Kirche von Elsass-Lothringen gehören (E.R.A.L.). Eine Annäherung dieser beiden Kirchen ist heute im Rahmen der Protestantischen Kirche von Elsass-Moselle verwirklicht.
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Der Protestantismus im Elsass
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