Die ersten Missionen

Die ersten protestantischen Missionen Frankreichs entwickeln sich in Südafrika, denn diese Region befindet sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts inmitten einer politischen Umgestaltung.

Das erste Gebiet der Missionsarbeit der SMEP : Lesotho

  • Missionsstation Morija © S.H.P.F.

Die ersten protestantischen Pfarrer werden jedoch nicht mit dem Ziel ausgesandt, den hugenottischen Bauern, den Buren, Pfarrer zu schicken, sondern um „eine Mission unter den Heiden aufzubauen“. Unter der Leitung von John Philip begeben sich die Missionare auf die Suche nach einem Missionsgebiet. In Botswana gründen Roland und Lemue eine erste Missionsstation. Schwierigkeiten mit Moselekatsi, dem Stammeshäuptling der Ntebele, zwingen sie zur Flucht und zur Aufgabe der Station. Sie ziehen sich nach Osten in die Nähe von Lesotho zurück, wo sie im Leben der späteren Mission der SMEP in diesem Land eine Rolle spielen. Bisseux bleibt seinerseits mit den Buren verbunden und wirkt 67 Jahre lang als Pfarrer im Dienst einer Gruppe hugenottischer Bauern in der Nähe des Kaps.

Um diesen in Botswana in Schwierigkeit geratenen Pionieren zu Hilfe zu kommen und um

einen sicheren und geeigneten Ort für eine Niederlassung zu suchen, beschließt der Verwaltungsrat der SMEP 1832, erneut Missionare nach Südafrika auszusenden. Im Februar 1833 setzen drei französische Missionare, Eugène Casalis, Thomas Arbousset und Constant Gosselin, am Kap Fuß an Land. Damit sich die Neuankömmlinge zurecht finden, wenden sich die Verantwortlichen der LMS an einen afrikanischen Häuptling, der den Missionaren günstig gestimmt ist. Sie finden diesen in der Person des Sothohäuptlings, Moshoeshoe, dem es gelang, sein Volk zusammenzuhalten und Thaba-Bosiu, zu erobern, das die historische Hauptstadt von Lesotho bleibt.

Es geht das Gerücht herum, Moshoeshoe begrüße die Ankunft der französischen Missionare ; die Verantwortlichen der LMS und die französischen Missionare setzen das mit dem Appell des Mazedoniers an Paulus gleich (Apog.16,9). Die 3 Männer werden also zu Moshoeshoe gebracht. Am 28. Juni 1833 findet das historische Treffen mit dem Häuptling statt, das damit endet, dass die Missionare eingeladen werden, sich im Lande niederzulassen. Wenige Kilometer von Thaba-Bosiu entfernt wird eine Stätte gefunden, die Morija genannt wird nach dem biblischen Namen des unbekannten Ortes, zu dem Abraham dem Ruf Gottes folgend gelangte (1. Buch Moses, 22). Zwei Jahre später beschließt die Missionskonferenz von Lesotho, welche die ersten Arbeiter dieser Mission versammelt, mit dem Zustimmung von Moshoeshoe Casalis in Thaba-Bosiu aufzunehmen.

Moija und Thaba- Bosiu sind gewissermaßen die beiden Missionsstationen der SMEP, nach deren Muster sich andere Stationen in anderen Ländern entwickeln werden. Moija ist die „neue “ Station, in der die ersten Zuhörer entdecken sollen, dass das Evangelium nicht nur eine Aufforderung ist, sein Herz zu verändern, sondern auch die Gesellschaft im Namen der Zivilisation zu verändern, die man sich zu der Zeit als eine „christliche“ vorstellt. So gehören das Erlernen von Fremdsprachen ( in diesem Fall Englisch !), von neuen Techniken in Bauwesen, Landwirtschaft, Hygiene aber auch die Ethik bezüglich Familie, Gesellschaft und Politik zur Gesamtarbeit der Evangelisation. Thaba- Bosiu bleibt die traditionelle Station, in der das Evangelium in der Sprache der Sotho verkündet und, soweit wie möglich, in der örtlichen Kultur und den Stammestraditionen verankert wird. So soll der SMEP nach das Experiment von Lesotho eine „Schulmission“ werden.

Der Senegal

  • Gruppe von Senegalesen © S.H.P.F.

1863 wird ein neuer Missionsversuch der französischen Protestanten im Senegal auf Vermittlung des Gouverneurs, des Protestanten Jauréguiberry, gestartet. Er gibt die Missionare als Marineseelsorger aus und erreicht ihre Niederlassung in Casamance, wobei er die Hauptstadt Saint- Louis umgeht, wo sich der Sitz der katholischen Missionen befindet. Jedoch sind die Anfänge grausam : von den 5 ersten Missionaren sterben 2 ganz schnell, und 2 andere kehren aus gesundheitlichen Gründen nach Paris zurück ; der einzige Verbliebene muss nach Saint- Louis überstellt werden. Dort erlebt die protestantische Mission eine interessante Entwicklung bei der Bevölkerung der Bambara, den befreiten Sklaven, die schutzsuchend von den oberen Flussläufen des Senegal und Niger in die französisch verwaltete Hauptstadt kommen.

