Die Kontroversen in der Predigt
Die Kontroverse zwischen Protestanten und Katholiken ist zunächst einmal in der Predigt gegenwärtig. Bei katholischen Rückeroberungskampagnen in den protestantischen Gebieten führen die Mönche (z.B. Kapuziner) den Angriff, indem sie die „angeblich reformierte Religion“ („religion prétendue réformée“, kurz R.P.R.) kritisieren oder lächerlich machen. Mit diesen Mitteln versuchen sie, die Katholiken bei ihrem Glauben zu halten und die Protestanten zum Übertritt zu bewegen.
In ihren Predigten antworten die reformierten Pfarrer natürlich auf diese Attacken, indem sie die Positionen der Reformierten verteidigen und die Irrlehren der römisch-katholischen Religion anprangern.
So schreibt der Pfarrer von Charenton, Charles Drelincourt, ein Avertissement sur les disputes, wobei es sich natürlich um die Dispute mit den Katholiken handelt.
Die Kontroversenliteratur
Ein Teil dieser Predigten wird gedruckt und verbreitet. Dazu kommt noch die schriftliche Kontroverse, in der katholische und protestantische Theologen einander gegenseitig widerlegen. Diese reiche Kontroversenliteratur hat großen Erfolg, was sich an den mehr als 7 000 Werken zu Kontroversen ablesen lässt, die im 17. Jahrhundert bis zur Aufhebung des Edikts von Nantes veröffentlicht werden. Die katholischen Werke werden in den großen Städten, wie Paris, Lyon, Rouen, Bordeaux, Toulon verlegt.
Reformierte Schriften dürfen nur in den Orten der Religionsausübung verlegt werden und sind somit in den wichtigsten Städten, allen voran Paris, nicht anzutreffen. Die Druckerpressen der Hugenotten befinden sich hauptsächlich in Sedan, Charenton, Saumur und La Rochelle, aber auch in Genf oder in Rotterdam und Amsterdam. Außerdem besteht ständig die Gefahr eines gerichtlichen Vorgehens gegen protestantische Werke, was die protestantische Literatur noch weiter behindert.
Die Hauptakteure der Kontroverse
Meistens kommt der Angriff von den Katholiken. Ordensangehörige, im Wesentlichen Jesuiten, aber auch Kapuziner und Franziskaner, nehmen die Kontroverse auf.
Der Schreibfreudigste ist der Jesuit François Véron, dem sein Orden erlaubt, sich ganz der Kontroverse zu widmen. Auch Bossuet beteiligt sich aktiv an der Kontroverse.
Von 1669 an, nachdem sie die Gunst des Königs wieder erlangt haben, ergreifen auch die Jansenisten von Port-Royal das Wort. Der Kampf gegen die Anhänger der vorgeblich reformierten Religion (RPR) bietet ihnen Gelegenheit zu beweisen, dass sie orthodoxe Katholiken sind. Arnauld und Nicole sind die wichtigsten Verfechter.
Auf protestantischer Seite kommt die Antwort von Pfarrern und Theologieprofessoren. In der vorderen Reihe stehen mehrere Pfarrer von Charenton : Pierre du Moulin, bei dem sich Gelehrsamkeit, Gewandtheit und Humor miteinander verbinden, Jean Daillé, Jean Claude, der in der Kontroverse mit Port-Royal hervortritt. Man kann auch Jean Gigord von der Akademie Montpellier und Daniel Chamier von der Akademie Montauban nennen. Übrigens befasst sich die ganze Akademie Montauban mit der Kontroverse. Die Studienordnung der Akademie bestimmt, dass der theologische Unterricht „die künftigen Amtsträger für die Kontroverse in puncto Doktrin ausbilden und wappnen“ muss.
Die Themen der Kontroverse
Eigenartigerweise ist das Thema der Gnade und der Rechtfertigung durch den Glauben in der Kontroverse des 17. Jahrhunderts nicht anzutreffen, nachdem es im 16. Jahrhundert im Zentrum der Debatte gestanden hat. Im 17. Jahrhundert stehen Kirchenverständnis und Eucharistie im Vordergrund, es sind jedoch auch traditionelle Themen wie Messe, Bilder, Fegefeuer, Marienkult, Reliquien usw. anzutreffen.
1631 lässt der Beschluss der reformierten Nationalsynode, Lutheraner, die darum ersuchen, am Abendmahl teilnehmen zu lassen, die Polemik um die Eucharistie wieder aufleben. Die Katholiken nutzen diesen Akt der Einheit mit den Lutheranern als Argument, um die Kluft zur katholischen Doktrin zu schmälern. Darauf antwortet Pfarrer Jean Daillé, dieser Akt der Einheit sei ein Akt christlicher Liebe gegenüber den Lutheranern, der zu keiner Änderung der Doktrin führe.
Die Jansenisten, gefolgt von Bossuet, stellen die „Zeitlosigkeit“ der katholischen Kirche der „Veränderlichkeit“ der Lehrmeinungen der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen gegenüber. Der Pfarrer Jean Claude setzt sich die Aufgabe zu zeigen, dass sich die katholische Lehre im Laufe der Jahrhunderte sehr wohl geändert hat, dass z.B. die Kirchenväter nicht an die Transsubstantiation glaubten, dass dies eine neue, im 10. Jahrhundert „erfundene“ Lehre sei. Er verteidigt sodann die Notwendigkeit der Reformation gegen den beklagenswerten Zustand der Kirche im 16. Jahrhundert.
Die Polemik über die Eucharistie und das Kirchenverständnis verdeckt die zwischen Charenton und Port-Royal bestehende Doktrinnähe in den Fragen der Gnade und der Prädestination.
Die Ergebnisse der Kontroverse
Sollte das Ziel der Kontroverse die Bekehrung sein, so ist sie gescheitert.
Sie hatte jedoch vor allem interne Auswirkungen. Indem sie die Positionen der verschiedenen Kirchen vertiefte und legitimierte, hat sie zu einer Stärkung der jeweiligen Identität beigetragen.
Die Kontroverse hatte auch unvorhergesehene Wirkungen, nämlich eine beträchtliche Entwicklung der Bibelkritik und der historischen Kritik, da bei den Debatten hauptsächlich auf Bibel und Tradition, und damit auf die Geschichte, Bezug genommen wurde. Dadurch, dass sie die gleichen methodologischen Regeln anwandten, haben die Teilnehmer der Kontroverse letztendlich eine intellektuelle Diskursgemeinschaft geschaffen, die zu dem geistigen Wandel am Ende des 17. Jahrhunderts beigetragen hat.
Mit der Aufhebung des Edikts von Nantes beginnt eine neue Ära für die Kontroverse, die jetzt mit den Protestanten im Exil geführt wird. Auf reformierter Seite sind die Galionsfiguren der Pfarrer Pierre Jurieu und der Philosoph Pierre Bayle.