Die Kirchlichen Verordnungen (1541)
In den Kirchlichen Verordnungen bestimmt Calvin die Organisation der Kirche und das Verhältnis der Reformierten Kirche von Genf zur politischen Macht.
Die Organisation der Kirche
Die Kirchlichen Verordnungen führen vier Kirchenämter ein :
- die Pastoren : sie predigen das Wort Gottes und spenden die Sakramente. Sie üben jedoch keinerlei Rechtsgewalt aus : sie leisten den Eid auf die Verfassung des Stadtstaates und verpflichten sich dadurch, in ihrer Gemeinde den Gehorsam gegenüber der Genfer Regierung aufrecht zu erhalten ;
- die Doktoren : sie lehren die christlichen Glaubenssätze ;
- die Ältesten : sie überwachen die Sittlichkeit der Gläubigen. Sie sind Laien (haben keine geistlichen Weihen erhalten) und werden von den Genfer Ratsgremien ernannt ;
- die Diakone : sie kümmern sich um die Armen und die Kranken.
Die Kirchlichen Verordnungen richten zwei kirchliche Körperschaften ein : die Pastorenversammlung (Compagnie des pasteurs) und das Konsistorium.
Die Pastorenversammlung tritt wöchentlich zusammen und stellt die Einigkeit der Pastoren in der Glaubenslehre sicher. Sie prüft auch die Bewerbungen neuer Anwärter auf das Pastorenamt.
Das Konsistorium vereinigt Pastoren und Älteste (die dort in der Mehrheit sind). Es verfolgt den „Aberglauben“, das heißt jegliche katholische Lebensäußerung, und prangert unsittliches Verhalten der Gemeindeglieder an.
Die Trennung der Gewalten
In Genf ist es niemals zur Errichtung einer Theokratie (Herrschaftsform, bei der die Staatsgewalt allein religiös begründet, der Staat der Kirche absolut untergeordnet ist) gekommen ; Calvin hat ein solches Ziel auch niemals angestrebt. Er hat sich vielmehr gegen die staatliche Kontrolle der Kirche zur Wehr setzen müssen.
Bei seiner Rückkehr nach Genf erarbeitet er 1541 die Kirchlichen Verordnungen, die daraufhin mit den städtischen Ratsgremien abgestimmt werden. Er nimmt hier eine klare Unterscheidung zwischen der kirchlichen und der politischen Gewalt vor. Es handelt sich hierbei um keine Vorform der Trennung von Kirche und Staat, sondern um eine gegenseitige Ergänzung beider Einrichtungen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben.
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen zwischen der Obrigkeit (als staatlicher Autorität) und der Pastorenversammlung stand das Problem der Exkommunikation (Verbot, am Abendmahl teilzunehmen, d.h. Ausschluss aus der Gemeinschaft der Gläubigen). Ist die Exkommunikation eine kirchlich-religiöse oder eine staatlich-rechtliche Maßnahme ?
Calvin sprach sich für die erste Annahme aus. Die städtischen Ratsgremien wollten sich dagegen das Recht nicht nehmen lassen, die Exkommunikation auszusprechen. Die Pastorenversammlung musste ihre ganze Überzeugungskraft aufbringen, um in dieser Frage schließlich den Sieg davonzutragen.
Die politische Autorität behält dagegen das Recht, die Ernennung von Pastoren nach deren Kooptation (Hinzuwahl neuer Mitglieder in eine Körperschaft durch die dieser Köperschaft bereits angehörenden Mitglieder) vorzunehmen und unwürdige Pastoren auf Verlangen der Pastorenversammlung aus ihrem Amt zu entfernen.
Die Macht des Konsistoriums wird dadurch beschränkt, dass sich jedermann unter Umgehung der Kirche über zahlreiche Instanzen direkt an die Obrigkeit wenden kann.
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