Die hugenottische Fluchtbewegung in die Schweiz

Die Schweiz ist ein Asylland. Aber mehr als endgültige Niederlassungsorte sind die Schweizer Kantone – vor allem Zürich und Bern sowie die Republik Genf – Übergangsstationen in die nördlichen Länder, Deutschland, die Vereinigten Provinzen, England.

Die Schweiz am Ende des 17. Jahrhunderts

Die Konföderation ist ein aus 13 Kantonen, alliierten Staaten und Untertanengebieten zusammengesetzter Bund, die von dem Bundestag vereint werden.

Die Kantone Bern und Zürich sind die bedeutendsten. Der Religionsstreit teilt das Land in zwei Blöcke. Die „protestantische Schweiz“ besteht aus der Republik Genf, den evangelischen Kantonen, beherrscht von Bern und der Grafschaft Neuenburg. Die Ankunft der Flüchtlinge verstärkt nur noch die interkonfessionelle Spannung, droht, die Neutralität des Landes zu gefährden und eine ständig schwankende wirtschaftliche Lage zu verschlimmern. Man fürchtet eine Verarmung durch die Zunahme von Landstreichern und die finanziellen Last, die sie den Gemeinden aufladen, die ihre Bedürftigen unterstützen müssen. Daher der provisorische Charakter des Empfangs der Flüchtlinge, die gedrängt werden, weiterzuziehen, vor allem nach Deutschland.

Zwei Flüchtlingswellen

Die erste Welle erfolgt in der Zeit von 1540 bis 1590 und betrifft vor allem Genf.

Während der zweiten Welle, vor und nach der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685), kommt die Flüchtlingswelle großenteils aus dem Dauphiné, den Cevennen und dem Languedoc; die Hauptachse ihrer Auswanderung bildet eine Schneise, die vom Genfer See bis zum Rhein führt. Bei Lausanne treffen die Straßen von Genf und vom Wallis zusammen.

So wird diese Stadt auch durch ihre große Bevölkerungszahl zu einem der Anziehungspunkte der Fluchtbewegung.

Die Aufnahme in den Kantonen und die damit verbundenen Schwierigkeiten

Der Zustrom von Flüchtlingen, vor allem im Waadtland, erfordert die Mitwirkung der örtlichen Behörden und der Bewohner, um die unmittelbare Not der Geflüchteten zu lindern.

Die Unterbringung wird durch die „öffentlichen Wohnungen“ gewährleistet, durch Herbergen (die Kosten werden von den Behörden übernommen) und Krankenhäuser und auch von Privatpersonen auf freiwilliger Basis – Ablehnungen sind selten – oder in beschlagnahmten Wohnungen, wenn der Ansturm zu groß ist.

Die Schwächsten werden auf Schiffen oder Wagen transportiert, die Begleitpersonen werden im Allgemeinen entlohnt. Das große Krankenhausnetz im Waadtland steht den Flüchtlingen offen: Unterbringung, Nahrung, Behandlungen, „Wegegeld“: ein Almosen, das von einem Pastor verteilt wird und dem Empfänger erlaubt, weiterzuziehen bis zum nächsten Ort, wo er ein neues Wegegeld erbitten kann. Diese Bemühung erklärt sich aus dem Bestreben, die Beförderung der Flüchtlinge von einer Etappe zur anderen zu erleichtern und so die Länge des Aufenthaltes in den Ortschaften zu verkürzen.

Die reformierte Schweiz spielt so für die meisten Flüchtlinge die Rolle eines Übergangslandes für einige Wochen bis zu einigen Monaten: Warten auf Verwandte, auf Hilfe, auf Informationen, der Wunsch, sich nicht zu weit von Frankreich zu entfernen im Falle einer Wiederherstellung des Protestantismus. Diese Flüchtlinge sind mobil und wechseln oft ihren Wohnort, viele sind arm und die Behörden haben Mühe, das Umherirren dieser Landstreicher und Bettler zu kontrollieren.

Eine dauerhafte wenn nicht endgültige Niederlassung betrifft nur eine Minderheit, vor allem Personen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit entwickeln können, insbesondere einen Gewerbebetrieb: die städtischen Behörden gewähren ihnen einen Sonderstatus als „Bewohner“, der keine politischen Rechte beinhaltet, aber eine Art Vertrag aufstellt, der ihn an die Stadt bindet, die ihn wiederum in ein besonderes Buch einschreibt. Angenommen wird nur der, der schriftlich erklärt, dass er nur aus religiösen Motiven kommt. Nur wenige werden Bürger.

