Die geheimen Versammlungen
Lange vor der Widerrufung des Edikts von Nantes (1685) wird die Freiheit, den reformierten Glauben auszuüben, in Frage gestellt.
Nach der Widerrufung des Edikts von Nantes bleiben zwei Drittel der Protestanten in Frankreich und schwören ab.
Aber sehr schnell trotzen sie dem König, indem sie sich an abgelegenen Orten zum Gottesdienst treffen : das sind die geheimen Versammlungen oder « Versammlungen der Wüste ».
Die Unterdrückung
Seit 1634 ist es den Pastoren untersagt, die ‚Ausübung des Glaubens‘ außerhalb ihres Wohnsitzes vorzunehmen. Von 1635 an häufen sich die Klagen gegen die Protestanten in den Beschwerdebüchern der Versammlungen des Klerus. 1655 wird die Zerstörung der Tempel verlangt, die außerhalb der Orte liegen, die vom Edikt von Nantes dafür vorgesehen sind (und die von den Kommissaren, die mit der Anwendung des Edikts betraut waren, festgelegt wurden) ; der Zugang zu den königlichen Ämtern soll für Protestanten erschwert werden..
Eine gegen die vorgeblich reformierte Religion (R.P.R.) gerichtete Gesetzgebung macht zwischen 1666 und 1683 das Edikt von Nantes schrittweise zunichte. Von 1661 bis 1685 behindern 175 Ordonnanzen, Deklarationen und Anordnungen die Religionsausübung sowie den Zugang zu Ämtern und Würden.
Zwischen 1679 und 1685 (bereits vor der Revokation) werden 250 Tempel abgerissen ; die Religionsausübung in den Kapellen der Grundherren (Lehenskultus) wird nach und nach verboten. Darauf hin kommt es zu spontanen Zusammenkünften auf dem Boden der zerstörten Tempel.
Die ersten Versammlungen
Ab 1682 kommt es zu geheimen Versammlungen in den südlichen Provinzen (Drôme, dann nahe Anduze und Vauvert, schließlich in den Cevennen und im Languedoc), wo die meisten Tempel zerstört worden sind.
1683 werden 32 Reformierte in der Drôme (in Château-Double) verhaftet, 300 andere bilden das ‚Lager des Ewigen‘ im Wald von Saou und stoßen mit vier Dragonerregimenten zusammen. Der Kampf endet in Bourdeaux (Drôme) mit der Verhaftung von 50 Rebellen, die verbrannt oder gehängt werden. Der Anwalt Claude Brousson (1647-1698 versucht, diese Bewegung auf ganz Frankreich auszudehnen, um dem König zu zeigen, dass zwar die Tempel zerstört werden können, dass aber die protestantischen Gemeinden sehr lebendig bleiben. Der Vorfall entwickelt sich zu einem Aufstand, der brutal zerschlagen wird.
Nach der Widerrufung (1685)
Im Juli 1686 droht eine königliche Deklaration allen denjenigen die Todesstrafe an, die „dabei angetroffen werden, daß sie geheime Versammlungen einberufen“ ; die Männer, die ihnen dabei helfen, werden auf die Galeeren geschickt, die Frauen ins Gefängnis.
In den Regionen, wo die Protestanten wenig zahlreich sind, versammeln sie sich mal bei dem einen, mal bei dem anderen. In Holland und in der Schweiz versuchen die Pastoren, diese Zusammenkünfte zu fördern, indem sie ‚Liturgien für die Christen ohne Pastoren‘ drucken.
Dort, wo die Protestanten zahlreich sind, wird der Widerstand öffentlich. Zuerst hören die meisten auf, zur Messe zu gehen, sobald sich die Dragoner entfernt haben. Vor allem berufen sie geheime Versammlungen zur Predigt und auch zum Abendmahl (meist nachts und an entlegenen Orten) ein. Im Unterschied zu den ersten Versammlungen gibt es keine Pastoren mehr, die ihnen vorstehen, da diese auswandern oder abschwören mussten. Es sind also Laien, die diese Versammlungen leiten : die Prediger.
Die Prediger
Hauptsächlich im Süden des Landes führen Dutzende von Pedigern ein unstetes Wanderleben, wobei sie stets die Soldaten auf den Fersen haben (Deklaration von 1686). Die meisten Prediger sind jung und haben keine theologische Ausbildung. Der bekannteste ist Claude Brousson, der 1683 in die Schweiz flüchtet, 1689 nach Frankreich zurückkehrt und zahlreiche geheime Versammlungen in den Cevennen und im Unteren Languedoc sowie in den Provinzen des Nordens leitet. Seine in der « Wüste » verfaßten Predigten werden in Kopien verteilt und einige auch in Amsterdam gedruckt.
Einige Pastoren, die ins Ausland gingen, folgen dem Ruf ihrer ehemaligen Gemeinden und kehren unter Lebensgefahr nach Frankreich zurück. Fünf werden in Paris verhaftet und lebenslänglich in der Festung der Insel Sainte-Marguerite vor der Küste von Cannes eingesperrt. Die anderen führen das abenteuerliche Leben der Prediger. Zu den bekanntesten Predigern außer Claude Brousson, der 1698 in Montpellier hingerichtet wird, gehören Fulcran Rey, der 1686 gehängt wird, und Francois Vivent, der 1692 hingerichtet wirde.
In den Cevennen und im Unteren Languedoc
Am 26. April 1686 wird eine Versammlung in Saint-Germain-de-Calberte von den königlichen Truppen überrascht. In Lasalle (Gard) werden seit 1686 Versammlungen abgehalten, besonders in den Grotten von Pagès. Trotz der unerbittlichen Unterdrückung durch den Intendanten Bâville nehmen die Versammlungen zu. Die meisten Prediger zählt man in den Cevennen und dem Unteren Languedoc : etwa 60 zwischen 1685 und 1700. Jedoch sind 1700 die meisten Prediger tot oder im Exil.
