Die Amischen im Elsass
im 18. Jahrhundert
Mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts bricht eine neue Verfolgungswelle über die Amischen herein und vertreibt sie von ihrem Grund und Boden. Diese neuerliche Zerstreuung verleiht ihrer Gemeinschaft neue Kraft. Überall werden sie als bemerkenswerte Landwirte anerkannt.
Die Verfolgung unter Louis XIV.
Das ganze 18. Jahrhundert hindurch verstärkt eine Einwanderungsbewegung aus der Schweiz die Gemeinschaften der Anabaptisten, die seit dem 16. Jahrhundert über das Elsass zerstreut sind. Unter den Neuankömmlingen befindet sich auch Jakob Amann, der Gründer einer neuen Dissidentengemeinde, der Amischen. Dank ihrer unermüdlichen Arbeit und ihres landwirtschaftlichen Könnens bringt es die im Tal von Sainte-Marie-aux-Mines niedergelassene Amischen-Gemeinschaft zu augenfälligem wirtschaftlichem Erfolg. Neider schreiben an den Kanzler am Hof, Voysin, um ihn auf die rechtswidrige Lage der Anabaptisten im Elsass hinzuweisen. Sie fallen nicht unter die Verträge von Münster und Osnabrück aus dem Jahre 1648, die den Protestanten im Elsass eine Sonderstellung einräumen. Louis XIV. wird auf sie aufmerksam gemacht und beschließt, sie aus seinem Land zu vertreiben. Im September 1712 erteilt der Intendant des Elsass allen Baillis den Befehl, die Anabaptisten noch vor Oktober aus dem Königreich Frankreich zu vertreiben. Infolge des übereilten Aufbruchs wird ihr gesamtes Hab und Gut verscherbelt.
Der Fürst von Birkenfeld, der Nachfolger der Herren von Ribeaupierre, beklagt den Verlust dieser Bauern und stellt ihnen lobende Zeugnisse aus, die es ihnen ermöglichen, außerhalb der französischen Grenzen neue Niederlassungsorte zu finden : das Fürstentum Mömpelgard (Montbéliard), Lothringen, die Grafschaft Salm, das Weilertal, das Herzogtum Zweibrücken.
Die Amischen-Gemeinschaft wird durch ihre Zerstreuung gestärkt, während das Tal von Sainte-Marie-aux-Mines hieraus wirtschaftlich sehr geschwächt hervorgeht. Nach dem Tod von Louis XIV. im Jahre 1715 kehren einige Familien unauffällig nach Sainte-Marie-aux-Mines zurück. Sie pachten das Land, das ihnen vorher gehört hat.
Eine gewisse Duldung unter Louis XV.
Unter Louis XV. werden die Anabaptisten geduldet, jedoch mit gewissen Einschränkungen, wie z.B. dem Verbot von Eheschließungen. Diese Anordnung wird jedoch aufgrund des Schutzes der Fürsten, der Notabeln und selbst der Geistlichen, die sie auf ihren Ländereien beschäftigen, nicht wirklich angewandt.
Es gibt damals etwa zwanzig Amischen-Versammlungen. Sie sind in den wichtigsten Bauernhöfen des Sundgaus, den Pachtgütern der Vogesentäler und zahlreichen Gütern in der Ebene anzutreffen. 1766 haben Brüder den Mut, um die offizielle Befreiung von der Pflicht zur Eidesleistung vor Gericht nachzusuchen. Der Staatssekretär für Äußeres, der Herzog von Choiseul, antwortet ihnen, es sei am Besten für sie, nicht aufzufallen, wenn sie nicht ausgewiesen werden wollten. Dies trägt dazu bei, dass sich die Anabaptisten von der Außenwelt abschließen und an abgelegene Orte zurückziehen.
Unvergleichliche Landwirte
Der Rat und Minendirektor in Sainte-Marie-aux-Mines Kroeber beschreibt sie dem Intendanten in der Hoffnung auf ihre Rückkehr wie folgt :
- „Die Anabaptisten sind von Natur aus sehr fleißige Leute und verwenden außerordentlich große Anstrengungen darauf, unbebautes Land urbar zu machen…Sie verstehen sich besonders und weit mehr als die anderen Bewohner des Elsass darauf, das Vieh zu ernähren, damit zu handeln und es durch Heilmittel zu erhalten…“ (« Les anabaptistes sont naturellement des gens fort laborieux et s’appliquent avec un soin extraordinaire à défricher les terres incultes…Ils sont particulièrement et beaucoup plus entendus que les autres habitants d’Alsace en l’art de nourrir le bétail, d’en faire trafic et de les conserver par des remèdes… »).