Die Infrastrukturen der Aufnahme

Die Massenankunft der Hugenotten führt zu zahlreichen Problemen. Zunächst ist dieser Ansturm ungeregelt, die evangelischen Kantone beschweren sich über einen Zustrom, vor dem sie nicht gewarnt worden waren. Bern stellt fest, dass diese Leute meist arm sind, und sieht daher die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen allen protestantischen Staaten. Es erklärt von Anfang an, dass es nicht in der Lage ist, alle Emigranten auf seinem Territorium aufzunehmen. Im Jahre 1684 stimmt die Reformierte Konferenz, zuerst auf Bern begrenzt, für die Schaffung eines gemeinsamen Grundstocks von 30000 Gulden, zu dem jeder Staat beitragen soll. 1691 wird in Bern ein Fünftel der Einnahmen für die Flüchtlingshilfe ausgegeben. Trotz einiger praktischer Schwierigkeiten stellen die Kantone das Prinzip der finanziellen Solidarität nicht in Frage, aber sie überprüfen, dass diese Hilfen nur auf die „Diener der Glaubens“ begrenzt bleiben, denn die Armut jener Zeit führt zu allen möglichen Täuschungsmanövern: die Behörden geben zu, „dass eine große Anzahl von Personen ihr Land vielleicht eher verlassen, um der Armut zu entfliehen, als weil sie verfolgt werden“.

Die Berner Behörden schaffen neue Verwaltungsstrukturen; die wichtigste ist die 1683 gegründete Flüchtlingskammer, deren Aktionsradius sich allmählich auf das ganze Land erstreckt. Sie spielt die Rolle eines Kontrollorgans für alle Fragen, die die Fluchtbewegung aufwirft. Sie ist der Kontrolle der Regierung unterworfen und bis 1778 aktiv. Ihre Hauptaufgabe ist es, Sammlungen zu organisieren und die Hilfsgelder zu verwalten.

Eine Salzkommission spielt die Rolle einer Bank, auf der das gesammelte Geld deponiert wird; sie verwaltet die für die Flüchtlingshilfe bestimmten Summen, die von den evangelischen Schweizer Kirchen bewilligt worden sind. Außerdem organisiert sie die Evakuierung der Flüchtlinge und hilft ihnen bei der Wahl ihrer Reisewege.

Die Handelskammer hat zum Ziel, die örtliche Industrie zu schützen und zu entwickeln:

sie nimmt zu den Flüchtlingen Kontakt auf und kontrolliert die Befähigung und die Qualität der Fabrikanten sowie die Einführung von neuen Fabrikationstechniken. Den etablierten Fabrikanten bietet sie ein ständiges Wohnrecht an.

Neben den Schweizer Hilfeleistungen helfen sich die Flüchtlinge untereinander, indem sie französische Börsen gründen; die wichtigste ist die von Lausanne. Diese Börsen beschränken sich nicht auf eine materielle Hilfe. Sie entwickeln eine diplomatische Aktivität – Bittschriften an den König von Frankreich, Kontakte mit den protestantischen Fürsten, Organisation eines Soziallebens, eines moralischen Rahmens, Beziehungen zur örtlichen Bevölkerung.

Sie unterstützen den Plan einer Auswanderung nach Irland, der nicht verwirklicht wird.

Insgesamt beruht die Hilfe für die Flüchtlinge auf von den evangelischen Kantonen geschaffenen Hilfsfonds, die von Bern streng verwaltet werden, sowie auf örtlichen Institutionen der Städte und ihrer Bewohner. Die Mitwirkung aller, von Bern befohlen und weithin akzeptiert, ermöglicht es, die Unzulänglichkeiten der Infrastrukturen und der bestehenden finanziellen Mittel zu kompensieren. Die Anstrengungen waren riesig.

Eine schwierige Integration

Um eine Vergiftung ihrer Beziehung zu den katholischen Kantonen zu vermeiden, nehmen die protestantischen Kantone die Hugenotten auf und helfen ihnen, aber nur auf der Durchreise.

Zumal die wirtschaftliche Lage – Weizenknappheit im ganzen Waadter Land – und die politische Lage angespannt sind. Trotz der Gemeinsamkeit der Religion offenbaren die Archive Eifersüchteleien, Fremdenfeindlichkeit, „unnütze Esser“, berufliche Konkurrenten, sogar die Schweizer Pastoren sind beunruhigt über die Konkurrenz der aus Frankreich gekommenen Pfarrer. 1687 wird die Stadt Lausanne vom Ansturm der Flüchtlinge überschwemmt und bittet die Berner Behörden, diese auf andere Durchgangsrouten weiterzuleiten, trotz der damit verbundenen Risiken.

