Der Unterricht in Boissy-Saint-Léger

Von der École normale protestante de jeunes filles bis zum Cours Bernard Palissy: über 150 Jahre protestantisches Engagement im Dienste der Pädagogik und des Unterrichts. Der Standort, ursprünglich eine Einrichtung zur Ausbildung von Lehrerinnen, beherbergt heute eine gemischte Schule für Mittel- und Oberstufenschüler.

Die SEIPP und die Protestanten

  • Marquis A.F. de Jaucourt
    Marquis A.F. de Jaucourt © S.H.P.F.
  • Baron Jean-Henri Hottinguer (1803-1866)
  • Baronin Jean-Henri Hottinguer, geborene Caroline Delessert © Wikimedia Creative Commons

Seitdem Jean-Henri Hottinguer (1803-1866) und seine Frau das Château du Piple in Boissy-Saint-Léger (Val de Marne) bezogen hatten, engagierten sie sich für das Projekt der SEIPP. Die SEIPP ist die „Gesellschaft zur Förderung der Grundschulbildung unter den Protestanten Frankreichs“ („Société pour l’encouragement de l’instruction primaire parmi les protestants de France“), eine 1829 von François de Jaucourt gegründete Vereinigung zur Förderung der Entwicklung der Schulen und der Ausbildung von protestantischen Lehrern. Damals gab es in Courbevoie ein protestantisches Lehrerseminar, das von Pastor Gauthey geleitet wurde, aber es gab keine Einrichtung für die Ausbildung von Lehrerinnen. Aus Mangel an protestantischen Mädchenschulen, wurden junge Protestanten in katholischen Schulen oder an öffentlichen Schulen des jeweiligen Ortes aufgenommen, wo ausschließlich der katholische Katechismus unterrichtet wurde.

1854 bot Jean-Henri Hottinguer, der inzwischen Vizepräsident der SEIPP geworden war, an, der Vereinigung Grundstücke und ein Wohnhaus zu überlassen. Er finanzierte ihre Instandhaltung und den Umbau des Hauses zu einer Schule für die Ausbildung von Lehrerinnen („École Normale d’Institutrices“). Diese Einrichtung verfügte über ein Mädcheninternat.
Die am 5. Januar 1854 angekündigte Schenkung wurde am 9. März 1857 notariell beurkundet und der Staat ermächtigte den Präsidenten der SEIPP im Juli 1857, die Schenkung anzunehmen.

Journal des débats politiques et littéraires (Zeitschrift der politischen und literarischen Debatten) vom 1. Mai 1854 (Auszug)
„Dieses Jahr wurde eine École Normale zur Ausbildung von Grundschullehrerinnen durch die großzügige und aufgeklärte Nächstenliebe eines unserer Brüder gegründet. Wir alle hatten schon lange das Bedürfnis und den Wunsch danach verspürt; Herr Henri Hottinguer hat sie mit einem Schlag erfüllt. Er bot der SEIPP zunächst ein ausgezeichnetes Haus mit einem großen Garten an und schenkte es ihr. Es befindet sich in Boissy-Saint-Léger bei Paris und eignet sich sehr gut für eine École Normale.

Außerdem hat er die Schule mit einer jährlichen und ewigen Rente von 5200 Fr. ausgestattet. Damit ist ihre Zukunft für immer gesichert. (…) Die Protestanten in Frankreich verdanken Herrn Hottinguer eine ständig erneuerte Ausbildung von Lehrerinnen, die in der Lage sind, ihre Töchter christlich zu erziehen, so wie die École Normale in Courbevoie den Protestanten für ihre Söhne christliche Lehrer zur Verfügung stellt.“
1858 schuf die SEIPP die Stelle eines Generalvertreters und übertrug sie Pastor Labeille, der sich um die Einschreibung der Schülerinnen und Schüler kümmerte und versuchte, die Kirchengemeinden in Frankreich zu mobilisieren, um die für die Ausbildung der protestantischen Mädchen und Jungen wichtige Vereinigung zu unterstützen. Seine Reisen durch die Gemeinden sollten die hervorragende Ausbildung der Lehrerinnen an der Schule von Boissy-Saint-Léger und die der Lehrer an den Écoles normales de garçons zur Geltung bringen.

