Das Zweite Kaiserreich
Die Haltung der Protestanten gegenüber Louis-Napoleon und dem Zweiten Kaiserreich ist zwiespältig. Insgesamt erscheint das Regime als zu autoritär und klerikal, zumindest in den ersten Jahren. Dagegen hat es die mit der Konsistorialordnung verbundenen Zwänge, die die Verwaltung der protestantischen Gemeinden behinderten, gelockert.
Anhänger und Gegner
Louis-Napoléon und dem Zweiten Kaiserreich gegenüber war die Haltung der Protestanten zwiespältig, denn dieser Bonapartismus hatte sowohl eine revolutionäre als auch eine konservative Seite. Für manche (Westen und Südwesten) steht der Bonapartismus für Antiklerikalismus und Religionsfreiheit, andere wiederum (Südosten) sind der Ansicht, es müsse das sich abzeichnende Bündnis von Thron und Altar bekämpft werden, und hier haben die Protestanten, die sich an den Weißen Terror erinnern, in hohem Maße zur Entstehung des Bildes vom « Midi rouge » (Rotes Südfrankreich) beigetragen, das lange Zeit mit dem Abstimmungsverhalten dieser angestammten Gegend der Hugenotten verbunden war.
Im Großen und Ganzen steht die protestantische Bevölkerung auf dem Land dem Klerikalismus feindlich gegenüber und misstraut der katholischen Aristokratie, die in manchen Gegenden einen geradezu beherrschenden Einfluss auf das soziale Leben auf dem Land ausübt. Auch dem hugenottischen Bürgertum ist das Regime immer noch zu autoritär und klerikal, trotz der Ernennung des Lutheraners Haussmann zum Präfekten von Paris und des vom Judentum zum Protestantismus übergetretenen Achille Fould zum Finanzminister.
Während die katholische Geistlichkeit dem politischen Liberalismus, der 1864 vom Vatikan verurteilt wurde (Encyclique Quanta cura et Syllabus), feindlich gegenübersteht, sind die Protestanten „Orleanisten“ geblieben und folglich liberal eingestellt.
Im Verlauf des Zweiten Kaiserreichs wird die Konsistorialordnung der protestantischen Kirche jedoch etwas gelockert, während die Italienpolitik Napoleons III., die die weltliche Macht des Papstes destabilisiert, auf katholischer Seite zur Versteifung führt. Zudem geht die Staatsmacht oft mit Geschick vor, indem sie bei anstehenden Wahlen dort, wo es einen bedeutenden hugenottischen Bevölkerungsanteil gibt, Kandidaten aufstellt, die der Reformierten Kirche angehören. So erklärt sich denn auch die Tatsache, dass die Protestanten 1869 bei den in einem ausgesprochenen freiheitlichen Klima stattfindenden Wahlen zur gesetzgebenden Versammlung vorwiegend die neu konstituierte republikanische Partei wählen, mehr aus Antiklerikalismus und dem Bestreben, ihre Gemeinschaft zu verteidigen, als aufgrund einer linken Einstellung.
In dieser Zeit gehen manche Protestanten in das Lager der aktiven Republikaner über, z. B. Jean-Jules Clamageran und Edmond Scherer. Ferdinand Buisson hält sich damals in der Schweiz auf.
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