1694 gibt Bern allen Flüchtlingen den Befehl, das Land zu verlassen, und schickt sie in die deutschen Staaten, nach Holland oder England. Die Härte dieser Entscheidung wird auf Fürsprache des englischen Gesandten in der Schweiz durch „Aussonderungen“ gemildert, die es einigen erlauben, vor Ort zu bleiben und eingebürgert zu werden. Die größten Städte behalten die Hälfte ihrer Flüchtlinge. Da die Lage sich kaum verbessert hat, trifft Bern 1698 die Entscheidung, den Abschiebungsbefehl im ganzen Land zu kontrollieren, und verlangt die Mitarbeit der Städte bei den Vertreibungen, um das Flüchtlingsproblem endgültig zu lösen. Die neuen Aufnahmeländer müssen nun ihrerseits den Ansturm dieser größtenteils armen Bevölkerung bewältigen. Brandenburg protestiert und will nicht das „Krankenhaus der Schweiz“ sein. Im Januar 1699 gibt Bern erneut eine Verordnung heraus, die alle Flüchtlinge auffordert, sich zum Aufbruch bereitzuhalten.

Einen Monat später ändert Bern seine Meinung: die Städte werden beauftragt, zwei Listen anzufertigen, eine mit den Flüchtlingen, die abreisen sollen, eine mit den Flüchtlingen, sie sie behalten wollen mit der Möglichkeit einer Einbürgerung. Trotz des Widerstandes der Bürger, die den Flüchtlingen gegenüber feindlich gesinnt sind, klärt sich die Lage allmählich und Anfang des 18. Jahrhunderts bleiben theoretisch nur noch Eingebürgerte, die dieselben Rechte genießen wie gebürtige Schweizer.

Die Pfarrer wurden zunächst wohlwollend empfangen, aber die Frage, eine Gemeinde für sie zu finden, wird sich stellen. 1683 wünscht die Akademie von Lausanne, dass nur „außergewöhnliche Seelen“ mit einem seelsorgerischen Auftrag betraut werden und nur nach einer Prüfung über die biblischen Texte. Für die anderen, „normalen“, erklärt die Akademie, dass sie „ihr Glück anderswo oder anders“ versuchen sollen.

Was die Lehre angeht, so werden die Pastoren aufgefordert, ein orthodoxes, calvinistisches Glaubensbekenntnis zu unterschreiben, das im Gegensatz steht zu dem in der Akademie von Saumur gelehrten Liberalismus. Das 1729 von Antoine Court gegründete Seminar von Lausanne bietet eine theologische Ausbildung für die Pastoren an, die heimlich nach Frankreich ausreisen. Antoine Court lässt die Kirchen des „Désert“ anerkennen.

Auf der Synode von 1744 wird er als Nachfolger von Benjamin du Plan zum Vertreter der Kirchen des „Désert“ bei den europäischen Ländern ernannt.

Der Nutzen der Fluchtbewegung für die Schweiz

Am Ende des 17. Jahrhunderts ist die wirtschaftliche Lage der Schweiz besonders schlecht: Weizenknappheit, Verarmung, Arbeitslosigkeit. Die protestantische Geschichtsschreibung hat immer den positiven Beitrag betont, den der massive Zustrom der Bevölkerung leistet, die unbekannte Techniken beherrscht und die sich durch ihre Arbeit für die Großherzigkeit des Aufnahmelandes bedanken möchte, ausgestattet mit einer soliden und verantwortungsvollen moralischen Erziehung. Die weit fortgeschrittene materielle Zivilisation Frankreichs am Ende des 17. Jahrhunderts schafft für die ausgewanderten Handwerker eine günstige Ausgangslage und regt in den Aufnahmeländern einen wirtschaftlichen Aufschwung an.

