Antoine de Chandieu (1534-1591)
Er war zugleich Theologe, Literat, Dichter und Mann der Tat und hat in den Anfängen der Reformation in Frankreich eine wichtige Rolle gespielt.
Pfarrer an der Kirche zu Paris
Antoine de la Roche-Chandieu, ein burgundischer Edelmann, gehört einer der ältesten aus dem Dauphiné stammenden Familien an.
Er hat sich früh zur Reformation bekehrt und wird 1557 zum Pfarrer an die Pariser Kirche berufen als Assistent des Pfarrers Jean le Maçon, bekannt unter dem Namen La Rivière.
Sein Pariser Amt wird von 1557 bis 1563 dauern. Während dieser Zeit nimmt er aktiven Anteil an der ersten Nationalsynode (1559).
Er wird auch mit zahlreichen Missionen in der Provinz betraut: in Orléans, um die entstehende Gemeinde zu organisieren, in Poitiers oder auch in Chartres, um dort die erste Kirche aufzubauen.
Bei der dritten Nationalsynode in Orléans übernimmt er den Vorsitz.
Chandieu ist wahrscheinlich der Autor des 1557 verfassten Glaubensbekenntnisses, das König Heinrich II. von der Kirche zu Paris vorgelegt wurde.
Von 1560 an, dem Edikt von Amboise, und besonders zu Beginn des ersten Religionskrieges (1562) verschärft sich die Lage für die Reformierten dramatisch: sie dürfen keine Pfarrer mehr haben. So verlässt Chandieu Paris und lebt bald auf seinem Gut Chandieu im Dauphiné, bald in Pole im Beaujolais oder auch in Lyon, wo er ab 1565 zeitweilig Pfarrer ist.
Ein bewegtes Leben
Im Jahre 1568 „flieht er vor den Fallen und Drohungen der Gottlosen“; als sein Besitz beschlagnahmt wird, findet er Zuflucht in Genf.
Der im August 1570 in Saint-Germain unterzeichnete Friedensvertrag beendet das Exil von Chandieu, der Lausanne verlässt, um Delegierter für die Umgebung von Lyon und Burgund zu werden.
Im Jahre 1572, nach der Bartholomäusnacht, tritt er wieder den Weg ins Exil an: von 1572 bis 1583 lässt er sich im Waadtland nieder: in Lausanne, wo er einen Lehrauftrag erhält. Danach, auf der Flucht vor der Pest, die in seiner Stadt wütet, lässt er sich von 1579 bis 1583 in Aubonne nieder.
1583 kehrt er nach Frankreich zurück und zwar in sein Schloss in Pole im Beaujolais.
Im Jahre 1587 wird er von Heinrich von Navarra berufen, das Amt des Ministers bei der Schlacht von Contras auszuüben, und 1588 betraut ihn der König mit einer Mission bei den protestantischen Fürsten Deutschlands und in den Kantonen der reformierten Schweiz.
Zurück in Genf, bitten ihn die Pfarrer dieser Stadt, jeden Sonntag die Abendpredigt zu halten.
Dort stirbt er im Jahre 1591.
Das literarische Schaffen von Chandieu
Dieses Schaffen ist beachtlich: es besteht aus theologischen und historischen Arbeiten, aber auch aus Gedichten.
Der Aufschwung der Buchdruckerei hat eine schnelle Verbreitung der Texte ermöglicht und besonders das Erscheinen zahlreicher Flugblätter befördert, die in Frankreich während dieser von Religionskriegen erschütterten Zeit verteilt wurden.
Ronsard hat sein Talent eingesetzt, um den katholischen Glauben und zugleich die königliche Politik zu verteidigen, besonders in seinem Werk Discours des misères de ce temps (Reden über die Notlagen dieser Zeit), das heftige Auseinandersetzungen auslöst.
Die Pamphlete häufen sich. Chandrieu greift seinerseits Ronsard an und schreibt Réponse aux calomnies contenues aux Discours de Pierre Ronsard (Antwort auf die in den Reden von Pierre Ronsard enthaltenen Verleumdungen, 1563).
Auch innerhalb der entstehenden Kirche bricht im Laufe der 1560er Jahre ein Konflikt auf, der die auf der ersten Synode verabschiedete Disziplin betrifft. Grund dafür ist Le traité de la discipline et police ecclésiastique (Abhandlung über die kirchliche Disziplin und Polizei) von Jean Morély. Diese Abhandlung bekämpft das 1559 in den reformierten Kirchen angenommene presbyterial-synodale System. Morély zufolge soll die Versammlung der Gläubigen die höchste Macht innehaben.
