Die Annexion durch das Dritte Reich
Nach dem Waffenstillstand – in dem das Elsass nicht erwähnt wird – wird das Elsass durch das Dritte Reich annektiert. Der Gauleiter, R. Wagner, der als Leiter der Zivilverwaltung unmittelbar Hitler untersteht, erweist sich als besonders brutal und verbreitet Terror. Die Verwaltungsorganisation entspricht der deutschen, und die ehemaligen französischen Beamten sind nach einer Zeit der „Umerziehung“ gezwungen, „aktiv und völlig an der Idee des Führerprinzips teilzunehmen“. Die NSDAP ist seit 1941 offiziell etabliert, und unter Zwang tritt etwa ein Drittel der Bevölkerung einer der Gliederungen der Partei bei. Alles was für Frankreich steht, (Sprache, Bücher, Namen, Vornamen, Grabinschriften, Plakate) wird beseitigt, und die Entfernung der Standbilder Klebers und Rapps von den Plätzen in Straßburg und Colmar empört die Bevölkerung. Rund 50 000 Elsässer werden ausgewiesen.
Die Lage der Kirchen
Der Pfarrer Carl Maurer wird zum Präsidenten der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (Église de la Confession d’Augsbourg) ernannt. Der ehemals internierte Autonomist ist seiner Überzeugung nach pro deutsch, jedoch gegen den Nationalsozialismus eingestellt. Seine Haltung ist dann jedoch mehr als zwielichtig, vielleicht um die lutherische Kirche zu verteidigen. Die monatlichen Pfarrertreffen waren Orte, an denen Weisungen im Sinne des Widerstands gegeben werden konnten.
Die Nationalsozialistische Partei weitet ihre christentumsfeindliche Politik aus, hebt die auf dem Konkordat von 1801 beruhende Regelung auf, und die Verwaltung übernimmt nicht mehr die Besoldung von Priestern und Pfarrern. Die Kirchen werden privatrechtliche religiöse Vereinigungen und müssen Steuern entrichten, wobei diese Belastung glücklicherweise durch die Höhe der von den Gläubigen gezahlten Beiträge ausgeglichen wird. Privatschulen werden abgeschafft. Trotz dieser Angriffe ist ein starker Zustrom zu den Gottesdiensten zu verzeichnen, da das Evangelium als eine Botschaft der Freiheit verstanden wird.
Die Katholiken zeigen eine einstimmige Haltung totaler Ablehnung. Ein Teil der alten, vorherrschend ländlichen und lutherischen Autonomisten und Separatisten, die das Gefühl haben, Frankreich habe sie erneut im Stich gelassen, stehen der Rückkehr der Deutschen zunächst eher positiv gegenüber, aber mit Ausnahme einer Minderheit von Kollaborateuren geht die protestantische Gemeinschaft bereits im Januar 1941 in die Opposition.
Einberufung, Terror und Widerstand
Ab 1942 führen die Zwangseinberufung zur Wehrmacht und die Abstellung von Elsässern an die russische Front (die „Malgré Nous“) zu zahlreichen Desertionen und Ausbrüchen. Vom 6. Juni 1944 an werden manche zum Kampf gegen die alliierten Truppen in die Normandie geschickt. Es wird geschätzt, dass von den 130 000 eingezogenen Elsässern 32 000 gefallen, 10 500 vermisst sind und 32 000 verwundet wurden.
Im Elsass herrscht der Terror. Das Schreckenslager Schirmeck ist gleichbedeutend mit Folter, und das Konzentrationslager Struthof steht in einer Reihe mit den anderen Todeslagern.
Der Widerstand organisiert sich, zunächst passiv, dann indem er bei Ausbrüchen hilft und schließlich mit der Waffe. Die Gesamtzahl der Verluste an Menschenleben in der elsässischen Bevölkerung wird auf 50 000 geschätzt, was proportional gesehen das Dreifache der Verluste in Innerfrankreich darstellt.
„Das Elsass war die französische Region, die am meisten geschunden wurde. Es litt unter ständigem Terror und wirtschaftlicher Ausplünderung, es diente als Kanonenfutter für eine fremde Sache“ („L’Alsace a été la région française la plus martyrisée. Soumise à une terreur permanente et au pillage économique, elle a servi de chair à canon pour une cause étrangère“). (B. Vogler)