Heute neigen die Historiker eher dazu, diese Annahmen zu relativieren. Der wirtschaftliche Beitrag der ersten Fluchtbewegung (1551-1600) ist unbestreitbar und bedeutend in Genf, Zürich und Basel mit der Einrichtung von Gewerbebetrieben, vor allem in der Textilbranche (Lausanne) und der Uhrmacher- und Juwelierkunst, die die Arbeitslosigkeit und Armut vermindern helfen. Aber während der zweiten Fluchtbewegung wird die protektionistische Politik in einer Stadt wie Bern nur langsam aufgegeben und die französischen Unternehmer stoßen sich an Kapitalmangel, an wenig geschulten Arbeitskräften und an den strengen Regeln des Ancien Régime. Mit dem Begriff der konfessionellen Solidarität entwickelt sich langsam der wirtschaftliche Aufschwung und rechtfertigt die Erleichterung für die Flüchtlinge, Wohnrecht und Bürgerrecht zu erlangen. Die Stadt bürgt für die Anleihen der Unternehmer, gewährt Steuerbefreiungen und Schutz der Märkte. Der Staat unterzeichnet direkte Verträge mit den Unternehmern. Die Einführung eines Gewerbebetriebs kann zum Monopol in einer bestimmten Produktion führen wie zum Beispiel in Lausanne für den Handel mit Spitzen.

Bei der Mehrheit der Flüchtlinge, die nur auf der Durchreise sind, sind alle Tätigkeiten vertreten, je nach Ort: Handel, Hausieren, Bekleidung, Nahrungsversorgung, Bau, ja sogar Landwirtschaft, besonders Bäcker: angesichts der Weizenknappheit am Ende des 17. Jahrhunderts wird ihre Tätigkeit streng kontrolliert und Beihilfen werden gestrichen.

Einige liberale Berufe werden von denen ausgeübt, die länger bleiben: Lehrer, Chirurgen.

Einige Zahlen

Es ist schwierig, die Zahl der Flüchtlinge, die über die Schweiz fliehen, zu schätzen; die Archive sind oft unvollständig.

Die Zahl derer, die aus Frankreich über die Schweiz emigrieren, ist beträchtlich: 140.000 bis 160.000 zwischen 1680 und 1690.

Man schätzt die Zahl derer, die sich niederlassen, auf 22.000 – am häufigsten, aus sprachlichen Gründen, in den französischsprachigen Kantonen, obwohl auch Kirchen französischer Sprache in Zürich, Schaffhausen, Bern und Basel entstanden sind.

Die Städte im Waadter Land beherbergen dauerhaft starke hugenottische Kolonien. Im Jahre 1698 zählt Lausanne 1598 Flüchtlinge auf 6204 Einwohner (20%). Für die Durchreise muss mit den deutschen Fürsten und den freien Städten, sowie mit den skandinavischen Herrschern und denen der Vereinigten Provinzen verhandelt werden, um die Welle der Flüchtlinge, die auf die Angebote von deutschen Fürsten, besonders des Kurfürsten von Brandenburg, eingehen wollen, in die richtigen Bahnen zu leiten.

Die Mehrzahl der Historiker schätzt, dass die Konföderation mindestens 60.000 Flüchtlinge beherbergt hat und dass etwa 20.000 sich dort niedergelassen haben. Von 1680 bis 1689 werden 30.000 in Genf aufgenommen, der Ansturm ist in den Monaten August und September 1687 mit 12.000 Flüchtlingen am größten, etwa 45.000 Menschen haben die Schweiz bis Ende des Jahrhunderts durchquert. Im Übrigen findet 1689 die Verwüstung der Pfalz durch die Armee Ludwigs XIV. statt und schon dort angesiedelte Flüchtlinge suchen in der Schweiz Zuflucht.

In den letzten Jahren des 17. Jahrhunderts schwankt die Zahl der Ankömmlinge je nach politischer Lage. Infolge seines Beitritts zur Augsburger Liga setzt der Herzog von Savoyen den reformierten Gottesdienst wieder ein und lädt die Franzosen ein, sich in den Tälern des Piémont niederzulassen. Im Jahre 1698 jagt der Herzog unter Anwendung einer mit Ludwig XIV. abgesprochenen Exklusionsklausel etwa 2800 Flüchtlinge aus dem Land, die nach Deutschland weiterziehen werden.

Genf, das „protestantische Rom“

Genf ist in einer besonderen Lage. Die Reformation wird schon am 21. Mai 1615 vom Generalrat angenommen. Die Ansiedlung von Calvin und sein Werk der Organisation von sowohl religiösen als auch politischen Strukturen verleiht der Stadt eine ganz außerordentliche Ausstrahlung.

  • Die erste Welle

Gleich nach den ersten Verfolgungen zieht Genf einen beträchtlichen Strom von Flüchtlingen an. Es wird so zur unbestrittenen Hauptstadt des französischsprachigen Protestantismus.