Als Antwort auf Morély bestätigt Chandieu de Rechtmäßigkeit der „Disziplin“ in seiner Abhandlung mit dem Titel La confirmation de la discipline ecclésiastique observée es églises réformées du royaume de France (Die Bestätigung der kirchlichen Disziplin in den reformierten Kirchen des Königreiches Frankreich, 1566).
Das Buch von Morély wird von der Nationalsynode von Orléans im April 1562 verworfen.
1563 veröffentlicht Chandrieu in Lyon unter dem Pseudonym A. Zamariel seine Histoire des persécutions et martyrs de l’Église de Paris depuis l’an 1557 jusqu’au temps de Charles IX
(Geschichte der Verfolgungen und Märtyrer der Kirche zu Paris seit dem Jahre 1557 bis zur Zeit des Königs Karl IX.), deren Hauptziel darin besteht, das Gottvertrauen seiner Glaubensgefährten zu stärken, gegen den Nikodemismus zu kämpfen und die Verzweifelnden zu ermutigen.
Chandrieu ist vielleicht vor allem ein Dichter. In Versen gibt er auf wunderbare Weise seinem Glauben Ausdruck, seinem Leiden und dem der Kirchen Frankreichs.
Gedächtnis, unsterbliches Gedenken,
Mit meiner schwachen Stimme rufe ich dich an
Und in deine Hände lege ich
So viele, so aber viele Grausamkeiten,
In der Vergangenheit gegen die Kirche begangen,
Um sie auf immer zu vergegenwärtigen.
Reiß aus dem vergesslichen Schweigen
Die unbarmherzige Gewalt,
Die mit Beleidigungen und Verfolgungen
Die Meinigen, mein Volk, meine Kirche
Jagt, tötet und zerschlägt,
Und mich bei lebendigem Leibe sterben lässt.
Oh mächtiger und furchterregender Gott,
Dir selbst immer gleich,
Sieh doch auf meine Gefangenschaft;
Verwandle meine Schwäche in Stärke,
Meine Angst in Freude und Sicherheit,
Meine Knechtschaft in Freiheit.
(In: Poèmes chrétiens et moraux (Christliche und moralische Gedichte), ohne Ort noch Datum, Verlag Tournes)
Werke von Chandrieu
- Warnung an die zerstreuten Gläubigen im Königreich Frankreich (keine Angaben zu Ort und Verlag, 1561)
- Apologie oder Verteidigung der guten Christen gegen die Feinde der christlichen Kirche (keine Angaben zu Ort und Verlag, 1563)
- Geschichte der Verfolgungen und Märtyrer der Kirche zu Paris seit dem Jahre 1557 bis zur Zeit des Königs Karl IX., Lyon 1563
- Antwort auf die in der Rede und infolge der Rede über die Notlagen dieser Zeit von dem Herrn P. Ronsard enthaltenen Verleumdungen, von A. Zamariel, Orléans 1563
- Meditationen über Psalm 32, übersetzt aus dem Lateinischen ins Französische unter Hinzufügung von 50 Achtzeilern über die Vergänglichkeit der Welt, von A. Zamariel, Genf,
- Verlag J. Laimaire, 1583
- Achtzeiler über die Vergänglichkeit und Unbeständigkeit der Welt, Verlag Fr. Bonali-Fiquet, Genf 1979
- Christliche und moralische Gedichte, keine Angaben zu Ort und Jahr, Verlag Tournes
Bibliographie
- Bücher
- BARKER S.K., Protestantisme, Poetry and Protest : the vernaculaire writings of Antoine de Chandieu (1534-1591), Ashgate, 2009
- BERNUS Auguste, Le ministre Antoine de Chandieu d’après son journal autographe inédit, Imprimeries réunies, Paris, 1889
- CHARBONNIER F., Pamphlets protestants contre Ronsard (1560-1577), Paris, 1923
Dazugehörige Vermerke
-
Jeanne d'Albret (1528-1572)
Sie bekehrt sich zum Protestantismus, den sie in ihrem Königtum von Navarra zur Staatsreligion erhebt. -
François de La Noue (1531-1591)
François de La Noue, ein hugenottischer Adliger, der den Beinamen « Eisenarm » trägt, wurde als Militärchef und Verfasser von Erinnerungen an die Religionskriege bekannt. -
Claude du Chastel (1554-1587)
Ein adliger Katholik begehrt eine reiche Hugenottenerbin, oder die Geschichte von Romeo und Julia zur Zeit der Religionskriege… -
Théodore de Bèze oder Beza (1519-1605)
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Ambroise Paré (1509-1590)
Ursprünglich Chirurg in der Armee, macht er Entdeckungen in Anatomie, Physiologie und in der Therapie.