Ihnen sind bedeutende Neuerungen in den Techniken der Tierzucht und des Ackerbaus zu verdanken (Selektion der Kuhrasse Montbéliarde durch eine Kreuzung von Tieren aus dem Kanton Bern mit lokalen Rassen, Bewässerungstechniken, Herstellung künstlicher Wiesen, Fruchtfolgen, durch die sich Flächenstilllegungen erübrigen).
Die Revolution
Mit der Revolution werden die Anabaptisten französische Staatsbürger und erfreuen sich nun endlich einer legalen Existenz. Sie können wieder Eigentum erwerben.
Die Revolutionszeit bringt jedoch mehrere Probleme mit sich : den Eid, als Zeichen der Treue gegenüber der republikanischen Verfassung, und vor allem den Militärdienst.
Die Anabaptisten lehnen den Eid ab, und es gelingt ihnen zu erreichen, dass das Versprechen als dem Eid gleichwertig anerkannt wird. Als entschlossene Pazifisten genießen sie eine Befreiung vom Dienst in der Miliz.
Nach Einführung der Wehrpflicht werden sie als Vaterlandsverräter, als Feiglinge beschimpft, bis ein Konventmitglied aus Paris, ein gewisser Goupilleau, dem Anabaptisten Jakob Kupferschmitt aus Salm einen Besuch abstattet. Er sagt daraufhin über die Anabaptisten : „Ich glaube, sie sind die besten Menschen, die es auf der Erde gibt“ (« Je crois que ce sont les meilleurs hommes sur la terre »).
Dadurch ermutigt, schicken die Anabaptisten 1793 eine Delegation nach Paris. Sie kehren zurück mit einer Empfehlung des Wohlfahrtsausschusses in der Form einer Verordnung, die sie von Militärdienst befreit.
Wie es ihnen gelang, diese Empfehlung zu erreichen, bleibt ein Geheimnis, denn sie sind wirklich die einzigen, deren Partikularismus berücksichtigt wurde und dies zu einer Zeit, wo das « Vaterland in Gefahr » war.
- Empfehlung des Wohlfahrtsausschusses
„Bürger, die Anabaptisten Frankreichs haben einige von ihnen zu uns entsandt, um uns vorzutragen, dass ihr Glaube und ihre Moral es ihnen untersagen, Waffen zu tragen, und um darum zu ersuchen, sie in den Armeen einem anderen Dienst zuzuteilen. Wir haben in ihnen einfache Herzen gesehen und gedacht, eine gute Regierung sollte alle Tugenden zum allgemeinen Nutzen einsetzen. Wir fordern euch daher auf, den Anabaptisten gegenüber die gleiche Milde walten zu lassen, die ihren Charakter ausmacht, ihre Verfolgung zu verhindern und sie dem zuzuweisen, um den sie in den Armeen ersuchen, wie dem Pionier- und dem Traindienst, oder ihnen auch zu erlauben, diesen Dienst in Geld zu begleichen.‘
Gezeichnet : Couthon, Barrère, Hérault, Saint-Just, Thuriot, Robespierre
- (« Les Anabaptistes de France, citoyens, nous ont député quelques-uns d’entre eux, pour nous représenter que leur culte et leur morale leur interdisent de porter les armes, et pour demander qu’on les employât dans les armées à tout autre service. Nous avons vu des cœurs simples en eux, et nous avons pensé qu’un bon gouvernement devait employer toutes les vertus à l’utilité commune. C’est pourquoi nous vous invitons à user envers les Anabaptistes de la même douceur qui fait leur caractère, d’empêcher qu’on les persécute et de leur accorder le service qu’ils demanderont dans les armées, tel que celui de pionniers et celui de charrois, ou même de permettre qu’ils acquittent ce service en argent.
- Signé : Couthon, Barrère, Hérault, Saint-Just, Thuriot, Robespierre »)
Aufbruch in die USA
Später, unter Napoleon, wurde ihnen das Waffentragen wieder zur Pflicht gemacht, was einen Großteil der Amischen im Elsass und in Lothringen veranlasste, in die Neue Welt aufzubrechen.
Noch heute bilden die Amish in den USA eine blühende Gemeinschaft, die ihre Kleidung und Gebräuche bewahrt.
Bibliographie
- Bücher
- Souvenances anabaptistes – Mennonitisches Gedächtnis, Bulletin annuel de l'Association française d'histoire anabaptiste-mennonite, 1982-2003
- The Mennonite Encyclopedia, Aschendorff, Münster, 1982 et 1990, Volume 5
- MATHIOT Charles et BOIGEOL Roger, Recherches historiques sur les Anabaptistes, Le Phare - Flavion, Namur, 1969
- SEGUY Jean, Les Assemblées anabaptistes-mennonites de France, École des hautes études en sciences sociales, Paris, 1977
- Artikels
- CLASEN Claus-Peter, „Executions of Anabaptists“, The Mennonite Quarterly Review, Groschen College, April 1973
Dazugehörige Vermerke
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