Widerstand und Befreiung
Während die Protestanten sich frühzeitig und zahlreich gegen die vom Vichy-Regime getroffenen Maßnahmen erhoben und bei der humanitären Hilfe eine Vorreiterrolle spielten (Cimade), taten sie sich bei der Entscheidung für ein Engagement im bewaffneten Widerstand schwerer.
Ein Engagement im zivilen Widerstand
Vielleicht erklären ihr traditioneller, alle Gewalt ablehnender Pazifismus und die in der Zwischenkriegszeit bestehende Strömung, die für die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen eintrat, dass ihre Beteiligung am militärischen Widerstand verhältnismäßig gering war. Von einigen Widerstandsnestern in den Cevennen und im Tarn-Gebiet abgesehen, gab es eigentlich keinen „protestantischen Maquis“, wo die Gleichsetzung „camisards-maquisards“ (Camisarden-Partisanen) wirklich berechtigt gewesen wäre.
Es handelt sich hauptsächlich um einen zivilen, geistigen Widerstand gegen das Vichy-Regime. So gab es zahlreiche „Netze“, mit René Courtin, dem Mitbegründer des Widerstandsnetzes Liberté (1940), Bertie Albrecht (und Henri Frenay) bei Combat, Jean Cavaillès und André Philip bei Libération-Sud. Letzterer (der im Juli 40 das Ermächtigungsgesetz für Pétain abgelehnt hatte) schloss sich im Juli 1942 de Gaulle an.
Das Comité Général d'Études
So sind in den verschiedenen groupes d’études (Studiengruppen), die im Februar 1943 zur Gründung des Comité Général d’Études (C.G.E.) (Allgemeines Studienkomitee) führen, zahlreiche Protestanten aus Universität und Beamtenschaft anzutreffen, welche über die rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Probleme nachdenken, die sich bei der Befreiung stellen werden. Dabei ist die Rolle von René Courtin hervorzuheben, einem Gegner der Beschwichtigungspolitik von München und aktives Mitglied der „Fédé“, Professor für politische Ökonomie in Montpellier, der zahlreiche Intellektuelle um sich schart und die Widerstandsgruppe „Liberté“ gründet.
Dieses Comité Général d’Études, aus dem in der Folgezeit die provisorische Institution der Comités de Libération (Befreiungskomitees) hervorgehen sollte, wurde von André Philip (inzwischen Kommissar für Innere Angelegenheiten in London) stark unterstützt. Seit seiner Mission in den U.S.A. bei Roosevelt wusste er, dass die Amerikaner eine amerikanische Militärverwaltung für die befreiten französischen Gebiete zusammenstellten. Gegen diese Bedrohung der französischen Souveränität mussten effiziente Institutionen aufgebaut werden, um zu verhindern, dass beim Abzug der deutschen Truppen verwaltungsmäßig ein leerer Raum entstand (daher zum Teil die Feindseligkeit, auf die er bei Roosevelt stieß).
Vom C.G.E. zur Provisorischen Regierung
Mehrere Monate vor der Landung der Alliierten erhielt eine von der Provisorischen Regierung bestellte Délégation générale en France (Generaldirektion in Frankreich) den Auftrag, zusammen mit dem C.G.E. die Listen der künftigen Verantwortlichen für die Schlüsselämter der Regierung zu erstellen. Der „Délégué général“ war ein Protestant, Émile Laffon. „Man kann sagen, dass die Protestanten mit André Philip, René Courtin, Emile Laffon, Francis Leenhardt, der mit der Einsetzung der „Comités de libération“ in der Südzone beauftragt war, in der Vorbereitungsphase der Befreiung ansehnlich vertreten waren“ („Avec André Philip, René Courtin, Emile Laffon, Francis Leenhardt chargé de l’installation des Comités de libération en zone Sud, on peut dire que les protestants étaient bien représentés dans la phase préparatoire à la Libération„) (P.Cabanel). Der Protestant François Coulet, ehemaliger Adjutant General de Gaulles, Commissaire de la République für die Normandie, befand sich an der Seite de Gaulles bei dessen Einzug in die Unterpräfektur von Bayeux) ; für Marseille wurde der Lutheraner Paul Haag ernannt und weitere, mit dem Protestantismus mehr oder weniger eng verbundene Persönlichkeiten (wie Jacques Soustelle, Leiter der Services spéciaux (Geheimdienst) der Provisorischen Regierung und im Mai 1945 Informationsminister) hatten wichtige Posten inne. Zahlreiche Pfarrer waren Mitglieder der Comités de Libération.
Die Reaktionen auf die Säuberung
Die Protestanten, die sich früher als andere in der Widerstandsbewegung und der Hilfe für die Juden engagiert hatten und die in der Umgebung de Gaulles zahlreich anzutreffen waren, nahmen auch an der Säuberung teil. Marc Boegner wendet sich jedoch bereits im Herbst 1944 gegen deren Auswüchse, und Pfarrer Finet kritisiert in der Zeitung Réforme die Lebensbedingungen der deutschen Gefangenen in den französischen Lagern.
Viele Pfarrer, die der Widerstandsbewegung angehört hatten, setzten sich ein für eine weniger übereilte Justiz und wandten sich insbesondere gegen die summarischen, manchmal öffentlich durchgeführten Hinrichtungen. In Montauban trat Pfarrer Jordan an die Seite des katholischen Bischofs Pierre Marie Théas, einer herausragenden Persönlichkeit des Widerstands, der erklärte : „Die Leute der Gestapo sind abgezogen, aber in manchen Kreisen bestehen die Sitten der Gestapo fort“ („les hommes de la Gestapo sont partis ; les mœurs de la Gestapo sont restées en certains milieux).
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