Die Anfänge der École Normale für Mädchen: 1858-1870

  • Eugène Casalis
  • Ecole Normale Protestante de jeunes filles - Boissy-Saint-Léger

Die École Normale de Boissy nahm im Januar 1858 ihre ersten neun Schülerinnen auf, die von der Schule in der Rue Neuve-Ste-Geneviève in Paris kamen. An der Schule gab es Gottesdienste für die Schülerinnen und Lehrerinnen, von denen die meisten den Sonntag in Boissy verbrachten. Die erste Rektorin, Madame Giroud-Ferroer, unterstützt von einer Konrektorin, übernahm den gesamten Unterricht, außer den Musikstunden. Pastor Elie Castel, der von 1859 bis 1861 Seelsorger der Diakonissen von Reuilly war, wurde mit dem wöchentlichen Religionsunterricht beauftragt. Er leitete den Sonntagsgottesdienst in den Räumlichkeiten der École Normale, ebenso wie die Pastoren Gaubert und Franck Vermeil. Die Familie Hottinguer und Frau François Delessert, die Mutter von Caroline Delessert, nahmen oft daran teil. Ab 1865 beteiligte sich Pastor Eugène Casalis aus der Gemeinde Passy in Paris am Religionsunterricht, an der Seelsorge und an den Gottesdiensten.

Damals vereinte die Kirchengemeinde in Boissy-Saint-Léger die jungen Mädchen der École Normale, ihre Lehrerinnen, die Familie Hottinguer und die Protestanten der Nachbargemeinden in einem gemeinsamen Gottesdienst.

Unsichere Jahre: 1870-1882

Im Jahre 1870 gab es fünfundzwanzig Auszubildende fürs Lehramt, von denen zehn die Prüfungen ablegten. Zwölf Schülerinnen wohnten im kleinen Internat, das als Ausbildungsschule diente.

Ab August wurde der Unterricht unterbrochen und sieben Schülerinnen aus dem besetzten Elsass wurden nach Nérac (Lot et Garonne) verlegt. Die Räumlichkeiten wurden durch den Krieg beschädigt. Die Schule wurde im November 1872 wiedereröffnet. Von 1873 bis 1875 kam Pastor Eugène Casalis auf Bitten von Caroline Hottinguer-Delessert, die die Sanierungsarbeiten des Lehrerseminars finanzierte.

Die Aktivitäten der SEIPP gingen jedoch zurück, als mit dem Gesetz von 1878 jedes Departement verpflichtet wurde, ein Lehrerinnenseminar einzurichten. Dies bremste die Entwicklung der protestantischen Schulen.

Im Rahmen der öffentlichen Säkularisierung: 1886-1908

  • Ferdinand Buisson (1841-1932)
    Ferdinand Buisson (1841-1932) © S.H.P.F.

Ab 1880 machte die Gründung einer Mädchenhochschule für den Grundschulunterricht in Fontenay-aux-Roses durch Ferdinand Buisson und dem Pastor Félix Pécaut der Einrichtung in Boissy Konkurrenz. Rodolphe Hottinguer (1835-1920) setzte dennoch das Werk seiner Eltern fort. Pastor Paul Labeille war von 1886 bis 1912 als Generalagent (mit Sitz in der 4, Rue de l’Oratoire du Louvre) für die Seelsorge an der École Normale de jeunes filles und für die Gemeinde in Boissy zuständig. Aus seinen Jahresberichten geht hervor, dass die Schule damals von einer Direktorin geleitet wurde. Im Jahr 1887 war es Madame Juhlin, die 1895 zum Officier d’académie ernannt wurde. Élise Burckhardt unterrichtete die zukünftigen Lehrerinnen in Fremdsprachen.

