Das Edikt von Fontainebleau oder die Revokation (1685)
Im Oktober 1685 unterzeichnet Ludwig XIV. das Edikt von Fontainebleau, welches das Edikt von Nantes widerruft. Es verbietet jegliche Ausübung des reformierten Glaubens und die Auswanderung der Protestanten. Die Pastoren werden des Landes verwiesen.
Der Hintergrund
Ab 1661 zerstört Ludwig XIV. Stück für Stück das Edikt von Nantes, das 1598 von Heinrich IV. unterzeichnet wurde. Er verbietet den reformierten Protestanten allmählich die meisten Berufe und lässt ihre Tempel nach und nach abreißen. Im Oktober 1685 sind nur noch etwa 20 reformierte Tempel geöffnet.
Der Einsatz von Gewalt (ab 1681 im Poitou) zwingt die Protestanten zur Abschwörung ihres Glaubens. Die Greuel der Dragonaden, die ab Mai 1685 den Béarn, dann den Languedoc, Dauphiné, Aunis, Saintoge und Poitou heimsuchen, versetzen die Protestanten in Angst und Schrecken. Sie bekehren sich in Massen. Triumphmeldungen erreichen den Hof : Frankreich ist wieder fast ganz katholisch geworden.
Am 18. Oktober 1685 unterzeichnet Ludwig XIV. das Edikt von Fontainebleau, welches das Edikt von Nantes widerruft.
Die Präambel des Edikts
In einer langen Präambel unterstellt Ludwig XIV. seinem Großvater Heinrich IV. die Absicht, die Protestanten wieder der katholischen Kirche zuzuführen ; das Edikt von Nantes (1598) und das Edikt von Nîmes (Frieden von Alès, 1629) seien demnach nur gewährt worden, um die Gemüter zu beruhigen.
Der vorzeitige Tod Heinrichs IV., dann die zahlreichen Kriege mit den europäischen Nachbarn hätten die Umsetzung dieses Wiedereingliederungsprojekts zeitweise behindert. Jetzt aber, da der Friede endlich zurückgekehrt sei (Waffenstillstand von Regensburg, 1684), bemühe sich Ludwig XIV., es endlich zu verwirklichen. Und da « der beste und größte Teil der Untertanen der vorgeblich reformierten Religion‘ (RPR) zur katholischen Religion übergetreten ist, wird das Edikt von Nantes überflüssig » [« puisque la meilleure et la plus grande partie des sujets de la religion prétendue réformée se sont convertis à la religion catholique, l’édit de Nantes est devenu inutile »].
Der Inhalt des Edikts
Das Edikt enthält 12 Artikel :
1 : Widerrufung des Edikts von Nantes (1598) von Heinrich IV. und des Edikts von Nîmes (1629) von Ludwig XIII. sowie Schließung aller noch bestehenden reformierten Kultstätten.
2 und 3 : Verbot, die vorgeblich reformierte Religion (RPR) auszuüben, Adelige eingeschlossen.
4 : Landesverweis innerhalb von zwei Wochen von Pastoren, die nicht konvertieren wollen.
5 und 6 : Anreize für die Pastoren, sich zu bekehren : Lebensrente und Möglichkeit, auf juristische Berufe auszuweichen.
7 : Verbot protestantischer Schulen.
8 : Verpflichtung der Reformierten, ihre Kinder in der katholischen Religion taufen und erziehen zu lassen.
9 : Beschlagnahmung der Güter der Reformierten, die bereits ins Ausland gegangen sind, es sei denn, sie kehren innerhalb eines Monats zurück.
10 : Verbot der Auswanderung unter Androhung der Galeerenstrafe für die Männer und von Gefängnis für die Frauen.
11 : Bestrafung der Rückfälligen, das heißt der ‚Neukonvertierten‘, die zum Protestantismus zurückkehren.
12 : Erlaubnis für diejenigen, die sich noch nicht bekehrt haben, unbehelligt in Frankreich zu leben, sofern sie die oben angeführten Verhaltensregeln beachten.
Verletzung der Gewissensfreiheit
Der letzte Artikel des Edikts von Fontainebleau ließ den Reformierten scheinbar die Gewissensfreiheit (wenn auch nicht die der Religionsfreiheit). In der Tat wurde dieser Artikel aber niemals befolgt. Viele Protestanten wurden einfach eingekerkert, weil sie es abgelehnten, ihren Glauben abzuschwören. Hinzu kommt, dass die Dragonaden im Norden der Loire noch lange nach dem Edikt von Fontainebleau stattfanden, um diejenigen Protestanten mit Gewalt katholisch zu machen, die es noch nicht waren.