Die protestantische Kirche nimmt sie auf und wächst mit dem ständigen Zustrom von Flüchtlingen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Tahiti

  • Pfarrhaus in Moorea © S.H.P.F.

Im gleichen Jahr -1863 – beginnt für die SMEP eine Reihe von Abenteuern, welche sie veranlassen, sich auf 6 anderen Missionsgebieten einzusetzen, die sie auf Grund der neuen weltpolitischen Lage erbt. Es beginnt nämlich die Zeit der kolonialen Eroberungen, und als die Länder Afrikas und des Pazifiks nach und nach unter den Einfluss einer europäischen Nation kommen – oft durch einen mit der Übernahme durch ein anderes Land endenden Kriegs – , wird die SMEP aufgefordert, französische (oder frankophone) Missionare zu entsenden, die „fremde“ Missionare ablösen oder an ihrer Seite arbeiten..

Ein solches Experiment beginnt 1863 auf Tahiti, wo ein ehemaliger Missionar von Lesotho, Thomas Arbousset, versucht, die britischen Missionen der LMS abzulösen, die sich seit 1797 im Archipel befinden, diesen aber 1843 auf Grund der Übernahme durch die Franzosen verlassen mussten. Die Briten haben dort eine ansehnliche Evangelisations- und Entwicklungsarbeit geleistet : in einer vom Christentum modernisierten Gesellschaft ist fast die ganze Bevölkerung protestantisch geworden. Die Bibel ist seit 1838 in die tahitische Landessprache übersetzt, und die Alphabetisierung, die darauf erfolgt ist, wird zur Grundlage des Schulsystems, das der französische Kolonialherr mit der Absicht, die französische Sprache einzuführen, übernimmt. 20 Jahre britisch- französischer Kampf zwingen die SMEP dazu, die LMS abzulösen und ihr Werk unter Schwierigkeiten weiterzuführen. Der Großteil der Bevölkerung Tahitis ist dem protestantischen Glauben bis heute treu geblieben.

Die Ablösung der britischen Missionare der LMS durch die der SMEP ergibt sich noch einmal in zwei anderen Archipelen : in Neu- Kaledonien und auf Madagaskar, welche zusammen mit dem französischen Polynesien die Inselgruppe („le groupe des îles“) darstellen. Doch sie vollzieht sich zu einer späteren Zeit, der Gründerzeit („l’époque des bâtisseurs“), die nach der afrikanischen Konferenz von Berlin 1884-1885 beginnt. Diese internationale politische Konferenz teilt die Welt in europäische Einflusszonen auf und rechtfertigt die territoriale koloniale Eroberung, die bedeutende Auswirkungen auf die Missionsbewegung haben wird.

Autor: Jean-François Zorn

Bibliographie

  • Bücher
    • BLANQUIS Jean, Les origines de la Société des missions évangéliques de Paris, 1822-1830, SMEP, Paris, Tome 3
    • PIETRI Charles, VAUCHEZ André, VENARD Marc et MAYEUR Jean-Marie (dir.), Histoire du christianisme des origines à nos jours, Desclée, Paris, 1990-2001, Tome 14
    • ZORN Jean-François, Le grand siècle d’une mission protestante. La mission de Paris de 1822 à 1914, Karthala/Les Bergers et les Mages, Paris, 1993
  • Artikels
    • GADILLE Jacques et ZORN Jean-François, „Le projet missionnaire“, Libéralisme, industrialisation, expansion européenne (1830-1914), sous la dir. de GADILLE Jacques et MAYEUR Jean-Marie (1995), Histoire du christianisme des origines à nos jours, PIETRI Charles et Luce, VAUCHEZ André, VENARD Marc, MAYEUR Jean-Marie, Desclée, Paris, 1990-2001, Volume 11, p. 137-170
    • GADILLE Jacques et ZORN Jean-François, „Théologie de la mission“, Libéralisme, industrialisation, expansion européenne (1830-1914), sous la dir. de GADILLE Jacques et MAYEUR Jean-Marie (1995), Histoire du christianisme des origines à nos jours, PIETRI Charles et Luce, VAUCHEZ André, VENARD Marc, MAYEUR Jean-Marie, Desclée, Paris, 1990-2001, p. 992-1112
    • GADILLE Jacques et ZORN Jean-François, „Les missions chrétiennes en Afrique, Asie, Australie et Océanie“, Libéralisme, industrialisation, expansion européenne (1830-1914), sous la dir. de GADILLE Jacques et MAYEUR Jean-Marie (1995), Histoire du christianisme des origines à nos jours, PIETRI Charles et Luce, VAUCHEZ André, VENARD Marc, MAYEUR Jean-Marie, Desclée, Paris, 1990-2001, p. 427-440
    • ZORN Jean-François, „Le combat anti-esclavagiste chrétien au XIXe siècle“, Bulletin de la SHPF, SHPF, Paris, 1993, Tome 127, p. 635-652

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