Die Schreckensherrschaft
Das Jahr 1793, das mit der Hinrichtung des Königs Ludwig XVI. beginnt (21. Januar), ist von der Schaffung repressiver Institutionen gekennzeichnet : dem Revolutionstribunal im März und dem Wohlfahrtsausschuss im April. Es ist der Triumph der Jakobiner. Die Abgeordneten der Gironde werden ausgeschlossen und mehrere werden guillotiniert.
Unter ihnen sind fünf Protestanten zu nennen : Rabaut Saint-Étienne (Gard), Marc-David Alba-Lasource (Tarn), Pierre Ribes (Gard), J.B. Hervieux (Seine-et-Marne), Pierre Soulier (Gard).
Die Entchristianierung
Diese Bewegung wird zunächst dadurch charakterisiert, daß sie von sehr kurzer Dauer war, dann, daß sie nicht direkt von der Zentralgewalt organisiert wurde. Der Wohlfahrtsausschuß und der Konvent standen dieser Bewegung ablehnend oder jedenfalls zurückhaltend gegenüber.
Die ersten Initiativen zu Kirchenschließungen kommen aus der Provinz, und zwar auf Anregung revolutionärer Reisekader oder aber der Überwachungskomitees. Paris wird jedoch fast gleichzeitig aktiv.
Die Kampagne der Entchristianisierung unterscheidet sich in ihrer Stärke je nach Region. Sie findet in zwei Etappen statt. Zuerst geht es darum, die bestehenden Religionen zu unterdrücken ; danach wird versucht, einen neuen, zivilen Kult einzuführen : das Fest der Vernunft, das zum ersten mal am 10. November 1793 gefeiert wird.
Der Konvent ersetzt die christliche Ära durch die revolutionäre : Fabre d’Églantine regt eine Neuordnung des Kalenders an, der durch die Abschaffung des Sonntags und durch neue Monatsbezeichnungen eine eindeutig antichristliche Haltung einnimmt.
Sind die Protestanten vom Phänomen der Entchristianisierung betroffen ?
Weder unter den Kadern der Pariser Sektion, noch bei den großen ,,Entchristianisierern“ sind Protestanten anzutreffen.
Andererseits haben etliche reformierte Pastoren, die unter dem Einfluss der Aufklärung einem rationalistischen und moralischen Kult zugetan waren, aber auch kaum versucht, der Entchristianisierung entgegen zu treten.
Die meisten der noch aktiven Pastoren werden zwischen 1793 und 1794 dazu gebracht, ihre Tätigkeit aufzugeben. Ihre Gemeinden begnügen sich dann mit einem privaten Gottesdienst im Familienkreise.
Es gab einige wenige Orte, wo sich der Kult ununterbrochen halten konnte, wie etwa in Sainte-Foy-la Grande (Gironde) und Bergerac (Dordogne).
Auch in den dänischen, holländischen und schwedischen Botschaftskapellen wurde weiterhin Gottesdienst abgehalten.
Mancherorts kam es zu offenem Widerstand gegen die Entchristianisierung, vor allem im Drôme und in der Ardèche.
Amtsverzicht der Pfarrer
Von 215 im Jahre 1793 amtierenden Pastoren sollen 98 ihr Amt aufgegeben haben. Drei Viertel von ihnen lebten im Südosten. Unter den katholischen Priestern lag der Anteil in etwa gleichauf.
Der Gottesdienst wurde fast überall ausgesetzt. In den meisten Fällen handelte es sich dabei um eine vorübergehende Einstellung.
Im Departement Gard war die Anzahl der Demissionen verhältnismäßig groß : 57 Pastoren verließen dort ihr Amt. Der Grund dafür scheint zu sein, dass der Revolutionsrat Borie sich besonders unnachgiebig zeigte und die Pastoren systematisch zur Amtsaufgabe drängte.
Von denjenigen, die im Jahre II ihr Amt aufgaben, taten es nur wenige aus eigenem Antrieb. Man geht davon aus, dass 90 unter Druck demissioniert haben, ohne dem Kult der Vernunft anzuhängen. Außerdem ist nicht zu vergessen, dass eine Amtsaufgabe nicht unbedingt den Verzicht auf pastorale Handlungen nach sich zog : bei den Protestanten war es seit langem Brauch, Taufen oder Eheschließungen im Kreise der Familie zu zelebrieren.
Der Kult des Höchsten Wesens
Am 7. Mai 1794 bringt Robespierre die Entchristianisierung zum Stillstand. Der Konvent beschließt, dass das französische Volk die Existenz eines höheren Wesens und die Unsterblichkeit der Seele anerkennt. Die Existenz des Höheren Wesens und die Unsterblichkeit der Seele ließen sich mit dem im 18. Jahrhundert gelebten Protestantismus durchaus in Einklang bringen.
Manche Pastoren sahen in den revolutionären Kulten die teilweise Verwirklichung ihres religiösen Ideals. So meinte zum Beispiel Lombard-Lachaux, Konventsmitglied aus Orléans : « Ich habe nie etwas anderes als die Liebe zur Freiheit, zur Gleichheit und zu meinesgleichen gepredigt ; mein einziger Wusch ist es, weiterhin zum Wohl der Sansculotten beizutragen » [« je n’ai jamais prêché que l’amour de la liberté, de l’égalité et de mes semblables ; mon unique désir est de continuer à concourir au bien des sans-culottes »].
Ab 1795 werden die reformierten Tempel wieder geöffnet.
Als der Gottesdienst von neuem abgehalten wird, werden jene, die ihr Amt aufgegeben haben, im großen und ganzen wieder in den Pastorenstand eingegliedert. Ihrer Auffassung nach handelte es sich eher um eine Suspendierung als um einen Amtsverzicht. Nichtsdestoweniger kann man ein gewisses Desinteresse in ihren Reihen feststellen, denn es scheint, dass ein Viertel der 1793 tätigen Pastoren ihr Amt nicht mehr aufgenommen hat. Manche Pastoren übernahmen zivile Posten.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die Protestanten eher auf individuelle Weise auf das Phänomen der Entchristianisierung reagierten, und dass es unter ihnen keine geschlossene Front für oder wider die Revolution gab.