Die Affäre Calas
Der Kaufmann Jean Calas wurde vom Obersten Gerichtshof [parlement] des Languedoc zum Tode verurteilt und am 10. März 1762 in Toulouse gerädert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seine (niemals bewiesene) Anklage lautete, er sei insgeheim Protestant und habe seinen Sohn umgebracht, der zum Katholizismus habe übertreten wollen.
Voltaire kämpft für den zu unrecht Verfolgten
Voltaire, der über die Vorgänge in Toulouse unterrichtet ist, nimmt Ende März 1762 seine Nachforschungen auf. Er lebt in Ferney, einem Ort der Begegnung und des Meinungsaustausches, und beginnt einen umfangreichen Briefwechsel, um das öffentliche Interesse auf diese Affäre zu lenken.
« Il me paraît qu’il est de l’intérêt de tous les hommes d’approfondir cette affaire, qui, d’une part et d’autre est le comble du plus horrible fanatisme. C’est renoncer à l’humanité que de traiter une telle aventure avec indifférence. »
(„Ich glaube, daß es im Interesse aller Menschen liegt, sich über diesen Fall Klarheit
zu verschaffen, der, wie man es auch dreht und wendet, den Höhepunkt des allerschlimmsten Fanatismus darstellt. Wer diese Vorkommnisse mit Gleichmut erträgt, verläßt den Boden der Menschlichkeit.“)
Voltaire erreicht die Wiederaufnahme des Prozesses und die Wiederherstellung des Ansehens von Calas (1765)
« A force d’élever la voix, on se fait enterndre des oreilles les plus dures ; et quelquefois même les cris des infortunés parviennent jusqu’à la cour. »
(„Wer die Stimme nur laut genug erhebt, wird selbst von den harthörigsten Ohren vernommen, und manchmal hallen die Schreie der Unglücklichen sogar bis an den Hof.“)
Im Juni 1763 veröffentlicht Voltaire seine Streitschrift Traité sur la tolérance à l’occasion de la mort de Jean Calas [Abhandlung über die Toleranz aus Anlaß des Todes von Jean Calas]. Damit erreicht er, daß der Fall im Kronrat verhandelt wird : dieser nimmt die Eingabe von Madame Calas zugunsten der Unschuld ihres Gatten entgegen und verfügt, nach weiteren öffentlichen Appellen in dieser Sache, die Außerkraftsetzung des vom Obersten Gerichtshof in Toulouse erlassenen Urteils.
1765 verkündet der Kronrat die Unschuld von Jean Calas. Seine Anklage wird getilgt und sein gutes Ansehen wieder hergestellt.
Um die Not der Familie Calas zu lindern, wird ein öffentlicher Hilfsfonds aufgelegt, zu dem Louis XV. in eigener Person großzügig beisteuert.
Das Wohnhaus der Familie Calas ist noch heute weitgehend unverändert erhalten. Es befindet sich im Stadtzentrum von Toulouse in der Rue des Filatiers 50.
Bibliographie
- Bücher
- COUTET Alex, Jean Calas, Vida, 2003
- GARRISSON Janine, L’affaire Calas, miroir des passions françaises, Fayard, Paris, 2004
- VOLTAIRE, L’Affaire Calas et autres affaires, édition présentée par Jacques Van den Heuvel, Gallimard, Paris, 1975
Dazugehörige Vermerke
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Die Affäre Sirven
Die Affäre Sirven hat weniger Aufsehen erregt als die Affäre Calas, hat aber dennoch ihren festen Platz in der Geschichte der Protestanten im Hochland des Tarn. Auch in diesem Fall... -
Paul Rabaut (1718-1794)
Als Pastor der Kirche der Wüste hat Paul Rabaut ein gefahrvolles Leben im Verborgenen geführt. -
Ausgeübte Toleranz
In Frankreich etablierte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts dem Protestantismus gegenüber eine Regierungsform der Toleranz ,die jedoch einige tragische Widersprüche beinhaltete. -
Die protestantischen Kirchen während der Duldung der « Wüste » (1760-1789)
Trotz der anhaltenden Unterdrückung und des noch immer bestehenden Verbots jeglicher Ausübung des protestantischen Glaubens nahm die reformierte Kirche allmählich wieder Form an.