Das Verbot der Auswanderung ist einzigartig im europäischen Recht des 17. Jahrhunderts. Das Edikt von Fontainebleau zwingt nämlich die Dissidenten (mehrere Hunderttausende), zum Glauben des Königs überzutreten, ohne ihnen zumindest die Freiheit zu gewähren, das Staatsgebiet zu verlassen.
Die königlichen Deklarationen nach dem Edikt
Zahlreiche königliche Deklarationen verstärken oder verdeutlichen schließlich den Wortlaut des Edikts bis zum Ende der Regierung Ludwigs XIV.
Der Personenstand wirf ein Problem auf, da auch bei den Reformierten die Tauf-, Ehe- und Sterberegister von den Pastoren geführt wurden. Wie soll man mangels Pastoren den Tod von jenen festhalten, die nicht abgeschworen haben ? Angesichts dieser juristischen Lücke macht Ludwig XIV. es ab Dezember 1695 möglich, dass der Todesfall bei den zivilen Behörden registriert werden kann.
Kurz vor dem Tod lehnen viele Neukonvertierte das katholische Sakrament der letzten Ölung ab und erklären, dass sie im reformierten Glauben sterben wollen. Um das zu verhindern, verkündet Ludwig XIV. im April 1686, dass die Männer mit der Galeerenstrafe und die Frauen mit Gefängnis belegt werden, wenn sie nach der Ablehnung der letzten Ölung wieder gesund werden. Im Todesfall wird die Leiche durch die Straßen geschleift und auf den Müll geworfen. Aber schon 1687 lässt der König seinen Intendanten befehlen, diese Maßnahme nur noch ausnahmsweise anzuwenden.
Eine Deklaration vom 13. Dezember 1698 führt zu einer strengeren Überwachung der Neukonvertierten, indem sie folgendes anordnet :
- Der Besuch der Messe und die Ausübung katholischer Pflichten gelten auch für Adlige und Honoratioren.
- Die Verpflichtung, in der Kirche zu heiraten und seine Kinder einen Tag nach ihrer Geburt taufen zu lassen.
- Die Verpflichtung, sich vom Gemeindepfarrer ein katholisches Führungszeugnis ausstellen zu lassen, das man besitzen muß, falls man ein juristische Amt anstrebt oder ein Jura- oder Medizinstudium aufnehmen will.
Diese Deklaration ordnete auch an, in den Gemeinden Grundschulen einzurichten, besonders für die Kinder der Neukonvertierten : wenn schon die Bekehrung der Erwachsenen Schwierigkeiten bereitet, so sollen wenigstens die Kinder durch den Katechismusunterricht und eine katholische Erziehung gewonnen werden.
1699 wird das Verbot der Auswanderung von Reformierten und Neukonvertierten bekräftigt.
Verwirrung in den protestantischen Gemeinden
Bei jenen, die ohne Tempel, ohne Schulen und ohne Pastoren in Frankreich geblieben sind, ist die Verwirrung groß. Die Religion regelte das alltägliche Leben der Protestanten. Einige lesen diesen Zusammenbruch aus dem biblischen Buch der Offenbarung heraus.
Die brutale und massenhafte Abschwörung unter dem Druck der Dragoner oder der Drohung, die Kinder ihren Eltern wegzunehmen, hat besonders in den sehr protestantischen Gebieten ein starkes Gefühl von kollektiver Schuld erzeugt.
Die Protestanten, die sich gegen ihren Willen haben bekehren lassen, führen fortan ein Doppelleben : sie nehmen in der Öffentlichkeit ein paar katholische Übungen vor, bleiben ihrem Glauben aber innerlich treu und lesen im Kreise der Familie die reformierte Bibel und singen die Psalmen.
Die Vermittlung des reformierten Glaubens an ihre Kinder ist sehr schwierig, da man diese zum katholischen Katechismus und in die katholischen Schulen schicken muß : wenn sie abends wieder nach Hause kommen, werden die Dinge von ihren Eltern wieder zurecht gerückt.
Hohe Geldbußen treffen jene, die ihrem reformierten Glauben weiterhin anhängen und die katholischen Riten mit zu wenig Eifer ausüben.
Angesichts so großen Unglücks fragen sich manche Protestanten : sind die Dragonaden, die Zerstörung der Tempel und das Exil der Pastoren nicht vielleicht doch Zeichen dafür, dass Gott sein Volk für seine Sünden bestraft ?
Bibliographie
- Bücher
- CARBONNIER-BURKARD Marianne et CABANEL Patrick, Une histoire des protestants en France, Desclée de Brouwer, Paris, 1998
- LÉONARD Émile Guilaume, Histoire générale du protestantisme, PUF, Paris, 1964, Volume 3
- WOLFF Philippe (dir.), Histoire des Protestants en France de la Réforme à la Révolution, Privat, Toulouse, 2001
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