Das Leben unter der deutschen Besatzung während des Ersten Weltkrieges
Im Verlauf des Ersten Weltkrieges befinden sich die französischen Protestanten im Norden und im Osten in einer besonderen Lage: sie stehen dem deutschen Angreifer gegenüber, den sie durch religiöse und oft familiäre Bande gut kennen. Das Leben unter der deutschen Besatzung gestaltet sich äußerst schwierig.
Die Protestanten in den besetzten Zonen
Ab September-Oktober 1914 greifen die deutschen Truppen den Nordosten Frankreichs an: sie besetzen 10 Departements teilweise oder ganz, vom Departement Nord-Pas-de-Calais bis zu den Vogesen.
Das Leben unter der deutschen Militärverwaltung ist hart: die deutschen Anordnungen sind streng, sie verbieten zum Beispiel bei Todesstrafe den Kontakt mit den freien Zonen wie mit den besetzten Städten. Die Bewohner unterstehen einer strengen Überwachung durch die Machthaber: für jede Reise müssen sie eine Genehmigung einholen.
Das religiöse Leben ist gestört: die zerstreuten Gemeindeglieder können nur sehr selten den Gottesdienst besuchen; die Beerdigungen dürfen nur in Gegenwart von deutschen Soldaten stattfinden; Versammlungen in der Kirche außerhalb der Gottesdienste sind verboten.
Die Laien nehmen einen aktiveren Anteil am religiösen Leben: im Jahre 1915 werden in Lille „Laiengottesdienste“ in Abwesenheit eines Pastors eingeführt. Ein Wiederaufleben patriotischer Gefühle bewegt die französischen Protestanten den familiären und religiösen Banden, die sie mit den Deutschen verbinden können, zum Trotz. Der Krieg begünstigt ebenfalls an einigen Orten Annäherungen zwischen Katholiken und Protestanten.
Mehrere Male während des Konflikts befehlen die deutschen Machthaber eine Verlegung der Bewohner bestimmter Sektoren der besetzten Zone und zerstören meist die protestantischen Gebäude sowie die Wohnungen.
Die Pfarrer in den besetzten Zonen
Die meisten Pastoren sind eingezogen worden, doch eine Minderheit unter ihnen, oft ausgemustert oder zu alt für den Militärdienst, bleibt auf ihrem Posten. Dank des Einschreitens der deutschen Militärseelsorger erhalten die französischen Pastoren die Erlaubnis, sich an ihre Gottesdienstorte zu begeben, aber nur selten in andere Kirchen als die ihre.
Eine gemeinsame Nutzung der Gottesdienstorte mit dem deutschen Besatzer erfolgt. Deutsche Militärseelsorger und Offiziere nehmen meist an französischen Gottesdiensten teil. In mehreren Städten lassen die deutschen Militärseelsorger zu Weihnachten Tannenbäume in den Kirchen aufstellen, feiern aber ihren eigenen Gottesdienst. Zuweilen wird die Kirche vom Besatzer ohne Vorwarnung für ihm eigene Feste wie den Geburtstag des Kaisers mit Beschlag belegt.
Im Juni 1917, als der deutsche Rückzug von 1917 zu einer vollständigen Zerstörung des Rückzugsgebietes führt, erhalten einige Pastoren die Erlaubnis, Hunderte von nicht einziehbaren Männern, Kranken, Frauen und Kindern nach Frankreich zurückzubringen. Das 1915 gegründete Komitee für die überfallenen Regionen nimmt sich der Heimkehrer an.
Der Wiederaufbau der Kirche
Die Protestanten in der besetzten Zone haben ein ähnliches Schicksal erlitten wie der Rest der französischen Bevölkerung. Die Folgen für die reformierten Kirchen sind schrecklich. Menschliche Folgeerscheinungen zunächst: zu den in den Kämpfen gefallenen Soldaten kommen die verschwundenen Zivilisten hinzu und die zahlreichen durch die Evakuierungen entwurzelten Familien. Danach materielle Folgen: die Bevölkerung wie die Gemeinden leiden Not. Die zerstörten Kirchen werden zwischen 1920 und 1925 wieder aufgebaut oder repariert oft Dank der Großzügigkeit ausländischer protestantischer Kirchen. Der geistliche Wiederaufbau beginnt unter dem Anstoß einer neuen Generation von Pfarrern, denen es um die Evangelisierung der Arbeiterwelt geht.
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