Clément Marot und die Übersetzung der Psalmen in Versform
In der römisch-katholischen Kirche des 16.Jahrhunderts wurde die Messe auf Latein von Mönchen gesungen. Die Reformatoren wollten die Gemeinde der Gläubigen während des Gottesdienstes singen lassen, in einer allen zugänglichen Sprache. Calvin versucht also, ein französisches Repertoire zu erschaffen. Dies hat sich aus den von Clément Marot (1496-1544) in Versform gesetzten Bibelpsalmen entwickelt.
Der berühmte Hofdichter Clément Marot beginnt wahrscheinlich ab 1531, die Psalmen der Bibel in Versform zu setzen. Er ist vom Humanismus und von Luthers Ideen beeinflusst. Aber er ist vor allem von der Schönheit der Psalmen bezaubert. Vielleicht wurde er von Marguerite d’Angoulême unterstützt.
1539 übergibt Marot dem König François I. das Manuskript von 30 in Versform gesetzten und in Strophen unterteilten singbaren Psalmen.
Musiker setzen ihn nach höfischen oder anderen bekannten Weisen in Musik. Der Erfolg ist beachtlich. Studenten und Kurtisanen singen sie auch.
1543 ist Marot aufgrund seiner religiösen Ideen beunruhigt und flieht nach Genf zu Calvin.
Calvin und der Psalter
Als Calvin 1538 die französische Gemeinde von Strassburg übernimmt, singt man dort schon Psalmen auf Deutsch. In Strassburg erscheint das erste französische Psalmenbuch in Versform. Zwölf Psalmen sind von Clément Marot und sieben aus der Hand Calvins persönlich.
Bei seiner Rückkehr nach Genf 1541 führt Calvin den Psalmgesang in den Gottesdiensten ein. Mit dem Eintreffen von Marot gewinnt dieser Plan an Bedeutung. Marot setzt neue Psalmen in Versform ( diese Psalmen werden auch Psalmparaphrasen genannt) und verändert die Erstfassung.
Für diese neuen Texte braucht man Melodien. Calvin wünscht für den Kirchengesang einen musikalischen Stil, der die Ehre Gottes reflektiert. Darum lässt er alte Melodien anpassen oder durch die Kantoren, die in Genf aufeinander folgten und deren bekanntester Vertreter Loys Bourgeois war, neue Melodien komponieren. Die Gemeinde singt diese Melodien einstimmig.
Er ermutigt ebenfalls die Gläubigen, zu Hause Psalmen zu singen, aber nach den neuen Genfer Melodien und nicht den profanen, die man in Frankreich benutzt.
Als er 1544 stirbt, hat Marot 49 Psalmen in Versform gesetzt.
Théodore de Bèze und das Ende des Psalters
Der grosse französische Humanist und Dichter Théodore de Bèze (1519-1616) führt das Werk Clément Marots fort. 1551 erscheint der Genfer Psalter, der 49 Psalmen von Marot und 34 von Théodore de Bèze beinhaltet.
1562 erscheint in Genf unter dem Titel Psalmen Davids die Gesamtversion der 150 in französische Verse gefassten Psalmen (49 von Marot, 101 von Théodore de Bèze). Es gibt 123 verschiedene Melodien (manche Melodien dienen zwei Psalmen). Der Psalter kann aufgrund seiner Sprache, seiner Versform und seiner Musik als französisch angesehen werden.
Der Hugenottenpsalter
Der Begriff Hugenottenpsalter stammt aus dem 19.Jahrhundert und bezieht sich auf das offizielle Genfer Gesangbuch mit 150 Psalmen. Aufgrund der Fortschritte im Buchdruck wird auch diese Kirchenmusik aussergewöhnlich weit verbreitet. Mehr als 30000 Exemplare werden in einem Jahr verteilt. Er hat in Frankreich sowie in der Schweiz ein langes Leben. Im ausgehenden 17. und 18.Jahrhunderts befindet sich dieser Psalter häufig am Ende der Bibeln.
Sein Text wurde mehrmals verändert, besonders von Valentine Conrart (1603-1675), und bis heute aktualisiert. In den Gesangbüchern der protestantischen Kirchen findet man immer noch eine grosse Anzahl von nach den alten Melodien des 16.Jahrhunderts gesungenen Psalmen.
Um die Psalmen zu charakterisieren, braucht man drei Namen, den des Autors des Textes, den des Musikers, der die Melodie komponiert oder angepasst hat, und den des Harmonisten, der die vierstimmige Fassung erschaffen hat.
Die Harmonisierung der Psalmen
Der Erfolg der Psalmen hat viele Musiker dieser Zeit, und darunter die berühmtesten, dazu veranlasst, sie zum vier- oder mehrstimmigen Gesang zu harmonisieren. Die bekanntesten sind Claude Goudimel, Claude Lejeune, Paschal de l’Estocart, Philibert Jambe de Fer, Pierre Certon.
Zahlreiche Psalmen haben also mehrere verschiedene Harmonisationen. Die Melodie kann im Sopran oder meistens im Tenor sein.
Im 16.Jahrhundert sind die mehrstimmigen Psalmen für den Privatgebrauch bestimmt, wie Goudimel sagt, « um sich zu Hause besonders an Gott zu erfreuen ».
« Darum, wenn wir gut hier und da gesucht haben, finden wir keine besseren noch geeigneteren Gesänge als die Psalmen Davids.“ (Johannes Calvin).