Die ersten Arbeiten : auf dem Wege zu einer dialektischen Theologie
Das schriftliche Werk Karl Barths wurde 1919 durch seinen mehrfach wieder aufgelegten Kommentar des Römerbriefes (Der Römerbrief) eingeleitet, der ein erstes Eintreten für eine Erneuerung des theologischen Denkens erkennen lässt. Danach folgten seine Arbeiten zur Geschichte der Theologie im 18. und 19. Jahrhundert. Hier legt er dar, dass die Theologie jener Zeit, indem sie auf die Offenbarung als einzige Quelle des Glaubens verzichtete, zugunsten einer Anthropologie des Religiösen und der Innerlichkeit auch auf ihre Eigenständigkeit verzichtet hat. In seinen Münsteraner Vorlesungen (1928-1930) bestand er auf der Notwendigkeit einer Rückkehr zu einer Theologie, die sich klar von der Philosophie, der Geschichte und den Sozialwissenschaften abgrenzt, ohne jedoch die diesen Disziplinen eigenen Denkmodelle und Anwendungsgebiete infrage zu stellen. Die moderne Theologie muss ihr « ethisches Scheitern », das in der Verzweiflung der Welt während des Ersten Weltkrieges offenbar geworden war, überwinden und darf das Leiden der Gegenwart niemals aus den Augen verlieren.
Dieser Anspruch bricht mit vielen überkommenen Gewissheiten. Das Nachdenken darf sich keine Pause leisten. Es steht in einem dialektischen Spannungsfeld, vergleichbar dem Kampf Jakobs mit dem Engel. In seinem Werk Das Wort Gottes und die Theologie (1925) schreibt er : « Der Inhalt der Bibel besteht nicht in der Anschauung Gottes durch den Menschen, sondern in der Anschauung des Menschen durch Gott. Es ist das Wort Gottes, das in der Bibel steht ».
Die (kirchliche) Dogmatik
Der Kommentar zu Anselmus (Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms, 1931) behandelt den ganz anderen Gott und kann als die Einleitung zu seinem Hauptwerk gelesen werden : die 26 Bände der berühmten Kirchlichen Dogmatik (1932-1967).
Die Dogmatik ist « kirchlich », da sie eine kritische Lektüre der kirchlichen Predigt unternimmt und im Dienste einer in der Gegenwart wurzelnden Predigt steht. Die biblische Botschaft muss entschlüsselt und auf die erlebte Gegenwart bezogen werden. Dieses Monumentalwerk (das insofern unvollendet geblieben ist, als Barth das Problem der Erlösung nicht mehr behandeln konnte) untersucht die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen (als solchem) und den Menschen (als lebenden) sowie alle Aspekte der Vermittlung durch Christus innerhalb der Menschenwelt. Barth behandelt diese Problematik auf verschiedenen Ebenen : des Glaubens (sola fide = „allein der Glaube“), des göttlichen Wortes (sola scriptura = allein die Schrift) und des Einflusses beider auf das kirchliche Leben. In dieser Sehweise erscheint die Theologie (Glauben) nicht als eine Alternative zum Fortschritt der Wissenschaften und der Technik (Wissen), sondern öffnet sie für alle anderen Wissensgebiete. Sie nimmt den dynamischen Reichtum der säkularen (im Gegensatz zur spirituellen) Welt ernst und entschlüsselt deren Trugbilder, eingeschlossen diejenigen, die sich den Anschein moralischer Gesetze geben.
Alle Baseler Vorlesungen (1935-1962) Karl Barths beschäftigten sich mit der kirchlichen Dogmatik.
Vorträge, Artikel, Essais
Neben der Arbeit an der Kirchlichen Dogmatik hat Karl Barth zahlreiche Essais, Artikel und Vorträge veröffentlicht, unter den besonders hervorzuheben sind : Das Wort Gottes und die Theologie (1925), Eine Schweizer Stimme (politische Aufsätze und Briefe, 1938-1945), das seinen Freunden in der Bekennenden Kirche gewidmete Credo. Die Hauptprobleme der Dogmatik, dargestellt im Anschluß an das Apostolische Glaubensbekenntnis (16 Vorlesungen, 1935), Nein ! Antwort an Emil Brunner (Ablehnung der Natürlichen Theologie, 1934), Christengemeinde und Bürgergemeinde (Entwurf einer christologisch bestimmten demokratischen Staatstheorie, 1946). Ebenfalls ist hier zu nennen : Die Menschlichkeit Gottes (1948), wo er darlegt, dass die Anerkenntnis des „ganz anderen Gottes“ die Wahrnehmung der Sorgen und Nöte der Menschen einschließt. Diese Anerkenntnis ist für Barth in der Tat undenkbar ohne die Vermittlung des in Jesus Christus menschgewordenen Gottes. Die Einführung in die evangelische Theologie (1962) schließlich ist ein Leitfaden für Theologiestudenten, den Karl Barth in seiner letzten Vorlesung an der Universität Basel entwickelte. Sie ist in gewissem Sinne sein pädagogisches Vermächtnis.
Barth hat 1956 aus Anlass des 200jährigen Geburtstags von Wolfgang Amadeus Mozart geschrieben : « Ich bin mir nicht sicher, ob die Engel, wenn sie den Lobgesang Gottes anstimmen, nach einer Partitur von Bach singen. Aber ich bin mir absolut sicher, dass sie, wenn sie unter sich sind, Mozart spielen. Und dass Gott ihnen dabei ganz besonders gern sein heimliches Ohr leiht ».
Über den Theologen und sein Werk sind ganze Bibliotheken geschrieben worden, auch von katholischer Seite. Der Jesuitenpater Hans Urs von Balthazar gehört ebenso zu seinen rückhaltlosen Bewunderern (Karl Barth. Darstellung und Deutung seiner Theologie, 1976) wie Hans Küng (Rechtfertigung. Die Lehre Karl Barths und eine katholische Besinnung, 1957).