1912 – 1949

Von 1912 bis 1935 war Pastor Albert Valez, der letzte Generalagent der SEIPP, für die protestantische Gemeinde in Boissy-Saint-Léger zuständig; von 1935 bis 1944 trat Pastor Paul Schmidt als Direktor des freien protestantischen Unterrichts seine Nachfolge an. Dieser war sowohl Pastor der protestantischen Gemeinde Boissy-Brévannes-Sucy als auch Seelsorger an der École Normale de Boissy. Im Jahr 1944 führte die Diakonisse Schwester Marthe Juncker den pastoralen Dienst fort. Die Schule schloss 1949 ihre Pforten.

Der „Cours Bernard Palissy“ übernimmt die Nachfolge (1951)

1951 eröffnete der Cours Bernard Palissy, eine private protestantische Grund- und Sekundarschule, die 1942 von France Durrleman gegründet worden war, zusätzlich zu ihrem ursprünglichen Standort in Paris eine zweite gemischte Schule in den Räumen der ehemaligen Ecole Normale de Jeunes Filles in Boissy-Saint-Léger. Ab Anfang der 1960er Jahre wurden die Grundschulklassen zugunsten der Sekundarschulbildung abgeschafft. 1992 führte das Collège-Lycée Bernard Palissy alle seine Bildungsaktivitäten im Département Val de Marne zusammen. Damals wurden über 300 Schülerinnen und Schüler aus allen Gesellschaftsschichten von der 6. bis zur 12. Klasse unterrichtet. Die Schule steht unter Vertrag mit dem Staat und führt heute das protestantische Schulwesen fort, das seit über einem Jahrhundert an diesem Ort ansässig ist.

In den 1990er Jahren beteiligte sich das Collège-Lycée Bernard Palissy an der Gründung des Schulrats der Protestantische Föderation Frankreichs (Conseil Scolaire de la Fédération Protestante de France), zusammen mit vier anderen protestantischen Vertragsschulen: dem privaten Gymnase in Straßburg, bestehend aus der Schule Lucie Berger (Kindergarten bis 7. Klasse) und der Schule Jean Sturm (8. bis 12. Klasse), der Protestantischen Grundschule Endoume in Marseille, dem Kindergarten und Grundschule Marie Durand in Nîmes und dem privaten Schulkomplex Maurice Tièche in Collonges-sous-Salève (Haute-Savoie).

Bibliographie

  • Artikels

    Dazugehörige Vermerke

    • Bildungswerke

      Nach Erlangung der vollständigen Anerkennung musste sich die protestantische Gemeinschaft die Mittel verschaffen, die ihr Bestehen ermöglichten und dauerhaft sicherten.
    • Das protestantische Schulwesen

      Die Geschichte des Unterrichtswesens im 19. Jahrhundert ist geprägt von tiefgreifenden Veränderungen in seiner Organisation durch den Staat und in seiner Wirkung. Es wurden wichtige Gesetze erlassen und neue Lehrmethoden...
    • Ferdinand Buisson (1841-1932)

      Er ist einer der wichtigsten geistigen Väter der Schulreformen der III. Republik und hat durch die Einrichtung der Hochschulen zur Ausbildung der Lehrer an Höheren Schulen, die das Personal der...
    • Die Rolleder protestantischen Frau (16. - 19. Jahrhundert)

      Die Reformation hat von Anfang an eine Aufwertung der Rolle der Frau in der Familie und dann auch im Gemeindeleben und in der Öffentlichkeit vorgenommen. Zu einer Zeit, in der...
    • François-Arnail, Marquis von Jaucourt, (1757-1852)

    • Die Familie Hottinguer

      Die aus Zürich stammende Familie Hottinguer brachte eine Reihe protestantischer Pfarrer, Intellektueller und Bankiers hervor. Im 18. Jahrhundert bildeten sich zwei Berufszweige heraus, die Pastoren und die Kaufleute. Zu diesem...