Die Behörden der Stadt eröffnen ein Spezialregister und gewähren den Ankömmlingen einen Sonderstatus: der „Bewohner“ ist weder der Ausländer auf der Durchreise, noch der Bürger, der seinen Titel erhalten oder erkauft hat; er hat keine politischen Rechte und seine Kinder werden „in Genf Geborene“ und nicht Bürger von Genf genannt. Aber eine Art Vertrag bindet ihn an die Stadt, die er erwählt hat, und sein Name wird in ein besonderes Buch eingetragen. Er wird nur aufgenommen, wenn er schriftlich erklärt, dass er sich nur aus dem Wunsch hier niederlässt, „nach der heiligen evangelischen Religion zu leben, die hier rein verkündet wird“. Dieses 1549 eröffnete Buch der Bewohner enthält bis 1560 4800 Namen; es wurde nach einem Versuch der Koexistenzpolitik mit Frankreich geschlossen und es wird acht Tage nach der Bartholomäusnacht mit 20 Ankömmlingen pro Tag wieder geöffnet. Danach bringt das Edikt von Nantes diesen Strom zum Versiegen, aber die Erinnerung an Orte und Bindungen, die man, wenn nötig, nur reaktivieren muss, bleibt.

Auch wenn viele Flüchtlinge Genf nur als Durchreiseort benutzen, so lassen sich doch einige dort nieder, da sie das Wohn- oder Bürgerrecht erlangt haben (im Allgemeinen die Reichsten, die der Wirtschaft am nützlichsten sind). Das ist der Fall für den berühmten Buchdrucker Robert d’Estienne.

Von einem kleinen Marktflecken entwickelt sich Genf zu einem auf kulturellem wie wirtschaftlichen Gebiet renommierten Zentrum. Das Genfer Verlagswesen des 16. Jahrhunderts ist eine vorwiegend französische Angelegenheit. Die Uhrmacher– und Juwelierkunst sowie die Textilindustrie erleben einen großen Aufschwung. In zehn Jahren hat sich die Stadt durch die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen verdoppelt. Aber nach der Verkündigung des Edikts von Nantes kehren 3000 Flüchtlinge nach Frankreich zurück.

Die französische Börse, eine Hilfseinrichtung für die Flüchtlinge, wird 1545 von David de Busanton gegründet. Sie wird im Laufe des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts immer reicher dank zahlreicher privater Spenden. Innerhalb des Jahres 1687 hat die Börse etwa 100.000 Gulden verteilt.

  • Die zweite Welle (1660-1720)

Sie beginnt vor der Aufhebung des Edikts von Nantes.

Die Lage von Genf, einer freien Stadt, mit den evangelischen Kantonen verbündet aber umgeben von den Besitztümern des Herzogs von Savoyen und des Königs von Frankreich, ist besonders gefahrvoll. Ludwig XIV. hat sie unter französische Aufsicht gestellt; diese Vormundschaft wird seit 1679 vom Residenten Frankreichs verkörpert, der bei den Behörden der Stadt vorspricht, um die Vertreibung der Hugenotten zu erreichen.

Innerhalb des Jahres 1687 ziehen bis zu 350 Personen pro Tag durch Genf. In den zehn Jahren von 1680 bis 1689 unterstützt Genf etwa 30.000 Flüchtlinge.

Außer den bereits erwähnten Industrietätigkeiten entwickelt sich eine Tätigkeit, die darauf spezialisiert ist, die Texte der Pfarrer des vorangegangenen Jahrhunderts neu zu drucken. Von hier aus gehen oft die Hausierer los, die in Frankreich heimlich das Neue Testament in französischer Sprache, religiöse Abhandlungen oder die Schriften der Reformatoren einführen.

Bibliographie

  • Bücher
    • CABANEL Patrick, Histoire des Protestants en France (XVIe-XXIe siècle), Fayard, 2012
    • Collectif, La Suisse et le Refuge, accueil et passage, La Table Ronde, Marseille, 1985
    • DUCOMMUN Marie-Jeanne, Le Refuge protestant dans le pays de Vaud, Champion Slatkine, 2001
    • FATIO Olivier (dir.), Genève au temps de la révocation de l’édit de Nantes (1680-1705), Champion, Paris, 1985
  • Artikels
    • „Les réfugiés huguenots et la Suisse“, Revue suisse d'histoire, 1986, Numéro 3
    • SHPF, „Bulletin de la Société d’histoire du protestantisme français“, SHPF, Paris, octobre-décembre 1969

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