Einige Versammlungen werden von bewaffneten Männern beschützt, die entschlossen sind, bei einem eventuellen Angriff auf die Soldaten des Königs zu schießen. Manche Prediger haben sich mit den protestantischen Fürsten, die sich gegen Ludwig XIV. in der Augsburger Liga verbündet haben, in Verbindung gesetzt. Es gab den Plan, während eines protestantischen Aufstandes in den Cevennen alliierte Truppen an der Küste des Languedoc landen zu lassen, um die Wiederaufnahme des Edikts von Nantes in Frankreich zu erzwingen. Die Landung fand jedoch nicht statt ; dafür wurde die Überwachung der Versammlungen durch die Obrigkeit verstärkt und die Verurteilungen fielen noch härter aus.
Auch im Oberen Languedoc, in den Bergen des Tarn und von Lacaune werden ab 1685 zahlreiche Versammlungen abgehalten. Die berühmteste ist die von Saint-Jean-Del-Frech (1689), die zu einem Massaker von 50 Personen führte ; der Prediger Corbière de la Sicarié konnte zunächst entkommen, wurde dann aber von den ihn verfolgenden Soldaten an einem Ort namens Pierre-Plantée (bei Castelnau-de-Brassac) getötet. Jedes Jahr am letzten Sonntag im August treffen sich die Protestanten der Umgebung an einem Denkmal, das an diesem Ort errichtet wurde.
Im Dauphiné und der Ardèche
1686 werden in Chalencon und Plan-de-Baix in der Ardèche Versammlungen einberufen. Bis zu 6.000 Gläubige nehmen an ihnen teil. Wer sich ergreifen lässt, wird in den Turm von Crest (Drôme) gesperrt, auf die Galeeren geschickt oder aufgehängt.
Vom Januar 1688 an taucht in der Drôme ein seltsames Phänomen auf : der Prophetismus
Eine junge Hirtin, Isabeau Vincent, fängt in der Nähe von Crest an, im Dialekt zu predigen, dann im Schlaf in der französischen Hochsprache. Sie zieht eine Menge von Gläubigen an, die ihre Eingebungen sammeln und sie dem Refuge übermitteln, wo sie in kleinen Bändchen gedruckt und anschließend heimlich in Frankreich verteilt werden. Die junge Prophetin und mehrere junge Männer und Frauen fangen an, in der ganzen Region Prophezeiungen zu machen. Im Januar 1689 überschreitet die Bewegung der ‚kleinen Propheten‘ den Rhône und greift auf den Vivarais über. Die prophetischen Versammlungen mehren sich. In der Überzeugung, vom Heiligen Geist geschützt zu werden, treffen die Teilnehmer keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen. Am 19. Februar 1689, in der Nähe von Saint-Sauveur-de-Montagut (Ardèche), weigern sich die Versammelten, vor den Soldaten die Flucht zu ergreifen, da sie felsenfest davon überzeugt sind, dass die Engel sie vor den Kugeln bewahren werden : 400 Gläubige werden getötet. Die prophetische Bewegung zeigt sich dann nicht mehr in den großen Versammlungen, sondern bleibt in den Weilern oder im Familienkreis verborgen, bis sie 1700 wieder in den Cevennen und im Unteren Languedoc auftaucht.
Im restlichen Frankreich
Im Poitou wird 1688 eine Versammlung in der Nähe von Mougon (Deux-Sèvres) in Grand-Ry abgehalten. Die Dragoner überraschen 1.500 Personen beim Gebet und veranstalten auf sie ein wahres Scheibenschießen.
Auf den Halbinseln von Arvert (Charente-Maritime) finden Versammlungen in den Dünen oder den Wäldern statt, aber hier sind die Verfolgungen weniger hart als im Süden.
Um Sedan herum werden die Protestanten im November 1685 von 300 Reitern und 17 Kompanien des Regiments der Champagne dezimiert : die Überlebenden halten ihren Gottesdienst in den Wäldern ab ; die meisten machen später mit dem Gefängnis oder den Galeeren Bekanntschaft.
Im Béarn werden die Versammlungen um Pau herum in Häusern und in Wäldern organisiert. 1698 wird Claude Brousson, nachdem er zwei Versammlungen in Pau geleitet hat, in Oloron verhaftet, dann in Montpellier hingerichtet.
Im Tal der Dordogne versammelt sich die reformierte Bevölkerung zum Psalmengesang auf den Ruinen des Tempels von Bergerac, der 1682 zerstört wurde. 1688 wird eine Frau, genannt ‚La Montjoie‘, aufgehängt, weil sie Versammlungen abgehalten hat.
In der Normandie wird die « Wüste » von Claude Brousson unterstützt. Die großen Versammlungen werden vermieden und durch Predigten in den Häusern ersetzt. Um Condé-sur-Noireau, Bolbec, Crocy herum werden etwa 15 Versammlungen aufgerieben, was mehr als 300 Verurteilungen zu Gefängnis nach sich zieht, 37 Galeerenstrafen und 18 Verurteilungen zur Leichenschändung.
Weiter im Rundgang
Bibliographie
- Bücher
- CARBONNIER-BURKARD Marianne et CABANEL Patrick, Une histoire des protestants en France, Desclée de Brouwer, Paris, 1998
- DUBIEF Henri et POUJOL Jacques, La France protestante, Histoire et Lieux de mémoire, Max Chaleil éditeur, Montpellier, 1992, rééd. 2006, p. 450
Dazugehörige Rundgänge
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